Tobias Fink
Förderung kultureller Bildung durch komplexe Programme
Tobias Fink

Förderung kultureller Bildung durch komplexe Programme

Eine Herausforderung für die Forschung

ABSTRACT

In diesem Beitrag wird gezeigt, dass Förderprogramme in der kulturellen Bildung bisher kein Thema vergleichender kulturpolitischer Forschung waren. Da dies aber zur Entwicklung passgenauer und wirksamer Programme notwendig wäre, wird in diesem Beitrag das Forschungsfeld "Förderprogramme in der kulturellen Bildung" konturiert und eine Systematik für die Untersuchung von Programmen entwickelt. Diese Systematik erlaubt es, das Programm "Kulturagenten für kreative Schulen" so zu beschreiben, dass die Komplexität des Programms sehr deutlich wird. Diese hohe Komplexität wirft einige theoretische und methodische Probleme für eine Begleitforschung auf: Die zur Bearbeitung dieser Probleme verwendeten theoretischen Überlegungen werden im vorliegenden Text vorgestellt und diskutiert. In einem abschließenden Teil wird gezeigt, welche zentrale Forschungsfrage die Begleitforschung der Universität Hildesheim leitet und welche Einflussfaktoren für die Gestaltung von Kooperationen zwischen Schulen und Kultureinrichtungen maßgeblich sind.

1. Förderprogramme in der kulturellen Bildung in Deutschland

"Kulturagenten für kreative Schulen", "Kultur und Schule", "Schule:Kultur!", "KulturSchule", "Kulturforscher!", "Kultur macht stark", "Jedem Kind seine Kunst", "Kinder zum Olymp!", "Jedem Kind ein Instrument", "Projektfonds Kulturelle Bildung", "Kunstschulen 2020", "Wir machen die Musik", "Kunst und Spiele" – die Liste ließe sich noch verlängern, wenn man den Versuch unternehmen würde, die Förderprogramme der letzten 15 Jahre aufzuzählen, die in Deutschland zur Förderung kultureller Bildung durchgeführt wurden und werden. Angesichts der Tatsache, dass nicht wenige diese Programme mit dem Anspruch antreten, Modellcharakter zu haben, erscheint es zunächst erstaunlich, dass es bisher kaum Bemühungen gibt, diese Programme miteinander zu vergleichen, aus den Erfahrungen zu lernen und daraus Schlüsse für die Entwicklung neuer Programme zu ziehen. Verständlich wird dies erst, wenn man die Gründe für diese fehlende Auseinandersetzung analysiert:

  1. Die Künste und auch die Kulturpolitik sind Bereiche, in denen Evaluationen viele Jahre mit dem Verweis auf die künstlerischen Freiheit und der grundsätzlichen "Unbewertbarkeit" von Kunst abgelehnt wurden. Wie Stockmann überzeugend zeigt, verändert sich dies aber langsam, da sich die öffentliche Kulturförderung zunehmend legitimieren muss und angefragt wird, die Sinnhaftigkeit ihrer Förderformen nachzuweisen.1
  1. Ein weiterer Grund für die fehlende vergleichende Perspektive auf Förderprogramme in der kulturellen Bildung ist die Heterogenität der Förderer. Eine Analyse der aktuellen Fördermittelgeber im Bereich der kulturellen Bildung zeigt, dass es sich um sehr unterschiedliche Fördergeber handelt, die verschiedenen Zielen und Handlungslogiken verbunden sind: Es gibt im Bereich der kulturellen Bildung öffentliche Förderer, insbesondere Ministerien und öffentlich finanzierte Stiftungen, aber auch privat-gemeinnützige Stiftungen. Die gegenseitige Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit Förderprogrammen aus einem anderen Bereich oder einer anderen politischen Handlungsebene findet kaum statt.
  1. Bei Förderprogrammen zur kulturellen Bildung handelt es sich in der Regel um ziemlich komplexe Programme. Dies begründet sich dadurch, dass kulturelle Bildung mit den Politik- und Handlungsfeldern Kultur, Bildung und Soziales verbunden ist, die wiederum von Bund, Ländern und Kommunen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und mit unterschiedlichen Zuständigkeiten gestaltet werden. Renate Mayntz, eine Politikwissenschaftlerin, die sich viele Jahre mit politischer Steuerung beschäftigt hat, formuliert diesen Zusammenhang folgendermaßen:

