Carolin Berendts
Kulturagenten als Netzwerker
Carolin Berendts

Kulturagenten als Netzwerker

Über Möglichkeiten und Grenzen, als Kulturagentin Kooperationen zwischen Schulen und Kultureinrichtungen zu initiieren. Eine systemisch inspirierte Reflexion

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Projekt "Gedankenräume – Klang Körper Raum" der Anna-Seghers-Schule
Foto: Claire Waffel

Ein erklärtes Ziel des Kulturagentenprogramms war und ist es, Kooperationen zwischen Schulen und Kultureinrichtungen zu initiieren, auszubauen und zu festigen. Den Kulturagentinnen und Kulturagenten kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Aufgrund ihrer Kenntnis der beiden Systeme sollen sie an deren Schnittstelle als "Partnerschaftsvermittler" erste Schritte vorbereiten, begleiten und die Zusammenarbeit beraten.

Im vierten Jahr des Programms möchte ich im Folgenden die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen dieser Vermittlerrolle reflektieren. Kulturagentinnen und Kulturagenten können meiner Erfahrung nach die Grundlagen für Begegnung und damit auch für eine Zusammenarbeit schaffen. Die Zusammenarbeit ist – so viel sei schon jetzt verraten – den Systemen selbst vorbehalten …

Neben meiner Erfahrung als Kulturagentin im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick bedient sich diese Reflexion auch stellenweise der Systemtheorie. Diese hat mir über die Jahre immer wieder auch im Nachhinein geholfen, zu verstehen, wo Stolpersteine und Gelingensbedingungen bei der Zusammenarbeit dieser beiden Königskinder verborgen sind.

System Schule – System Kultureinrichtung

Beginnen wir also beim Anfang: Wir sprechen über zwei organisatorische Schwergewichte, denn sowohl Schulen als auch Kultureinrichtungen sind mehr als Gebäude, Schülerinnen und Schüler, Künstlerinnen und Künstler, Aufgaben oder Ausstellungen. Beides sind Systeme mit diversen Untersystemen (Teams, Schulleitung, Lehrer- und Schülerschaft, Hausmeister, Technischer Leiter, Künstlerisches Betriebsbüro, Vermittlungsabteilung), einer eigenen Organisationskultur, einer langen Geschichte und vielen Mitarbeitern, die oft einen hohen idealistischen Anspruch an ihre Tätigkeit stellen. Auch wenn in der Praxis Kulturschaffende und Lehrende vielleicht jeweils ein ganz anderes Bild von Schulen und Kultureinrichtungen haben mögen, aus Sicht der systemischen Theorie ähneln sie sich. Es sind beides Organisationen, selbst organisierte Systeme, die getrennt von ihrer Umwelt erst einmal mit sich selbst, ihren Untersystemen und inhärenten Ambivalenzen beschäftigt sind. Ihnen ist gemeinsam, dass sie "nicht direkt und linear instruierbar sind, sondern sich nur gemäß ihrer eigenen Strukturen verändern können – eben selbstorganisiert. […] Ein weiteres Merkmal vieler Systemtheorien ist zudem, dass sie davon ausgehen, dass es geradezu ein Charakteristikum lebender Systeme ist, Paradoxien und Ambivalenzen zu organisieren."1

Paradoxien und Ambivalenzen? Tatsächlich müssen die Systeme Schule und Kulturinstitution unterschiedliche, sich vielfach widerstreitende Aufgaben meistern. Beispielsweise soll ein kulturbeauftragter Lehrer kulturelle Bildungsprozesse über Fachbereichsgrenzen hinweg initiieren, während seine Kollegen vielleicht gerade daran sitzen, das fachinterne Curriculum auszubauen. Die Schülerschaft wiederum fordert mehr Partizipation ein, und die Elternschaft möchte mehr Medienkompetenzvermittlung für ihre Kinder, obwohl die Mittel nur für einen leidlich eingerichteten Computerraum reichen. Kultureinrichtungen sollen Mittel einsparen und spektakuläre Projekte realisieren, sie sollen die Fach- wie die Stadtöffentlichkeit ansprechen, Aktuelles aufnehmen und Überbrachtes bewahren. Jedes System ist also bereits hinreichend mit der Umsetzung von Aufgaben beschäftigt. Und von außen betrachtet scheint alles klar: Schule macht Schule, Kultureinrichtung macht Kultur. Beide Systeme befinden sich beständig in Veränderungsprozessen und sind in relevante Umwelten (Schulamt, Senatsverwaltung, Feuilleton, Aufsichtsrat, Förderer …) eingebettet, die – wenn auch nicht direkt und linear – Einfluss nehmen und das System durch Vorgaben und Impulse gehörig durcheinanderbringen können.

Je größer die Organisation ist, desto komplexer gestaltet sich ihr Innenleben. Dies ist sicherlich ein Grund dafür gewesen, warum im Kulturagentenprogramm zunächst viel mit Einzelkünstlerinnen und -künstlern sowie mit kleineren Einrichtungen zusammengearbeitet wurde. Denn als Ausgangspunkt war das System Schule in seiner Komplexität bereits Herausforderung genug, und auch ohne externe Partner ist dort einiges in Bewegung geraten.

Betrachten wir nun den nächsten Schritt: die Kooperation.

Kooperation

Die Idee der Kooperation ist allgegenwärtig in den Diskussionen um kulturelle Bildung an Schulen. Sie soll – so das Versprechen – den Wirkungskreis von kulturellen Bildungsangeboten für Kinder und Jugendliche erweitern: sei es beispielsweise durch die Zusammenarbeit einer bezirklichen Jugendkunstschule mit der Musikschule oder eines Theaters mit einer allgemeinbildenden Schule. Viele Förderprogramme machen Kooperationen inzwischen zu einer Fördervoraussetzung. Seitdem werden die unterschiedlichsten Arten von Zusammenarbeit als "Kooperation" bezeichnet, auch wenn sie vielleicht nicht immer unbedingt auf Augenhöhe stattfinden. Gleichzeitig wird eine wichtige Diskussion darüber geführt, wo Kooperation beginnt, was ihre Mindeststandards sind und ob kulturelle Bildung nicht manchmal auch ohne Kooperationsbündnis qualitativ hochwertig sein kann. Denn Kooperation kann nie Selbstzweck sein, sondern muss ein gemeinsames und geteiltes Ziel der Partner verfolgen.

Laut Definition2 ist Kooperation das zweckgerichtete Zusammenwirken von Handlungen zweier oder mehrerer Personen oder Systeme, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Oder wie es Andreas Knoke, Abteilungsleiter Programme der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, zusammenfasst: "Es bedarf einer guten Idee, die man besser gemeinsam als allein angehen will."3 Kooperation ist Zusammenarbeit, und dies bedeutet oft mehr Aufwand, als eine Aufgabe alleine im vertrauten System zu bewältigen. Denn Kooperieren ist nicht nur die idealtypische Vorstellung davon, dass zwei zusammen gemeinsam etwas Schöneres und Größeres bauen können. Kooperieren ist unbequem: Da stellt jemand die eigenen Gewissheiten in Frage, bringt die bekannten Abläufe durcheinander, versteht nicht, was man vorher nicht erklären musste. Kooperationen kosten Zeit und Energie sowie die Bereitschaft, sich auf die Perspektive des Kooperationspartners einzulassen. In dieser Situation kann ein Prozessbegleiter/ein Kulturagent eine große Hilfe sein, der Kommunikation unterstützt, Aufgaben sortiert und dazu beiträgt, dass auf einen ersten Schritt ein zweiter folgt.

Rolle der Kulturagentinnen und Kulturagenten

Wie konnte ich als Kulturagentin nun Kooperationen konkret mitinitiieren und begleiten? Wo sehe ich den Mehrwert einer persönlichen Begleitung – zum Beispiel im Gegensatz zu einem Qualitätsmanagementinstrument für Kooperationen "Kultur macht Schule"4, das die Bundesvereinigung für kulturelle Kinder- und Jugendbildung 2007 herausgegeben hat und das die unterschiedlichen Qualitätsbereiche von Kooperation zwischen Ganztagsschulen und kulturellen Bildungseinrichtungen umfangreich beleuchtet?