    "Es handelt sich um eines jener Probleme, die aus dem politisch-administrativen Zuständigkeitsraster herausfallen, die quer zum System sektoraler wie zum System nach Ebenen differenzierter Zuständigkeiten liegen. Dies ist ein besonders hartnäckiger Problemtyp. Derartige Probleme werfen, das ist ein Gemeinplatz in der Theorie politischer Steuerung, massive Koordinationsprobleme auf, das heißt, sie stellen sehr schwierige Kooperationsanforderungen."2

    Die von Mayntz formulierte "Kooperationsanforderung" bezieht sich dabei nicht nur auf die durchführenden, sondern auch auf die mit der Programmgestaltung betrauten Akteure; auch hier gibt es eine hohe Kooperationsanforderung zwischen Akteuren unterschiedlicher politischer Ebenen und unterschiedlichen politischen Handlungsfeldern. Ein Programm zur Förderung kultureller Bildung auf den Weg zu bringen, noch dazu im Kontext von Schule, ist mit vielfachen Abstimmungsprozessen verbunden und für sich schon – auch ohne genaue Analyse anderer Programme – eine aufwendige Angelegenheit.
  1. Und selbst wenn Programmgestalter willens wären, sich auch mit anderen Förderprogrammen und deren Ergebnissen auseinanderzusetzen, würde ihnen schlicht die Grundlage für diese Auseinandersetzung fehlen. Der Bereich der kulturellen Bildung stellt zwar ein großes Praxisfeld mit eigenen Organisationen und gut organisierten Verbänden dar, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit kultureller Bildung hingegen ist ein relativ neues Gebiet, das zudem keine eindeutige Heimat in einer Wissenschaftsdisziplin hat. Kulturpolitische Forschung in der kulturellen Bildung, die hier notwendig wäre, ist bisher in Deutschland, aber auch international kaum entwickelt. Bisherige Evaluationen zu Förderprogrammen in der kulturellen Bildung sind wenig hilfreich, da sie in fast allen Fällen ausschließlich auf Wirkungen bei den Teilnehmenden fokussieren und die Rahmenbedingungen der Programme nicht einbezogen werden.3 Es gibt bisher nur eine Studie, die mit einem systematischen Vergleich von Förderpraktiken in der kulturellen Bildung in Deutschland beginnt. Wimmer, Nagel und Schad haben in ihrer Studie "Förderung von Modellprojekten Kultureller Bildung"4 Modellprogramme der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) sowie der Bundesländer Baden-Württemberg, Niedersachsen und Sachsen untersucht. Ihr Verdienst ist es dabei, dass sie versuchen, eine systematische und vergleichende Perspektive auf die Förderpraxis zu entwickeln. Folgerichtig beginnen sie ihren Bericht mit der Beschreibung des "rechtlich-politischen Rahmens" des Bundes beziehungsweise der einzelnen Bundesländer, die erheblich voneinander abweichen5 und damit Form und Struktur der konkreten Förderpraxis vorbestimmen. In einem abschließenden Fazit werden interessante erste Erkenntnisse formuliert: Der Anspruch der Modellhaftigkeit zum Beispiel, der in fast allen Fällen erfordert, dass die Projekte innovativ und übertragbar sein sollen, läuft leer, da es in keinem Land und auch bei der BKM nicht, Möglichkeiten zur Finanzierung der Implementierung sich bewährender Modelle gibt. Die vorliegende Studie zeigt so den Ertrag einer vergleichenden Perspektive, auch wenn sie nur einen kleinen Ausschnitt aktueller Förderprogramme in die Untersuchung einbezieht und noch keine elaborierte Systematik des Vergleichs entwickelt werden konnte.