Der erste Vorteil der Kulturagentinnen und Kulturagenten liegt auf der Hand: Es sind Personen, die mit anderen Personen interagieren, die anrufen, Termine ausmachen und Auswertungsgespräche führen können. Sie arbeiten mit ihrer Professionalität, Persönlichkeit und Motivation. Ich war in meiner Kulturagentenzeit nie nur Beraterin und Begleiterin, sondern auch Initiatorin, Netzwerkerin, Akteurin und Managerin. Diese Aufgabenvielfalt kann kein noch so gutes Dokument übernehmen und keine noch so fesselnde Lektüre ersetzen: Die Interaktion zwischen Menschen macht in meinen Augen die Arbeit und die Qualität der Kulturagentinnen und Kulturagenten aus.

Als Begleiter von Kooperationen haben die Agentinnen und Agenten den Vorteil, beide Systeme zu kennen und dennoch Teil eines dritten Systems zu sein: Als Kulturagentin kann ich Themen identifizieren und Verbindungen herstellen, auf die die Akteure alleine vielleicht nicht gekommen wären. Als Experten für kulturelle Bildung bringen die Kulturagentinnen und Kulturagenten Ideen über neue Themen und Formate ein. Ihre Rollen sind vielfältig und je nach Kooperation unterschiedlich:

  • Schnittstelle: Manchmal reicht bereits ein Kontakt
    Viele Künstlerinnen und Künstler sowie Kultureinrichtungen wandten und wenden sich mit Projektideen und Angeboten an Kulturagentinnen und Kulturagenten. Oft konnten wir nicht weiterhelfen, doch manchmal lag die passende Klasse, die interessierte Kollegin einfach auf der Hand, und durch die Weitergabe der direkten E-Mail-Adresse und Telefonnummer nahm ein Projekt seinen Lauf – mit oder ohne weitere Begleitung durch eine Agentin/einen Agenten. Und aus manch einem gelungenen Projekt entwickeln sich in der Folge Partnerschaften und Kooperationen.

  • Netzwerken
    Im Kulturagentenprogramm erarbeiteten Kulturagentinnen und Kulturagenten zusammen mit den Schulen ihre individuellen Kulturfahrpläne und Kulturprofile. Durch ihre Kenntnis der Kulturlandschaft konnten sie passende Partner identifizieren, erste Vorabgespräche führen und schließlich einen direkten Kontakt zur Schule herstellen. Oft half das Kunstgeld, gemeinsam erste Schritte zu wagen und Pilotprojekte zu realisieren. Gleichzeitig wandten sich mit der Zeit auch mehr und mehr Einrichtungen an die Agentinnen und Agenten, um Beratung für die passenden Schulpartner, auch über das Netzwerk der Programmschulen hinaus zu bekommen. Die richtigen Personen zusammensetzen und darüber hinaus die richtigen Personen zu informieren, sind Kernaufgaben der Kulturagentinnen und Kulturagenten.

  • Impulsgeber, Themenfinder, Kuratoren
    Kulturagentinnen und Kulturagenten sind Experten für künstlerische Diskurse ebenso wie für kulturelle Bildungsthemen. Sie entdecken neue Themenfelder, entwickeln diese mit Kultur- und Schulpartnern weiter und kuratieren Projekte an der Schnittstelle von Kunst und Bildung. Dies ist vielleicht die neueste Rolle im Bereich der kulturellen Bildungslandschaft, die oft durch viele idealistische Einzelkämpfer geprägt ist, die in ihrer Position selten die Möglichkeit zum Fachaustausch auf Augenhöhe haben.

  • Prozessbegleitung und Beratung
    Die Beratung und Begleitung von Prozessen ist eine weitere wichtige Aufgabe von Kulturagentinnen und Kulturagenten. Diese fallen je nach Erfahrung der Partner unterschiedlich intensiv aus. Arbeiten da zwei langbekannte Partner miteinander oder hat zumindest einer der beiden einschlägige Erfahrungen, kann die Agentin/der Agent vielleicht vor allem als Impulsgeberin/Impulsgeber (s. o.) fungieren; wagen zwei Neulinge erste Schritte auf dem kulturellen Bildungsparkett, müssen diese manchmal sehr intensiv begleitet werden. Da werden Gespräche moderiert, Aufgaben formuliert und verteilt, Stolperfallen des Projekts identifiziert, und manchmal geht es auch um ganz handfeste Fragen des Projektmanagements (s. u.). Als Prozessbegleiter stehen Kulturagentinnen und Kulturagenten für die Qualität des Prozesses ein, fordern regelmäßige Austauschtreffen und Abschlussreflexionen ein und moderieren bei Konflikten.

  • Projektmanagement und Fortbildung
    Von der Antragstellung und -abrechnung über die Projektdurchführung bis hin zur Drittmittelakquise: Oft und insbesondere zu Beginn der Programmlaufzeit unterstützten Kulturagentinnen und Kulturagenten die Arbeit selbst als Projektmanager und gaben gleichzeitig ihre Kenntnisse an Künstlerinnen und Künstler, an Kolleginnen und Kollegen der Schulen und der Kultureinrichtungen weiter. Diese katalysatorische Funktion war insbesondere bei weniger erfahrenen Projektpartnern wichtig, um Erfahrungen und Sicherheit in der Zusammenarbeit zu gewinnen.

In jeder neuen Zusammenarbeit stehen andere Rollen im Vordergrund. Anhand von zwei Beispielen aus meiner eigenen Praxis möchte ich dies kurz illustrieren.

Beispiel: Projekt "Gedankenräume"

Das künstlerische Forschungsprojekt "Gedankenräume" fand im Jahr 2012 in Kooperation mit dem Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW) und meinen drei Netzwerkschulen (Anna-Seghers-Schule, Grünauer Schule und Sophie-Brahe-Schule) sowie mit Unterstützung des Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung mit drei Nicht-Programmschulen statt. Im Vorfeld der Herbstausstellung "Art, Architecture and Ideology" lernten die Schülerinnen und Schüler der beteiligten Schulen die westliche ideologisch geprägte Architektur des HKW – der Kongresshalle im Berliner Tiergarten – kennen und untersuchten im Anschluss unter Anleitung von Architekten, Künstlern und Filmemachern und in Zusammenarbeit mit Fachlehrkräften in künstlerischen Forschungsprojekten den geschichtsideologischen Hintergrund ihres eigenen Schulgebäudes. Durch die Auseinandersetzung mit ihrem alltäglichen Umfeld lernten die Schülerinnen und Schüler, Architektur im historisch-politischen Kontext als Sprache zu verstehen. Die Ergebnisse wurden nicht nur in der Schule präsentiert, sondern auch auf die Onlineplattform Foursquare5 eingestellt.

Die Idee zu dem Projekt entstand im Herbst 2011 in einer gemeinsamen Sitzung, in der die Kollegen des HKW die Jahresplanung 2012 vorstellten, darunter auch die Idee der Herbstausstellung. Das Thema erschien mir aus meinen Erfahrungen in der Erkundungsphase in den Schulen sofort als spannend, da auch die Schulhausarchitektur mit ideologischen Ideen aufgeladen ist und ich seit dem lapidaren Hinweis "Das Direktorat ist im ersten Stock links, so wie überall" tatsächlich festgestellt hatte, dass sich einige Schulplattenbauten aus DDR-Zeiten in meinem Bezirk aufs Haar glichen. Eine ganz konkrete Beobachtung aus der Schule war also der thematische Ausgangspunkt, von dem aus ich mit den Kolleginnen aus dem HKW dieses Projekt entwickelte.

Meine Rolle war neben der der Themenfinderin auch die einer Netzwerkerin, Prozessbegleiterin und Übersetzerin. So luden das HKW und ich freiberufliche Künstlerinnen und Künstler zur Zusammenarbeit ein, entwickelten mit ihnen das Konzept weiter, ich brachte meinen Programmschulen die Idee der künstlerischen Forschungsworkshops nahe und übernahm zu guter Letzt in meinen Schulen auch eine ganze Menge Projektmanagement.