2. Grundlagen systematischer Begleitforschung zu Förderprogrammen in der kulturellen Bildung am Beispiel des Programms "Kulturagenten für kreative Schulen"

Eine Begleitforschung zu einem Programm der kulturellen Bildung sollte sich also aus mehreren Gründen nicht allein auf das konkrete Programm beziehen, sondern andere Programme miteinschließen: Zum einen, um das Programm in seiner Besonderheit zu verstehen, die richtigen Forschungsfragen zu stellen und Ergebnisse der Forschung in Bezug zu anderen Programmen setzen zu können. Zum anderen aber auch, um einen Beitrag zu leisten, die vergleichende Perspektive theoretisch und methodisch zu entwickeln und politischen Entscheidern und Gestaltern von Programmen vergleichende Erkenntnisse zur Verfügung stellen zu können.

Ein Ergebnis unserer Auseinandersetzung mit Förderprogrammen in der kulturellen Bildung und verschiedenen Theorien politischer Steuerung und Evaluationsforschung ist der Vorschlag, zwei Programmebenen grundsätzlich voneinander zu unterscheiden: die Ebene der Rahmenbedingungen und Programmverfahren (Förderer, Gebiet, politische und rechtliche Rahmenbedingungen, Finanzierungsmodell, Laufzeit, Vergabeverfahren, Verwaltungsverfahren) und die Ebene des Programmdesigns (Zielsetzungen, Zielgruppe, Instrumente, Implementationsakteure, Wirkungsmodell, Outputs, Outcomes, Impacts).

Diese beiden Ebenen sind eng miteinander verknüpft, da die politischen Rahmenbedingungen und Programmverfahren großen Einfluss auf die Gestaltung eines Programmdesigns haben. Eine Unterscheidung der Ebenen ist aber sinnvoll, weil so verdeutlicht werden kann, dass Programme nicht nur in ihrem Programmdesign, sondern auch in den diesem Programmdesign zugrundeliegenden Rahmenbedingungen untersucht und verstanden werden sollten, da die jeweilige Gestalt des Programms ebenso stark durch die Rahmenbedingungen bestimmt ist wie durch inhaltliche Erfordernisse. Kaufmann und Rosewitz formulierten den Anspruch, alle relevanten Ebenen in die Programmentwicklung einzubeziehen, folgendermaßen:

"Rationale Programmentwicklung ist nur möglich, wenn gleichzeitig Problemdefinitionen (beziehungsweise Zielsetzungen), Instrumente sowie die organisatorischen und prozeduralen Mittel des administrativen Systems im Hinblick auf die zu erzielenden Wirkungen abgestimmt sind."6

Die nun folgende Beschreibung der genannten Dimensionen und ihre Ausgestaltung im Programm "Kulturagenten für kreative Schulen" zeigt, wie komplex das Programm aufgebaut ist und welche Aspekte berücksichtigt werden müssen, um eine Einordnung der gewählten Forschungsschwerpunkte durchführen zu können.

Politische Rahmenbedingungen und Programmverfahren

Sieht man sich aktuelle Programme zur kulturellen Bildung an, wird deutlich, dass es zwei große Gruppen von Förderern gibt: Ministerien und Stiftungen. Ein Einbezug der Förderer in den Vergleich von Programmen ist insbesondere deshalb notwendig, weil für die jeweiligen Förderer unterschiedliche rechtliche und politische Rahmenbedingungen gelten. Besonders interessant wird es, wenn Programme von mehreren Förderern gemeinsam aufgelegt werden: So wird das Programm "Kulturagenten für kreative Schulen" hauptsächlich von der Kulturstiftung des Bundes und damit einer öffentlichen Stiftung und der privaten Stiftung Mercator finanziert, allerdings in Zusammenarbeit und mit einer Ko-Finanzierung durch die fünf Länderministerien, die für Schulen zuständig sind. Sowohl die Stiftungen als auch die Länder können mit ihrem Engagement jeweils unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen, was in der Folge zu unterschiedlichen Bewertungen von Erfolgen und Misserfolgen führen kann.

Die politische Ordnung der Bundesrepublik Deutschland unterscheidet drei Gebietskörperschaften: Bund, Länder und Kommunen. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung sind die Kommunen für "alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" (GG Art 28 (2)) zuständig und damit auch im Grundsatz für die Bereiche, die im Kontext kultureller Bildung relevant sind: Kultur, Bildung, Soziales. Ob dies auch eine Pflicht der Kommunen zur Kulturförderung umfasst, wird im Übrigen im Moment kontrovers diskutiert7, bisher aber gilt Kulturförderung als "freiwillige Leistung" – außer in Sachsen, in dem die Kommunen durch das Kulturfördergesetz zur Kulturförderung verpflichtet sind. Zudem sind es die einzelnen Bundesländer, die im Bereich von Kultur und Bildung gesetzgeberische Kompetenz haben: Der Bund kann nur in eng gesteckten Grenzen in diesen Bereichen aktiv werden. Interessant ist die Frage, auf welche Gebiete sich Förderprogramme beziehen, insbesondere auch deshalb, weil die reglementierenden Faktoren, die für öffentliche Förderer gelten, nicht für privat-gemeinnützige Stiftungen gelten, die wiederum aber in ihren Stiftungszwecken oft an bestimmte Gebiete gebunden sind. Im Falle des Kulturagentenprogramms sind alle drei Gebietskörperschaften relevant: Die Kulturstiftung des Bundes ist ein bundesweit agierender Förderer, dessen Förderung bundesweite Relevanz haben muss, die beteiligten Länderministerien sind für ihre jeweiligen Bundesländer zuständig, und die kommunale Ebene ist involviert, da sich der Hauptteil der beteiligten Schulen und viele Kulturpartner in kommunaler Trägerschaft befinden. Zudem ist mit der Stiftung Mercator eine bundesweit und auch international tätige gemeinnützige Körperschaft beteiligt.

Das Programm findet in fünf Bundesländern statt – in den beiden Stadtstaaten Berlin und Hamburg und den drei Flächenländern Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen, deren rechtliche und politische Rahmenbedingungen in den Bereichen "Bildung" und "Kultur" unterschiedlich sind. Welche Entscheidungskompetenzen bei einzelnen Schulen liegen, ist zum Beispiel in den einzelnen Bundesländern sehr verschieden: Dies hat unter anderem zur Folge, dass es zwischen den Bundesländern große Unterschiede in der Frage gibt, ob die Schulen selbst über die Entlastungsstunden für Lehrerinnen und Lehrer entscheiden können, die am Kulturagentenprogramm beteiligt sind. Zudem ist das Programm an Schulen in sehr verschiedenen Kommunen angesiedelt: von Groß- über Mittel- und Kleinstädte bis zum peripheren ländlichen Raum. Diese Verteilung ist insbesondere deshalb bedeutsam, weil die kulturelle Infrastruktur in den benannten Kommunentypen – also die vorhandenen Kultureinrichtungen und die Zahl an Künstlerinnen und Künstlern in näherer Umgebung – sehr unterschiedlich ist. Die Dichte der kulturellen Infrastruktur hat aber Auswirkungen auf die Formen und die Umsetzungen von Kooperationen.

Die finanzielle Ausstattung des Programms ist – verglichen mit vielen anderen Programmen –gut. So werden über die Laufzeit von vier Jahren Personalstellen – die der Kulturagentinnen und Kulturagenten sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Geschäftsstelle und den Landesbüros – finanziert, sowie relativ umfangreiche Mittel für Projekte zur Verfügung gestellt (160.000 Euro pro Schulnetzwerk).