Dank der Kooperation mit dem HKW konnten wir so ein inhaltlich spannendes Projekt in einer international renommierten Kultureinrichtung durchführen, das ohne die Expertise und Möglichkeiten des HKW nie eine solche Öffentlichkeit oder auch wunderbare Onlinedokumentation erhalten hätte. Dank der freiberuflichen Künstlerinnen und Künstler, Architektinnen, Architekten und Filmschaffenden brachte jedes der sechs Forschungsprojekte spannende Ergebnisse hervor, die wiederum die Mitarbeiter der Ausstellungsabteilung beeindruckten. Dank der Vielfalt der sechs verschiedenen Schulen und Schulformen konnten die beteiligten Jugendlichen am Ende des Projekts als Experten nicht nur ihre eigenen Ergebnisse und die Ausstellung, sondern auch die Projekte der anderen Gruppen bewerten. Aus dem Projekt entwickelten sich Folgeprojekte, die auf die gesammelten die Erfahrungen aufbauen konnten. Man kann die Kooperation also als durchaus gelungen ansehen.

Gleichzeitig entschied sich eine meiner drei Schulen auch aufgrund der räumlichen Entfernung bewusst, in Zukunft zwar weiter mit den beteiligten Künstlern von Atelier Limo, nicht aber mit dem HKW zu kooperieren. Eine andere Schule konzentrierte sich in der Folge auf die Zusammenarbeit mit einem anderen Kooperationspartner. Nur mit einer Schule lief die Kooperation im darauffolgenden Jahr weiter, pausierte aber zwischenzeitlich aus verschiedenen Gründen, unter anderem auch aus Mangel an finanziellen Mitteln. Für das Jahr 2016 ist wieder eine Zusammenarbeit angedacht – ob und wie sich diese Zusammenarbeit auch ohne die Begleitung durch Kulturagentinnen und Kulturagenten, das Kunstgeld und die Programmöffentlichkeit entwickelt, wird die Zukunft bei dieser, aber auch bei allen anderen Kooperationen zeigen.

Beispiel: Kooperation zwischen der Grünauer Gemeinschaftsschule und dem Schlossplatztheater Köpenick

Als zweites Beispiel möchte ich die langfristig angelegte Kooperation der Grünauer Gemeinschaftsschule mit dem Schlossplatztheater Köpenick vorstellen, die seit 2013 im Rahmen des Modellprogramms verschiedene Formate der Zusammenarbeit erprobt. Dazu gehörten die Unterstützung bei zwei schulweiten Aufführungen, Einführungsworkshops im Rahmen der Kennenlerntage der 7. Klassen, zwei Klassik-Battle-Projekte6, ein Schnuppertag für Kinder und Eltern aus der Grundschule, ein künstlerisches Forschungsprojekt zur Welt der Dreiecke und last but not least ein Studientag für das gesamte Kollegium der Schule. Seit dem Schuljahr 2014/15 arbeiten Schule und Theater in einer dreijährigen TUSCH-Partnerschaft zusammen. Diese Kooperation konnte über das Kulturagentenprogramm also nicht nur in einem, sondern in vielen verschiedenen Projekten Schnittstellen erkunden und daraus Ideen für zukünftige Projekte entwickeln.

Dabei ist wichtig zu wissen, dass das Schlossplatztheater Köpenick seit seiner Gründung nicht nur künstlerisch im Bereich des neuen Musiktheaters und der Nachwuchsförderung aktiv ist, sondern sich aus Überzeugung in der kulturellen Bildung und der Zusammenarbeit mit Schulen engagiert. Es brachte also viel Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Schule mit. Auf der anderen Seite hatte die Schule bereits verschiedene Projekte mit unterschiedlichen Partnern realisiert, allerdings noch keine langfristige Partnerschaft im Bereich der kulturellen Bildung aufgebaut.