Programmdesign

Die im Folgenden beschriebenen Dimensionen von Programmen beziehen sich auf das "Programmdesign". Dieses gibt Antwort auf die Frage, welche Ziele mit welchen Instrumenten erreicht werden sollen. Zur Analyse dieser Dimensionen ist es hilfreich, sich eines theoretischen Modells zu bedienen, das im Kontext der "Theory-driven-evaluation", die insbesondere vom US-amerikanischen Evaluationsforscher Huey T. Chen entwickelt wurde, entstanden ist. Chen grenzt sich mit seinem Konzept von "Black-box-evaluations" und "Method-driven-evaluations" ab und richtet seinen Fokus auf die Frage, welche "Programmtheorie" den jeweiligen Programmen zugrunde liegt.8 "Black-box-evaluations" beschreibt er als Evaluationen, die zwar versuchen, Wirkungen von Programmen zu beobachten und zu bestimmen, aber nichts darüber aussagen können, weshalb – auf Grundlage welches Mechanismus – diese Wirkungen zustande gekommen sind. Die "Method-driven-evaluations" fokussieren für Chen hingegen zu stark auf bestimmte Bedingungen der verwendeten Methode und werden so oft den komplexen Untersuchungsgegenständen nicht gerecht. In seiner "Theory-driven-evaluation" steht die Unterscheidung eines "Change Model" und eines "Action Model" im Zentrum: Das Change Model beinhaltet für Chen die Darstellung des Zusammenhangs zwischen den Zielsetzungen eines Programms, den angewendeten Instrumenten oder Interventionen, den anvisierten Wirkungen und dem zugrundeliegenden "Wirkungsmodell". Seine These ist, dass allen Programmen – ob explizit oder implizit – ein "Wirkungsmodell" zugrunde liegt, das den Zusammenhang von Zielsetzung und eingesetzten Instrumenten plausibel macht. Neben diesem Change Model lässt sich dann auch ein Action Model beschreiben, in dem die Instrumente des Programms einschließlich der umsetzenden Organisationen, des Finanzrahmens und weitere Bedingungen beschrieben werden können. Das Action Model des Kulturagentenprogramms lässt sich wie folgt beschreiben:

Die Ziele des Programms "Kulturagenten für kreative Schulen" lassen sich in vier Gruppen einteilen (die folgenden Zitate stammen aus der Selbstbeschreibung des Programms):

Die erste Gruppe von Zielen nimmt die beteiligten Schülerinnen und Schüler in den Blick. Sie sollen durch das Programm, "neugierig auf Kunst werden", "Kenntnisse über Kunst und Kultur vermittelt bekommen", "eine Bildung und Stärkung ihrer Persönlichkeit erfahren" und zu "Akteuren einer kulturinteressierten Öffentlichkeit werden".

Um diese Ziele – auch über die Programmlaufzeit hinaus – zu erreichen, setzt das Programm auf eine zweite Gruppe von Zielen: Ziel ist, dass Schulen und Kultureinrichtungen beziehungsweise Künstlerinnen und Künstler kooperieren. Diese Kooperationen sollen sich dadurch auszeichnen, dass "gemeinsame kulturelle Angebote" entwickelt werden, "langfristige Strukturen der Zusammenarbeit" aufgebaut werden und die "Qualität der Angebote" gesichert wird.

Zudem hat das Programm auch das Ziel, Schulen so zu verändern, dass kulturelle Bildungsangebote einen hohen Stellenwert bekommen und Strukturen entstehen, die es ermöglichen, Projekte und Partnerschaften auch über die Programmlaufzeit hinaus durchzuführen.

Und schließlich sollen die beteiligten Kultureinrichtungen "ihr Publikum von morgen" in den Schulen erreichen. Das Programm bestimmt als Zielgruppe "alle Kinder und Jugendlichen", also auch die, die über ihr Elternhaus wenig Kontakt zu Kultureinrichtungen beziehungsweise zu Kunstschaffenden bekommen. Um diese Zielgruppe auch tatsächlich zu erreichen, wird der Zugang über die Schule gewählt, weil hier alle Kinder und Jugendlichen potenziell zu erreichen sind.

Wichtigstes Instrument des Programms sind die Kulturagentinnen und Kulturagenten, die als zentrale "Implementationsträger" vor Ort verstanden werden können, die unabhängig von den anderen beteiligten institutionellen Akteuren – Schulen, Kultureinrichtungen, Kunstschaffenden – arbeiten. "Unabhängig" bedeutet hier, dass die Kulturagentinnen und Kulturagenten keiner der beteiligten Organisation angehören (Schule und Kultureinrichtungen) und damit auch niemandem in diesen Organisationen weisungsgebunden sind. Diese Form von Implementation unterscheidet das Programm von allen anderen Förderprogrammen in der kulturellen Bildung in Deutschland.