Auch in dieser Kooperation war ich als Kulturagentin teilweise als Impulsgeberin aktiv, beispielsweise mit den Ideen zu einem Studientag für das Kollegium (ein Format, das das Theater nun auch mit seiner zweiten TUSCH-Partnerschule durchführt) oder zu einem kombinierten Schnuppertagangebot für Kinder und ihre Eltern. Vielfach arbeitete ich aber auch als Netzwerkerin und Beraterin und stimmte Prozesse innerhalb der Schule und zwischen Theater und Schule ab. Als ich in der Vorbereitung zu diesem Artikel die Leiterin des Theaters, Birgit Grimm, danach fragte, was denn genau meine Rolle oder allgemein die Rolle von Kulturagentinnen und Kulturagenten in der Kooperation sei, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen: "Na, ihr seid die Schräubchen, die innerhalb des Systems feinjustieren!"

Mit diesem Bild des Schräubchens, das zunächst nicht sehr kraftvoll wirken mag, lässt sich meiner Meinung nach gut nachvollziehen, was Kulturagentinnen und Kulturagenten leisten können und was eben auch nicht: Sowohl Schule als auch Kultureinrichtungen können wir uns als große und komplexe Maschinen mit unterschiedlichen Schaltkreisläufen, Arbeitszeiten und Schalthebeln und – da sie im systemischen Sinne nicht linear verstehbar sind – irrationalen Zwischenereignissen vorstellen. Eine Kooperation wäre demnach bildlich das Koppeln von zwei unterschiedlichen Maschinen zu einer – mit dem gemeinsamen Ziel kulturelle Bildung zu produzieren. Die Maschinen/Organisationen müssen kooperieren wollen, denn sonst kann eine Zusammenarbeit nicht stattfinden. Außerdem kann eine Maschine nicht mit einer unbegrenzten Anzahl von anderen kooperieren – es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Schnittstellen.

Der Kulturagent macht diese Schnittstellen ausfindig, bringt Teile zusammen, probt die Übersetzung und übernimmt als Schräubchen das Feintuning. Das Schräubchen kann justieren, es kann aber keine dauerhafte Motorfunktion übernehmen. Die Energie und Bewegung müssen aus den Systemen selbst kommen, sonst schläft die Kooperation über kurz oder lang wieder ein. Diese Rolle ist übrigens nicht neu: In vielen Kooperationsprojekten übernehmen freie Künstlerinnen und Künstler die Rolle dieses Schräubchens oder eben die Vermittlerinnen und Vermittler der Kultureinrichtungen. Einzigartig an den Kulturagentinnen und Kulturagenten ist, dass sie beide Systeme so gut kennen und außerdem für diese Aufgabe Auftrag und Zeit bekommen.

Was ermöglicht Kooperation?

Abschließend einige Formate und Gedanken, die sich in den unterschiedlichen Kooperationen im Kulturagentenprogramm bewährt haben:

  • Möglichst viele Schnittstellen entdecken: Dazu benötigt man Wissen um den Partner. Dieses entsteht in der Zusammenarbeit, aber auch bei gegenseitigen Besuchen (auch von Vertretern der Einrichtungen in den Schulen!) und vor allem, wenn man nicht aufhört, einander Fragen zu stellen.
  • Mit kleinen Projekten beginnen – im gemeinsamen Tun lernen.
  • Nicht nur mit den Kindern und Jugendlichen, sondern auch mit den Mitarbeitern arbeiten. Gemeinsam gestaltete Studientage können dafür ein wunderbarer Ausgangspunkt sein.
  • Leitungen in Schule und Kultur spielen eine wichtige Rolle, können "ölen" oder Reibung erzeugen.
  • Auch mal eine Pause einlegen – wenn beim Partner die anderen Motoren auf Hochdruck laufen.
  • Nicht die Nebeneffekte auf andere Bereiche unterschätzen und diese ernst nehmen. Es kooperieren nie nur zwei Personen, sondern Vertreter von komplexen Gesamtsystemen, die sich nicht nur mit der Kooperation selbst, sondern auch mit ihren Auswirkungen in ihren Systemen auseinandersetzen müssen.

Gemeinsames Ziel als Fixstern am Kooperationshimmel

All dies kann die Kulturagentin/der Kulturagent unterstützen. Was aber ist die Kraft, die die Welt oder die Kooperation im Innersten zusammenhält? Wichtig ist in jedem Stadium Klarheit über das gemeinsame Ziel, die gute Idee, die man besser zu zweit als alleine angehen möchte. Dieses Ziel kann sich ändern und wandeln, deswegen sollte es hin und wieder einer Revision unterzogen werden. Aber es muss vorhanden sein und geteilt werden, wenn auch vielleicht nicht von der ganzen Organisation, so doch zumindest von der Leitung und den Projektverantwortlichen. Und es muss intern und extern kommuniziert werden. Ganz grob gesagt, besteht es in der Realisierung von Begegnungen von jungen Menschen mit Kunst und Kultur. Es gibt bestimmt auch andere Ziele: die Realisierung eines prestigeträchtigen Projekts, das man alleine nicht stemmen könnte, die Akquise von Mitteln, die nur an Bündnisse vergeben werden, das Kennenlernen neuer Publikumsschichten … Alle diese Ziele haben ihre Berechtigung – deshalb sollten sie zwischen den Partnern klar kommuniziert werden.

Sowohl Schulen als auch Kultureinrichtungen haben einen Bildungsauftrag. Die Erfüllung dieses Auftrags in beiden Systemen kann manchmal sehr unterschiedlich gesehen werden, gleichzeitig kann er sowohl im Bildungs- als auch im Kultursektor ein Antrieb für die Arbeit sein. Kulturagentinnen und Kulturagenten können dabei helfen, eine gemeinsame Sprache für das Ziel und gemeinsame Aktionen zu finden, dafür gibt es kein Schema F, sondern nur die gemeinsame Aushandlung in der Interaktion und Begegnung von Menschen.

Ausblick

Ein Grund, warum Kooperationen trotz aller Arbeit immer wieder eingegangen werden und gelingen, liegt meines Erachtens darin, dass sie den Erfahrungs- und Aktionsraum von Schule und Kultureinrichtungen vergrößern: Dadurch, dass die Institutionen von ihrer Deutungshoheit ein Stück abgeben und die des anderen Systems mit aufnehmen. In der Praxis kommen Projekte durch die Schule bei Jugendlichen an, die sonst nie etwas davon mitbekommen hätten, Kultureinrichtungen erfahren etwas von Lebensrealitäten junger Menschen, Lehrerinnen und Lehrer erleben ihre Schülerschaft anders, Kulturvermittelnde lernen von Lernenden und umgekehrt. Aus der Zusammenarbeit entstehen immer wieder neue Themen und Projektideen. Kulturagentinnen und Kulturagenten können Räume für die Entstehung dieser Möglichkeiten öffnen. Und die Partner auf ihrem gemeinsamen Weg begleiten.

1 Ochs, Matthias; Orban, Rainer: "Gelingende Kooperationen gestalten als ein Kernkonzept systemischen Arbeitens", in: KONTEXT, Zeitschrift für Systemische Therapie und Familientherapie, 43, 2, Göttingen 2012, S. 158.

2 www.qualitaetsverbund-kultur-macht-stark.de/fileadmin/user_upload/Vortraege/RK_Hannover_01102014/Vortrag_RK_Hannover_Anna_Erichson_01102014.pdf [1.04.2015].

3 Knoke, Andreas: "Es bedarf einer guten Idee, die man besser gemeinsam als allein angehen will", in: Kooperationsprozessor – Gemeinsam etwas bewegen. Onlinepublikation der Halbzeittagung des Modellprogramms "Kulturagenten für kreative Schulen 2011–2015", Berlin 2014. 

4 www.kultur-macht-schule.de/fileadmin/user_upload/QMI_KmS12_07_2007.pdf [1.12.2014].

5 de.foursquare.com/p/gedankenr%C3%A4ume/37537537 [1.12.2014].

6 In den Klassik-Battle-Projekten wurden mit zwei beziehungsweise fünf Klassen klassische Theaterszenen erarbeitet, die in einem an Hip-Hop-Battles angelehnten Wettbewerb präsentiert wurden.