Die Kulturagentinnen und Kulturagenten sind aber nicht das einzige Instrument: Das den jeweiligen Schulnetzwerken zur Verfügung stehende Kunstgeld ermöglicht die Finanzierung von Projekten. Die Schulen wurden zudem verpflichtet, einen sogenannten Kulturbeauftragten zu benennen, der als Ansprechpartner in der Schule für die Kulturagentinnen und Kulturagenten sowie die Kulturpartner gedacht ist. Zudem mussten die Schulen einen Kulturfahrplan entwickeln, in dem die Ziele für die Programmlaufzeit beschrieben sind.

Die Kulturagentinnen und Kulturagenten sind dabei aber dennoch nicht als Einzelakteure zu verstehen, da es eine Programm-Umwelt gibt, auf deren Ressourcen und Strukturen sie zurückgreifen können: Es gibt die schon erwähnten Länderbüros, die kontinuierliche Treffen und Fortbildungen der Kulturagentinnen und Kulturagenten der einzelnen Länder organisieren, und die Forum K&B GmbH als Arbeitgeber und zentrale Verwaltung, die zudem halbjährliche Fortbildungsakademien für alle Kulturagentinnen und Kulturagenten durchführt.

Aus dieser Beschreibung ergibt sich ein erstes Zwischenergebnis, das für das Design einer Begleitforschung entscheidend ist:

Das Programm "Kulturagenten für kreative Schulen" ist ein – im Vergleich zu anderen Programmen, die oft "nur" Geld an schon bestehende Institutionen vergeben – sehr komplexes Programm, das eine eigene Implementationsorganisation geschaffen hat, mit Kulturagentinnen und Kulturagenten arbeitet, die von den Zielinstitutionen unabhängig agieren können, über weitere Instrumente (Kunstgeld, Kulturbeauftragte, Kulturfahrplan) verfügen und von einer Programm-Umwelt unterstützt werden. Zudem wird vor Ort unter sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen (bildungspolitisch, kulturpolitisch, kommunal und schulspezifisch) gearbeitet.

Versucht man – ausgehend von den Überlegungen Chens – aus dieser Beschreibung der konkreten Umsetzung – ein Change Model zu entwickeln, wird deutlich, dass das Programm durch ein Change Model allein nicht plausibel erklärt werden kann, da die Zusammenhänge zwischen Zielsetzungen, den eingesetzten Instrumenten und den anvisierten Wirkungen unterschiedlich gezogen werden können. Zum Verständnis der Modelle ist es wichtig, noch eine Unterscheidung einzuführen, die nicht nur in der Theory-driven-evaluation wichtig ist, sondern auch für viele andere Evaluationstheorien bedeutsam ist: die Unterscheidung von "Output", "Outcome" und "Impact".9 Unter Output wird das tatsächlich Durchgeführte oder Hergestellte verstanden, also zum Beispiel die mit den Schülern und Schülerinnen durchgeführten Projekte. Unter Outcome wird die Wirkung verstanden, die bei der Zielgruppe erreicht werden soll beziehungsweise erreicht wurde. Impacts schließlich weisen über die konkrete Zielgruppe hinaus und betreffen Veränderungen, die in einem größeren Zusammenhang angestoßen werden, also zum Beispiel institutionelle Veränderungen in Schule, die durch Projekte angestoßen werden. Zudem ist es sinnvoll, sich zu vergegenwärtigen, dass Programme auch "nichtintendierte Folgen" haben können und diese Perspektive daher in konkreten Programmevaluationen interessant und sinnvoll ist.

Change Model I: Möglichst viele Schülerinnen und Schüler bilden

Setzt man die auf die einzelnen Schülerinnen und Schüler bezogenen Ziele (Wissen, Kenntnisse, Neugier, Persönlichkeitsstärkung) als Hauptzielsetzung des Programms, lässt sich ein Wirkungsmodell entwickeln, das davon ausgeht, dass diese Ziele durch gute Angebote für möglichst alle Schülerinnen und Schüler der beteiligten Schulen zu erreichen sind. Um die Qualität der Projekte zu gewährleisten, gibt es die Kulturagentinnen und Kulturagenten, die mit ihrer Expertise in der Lage sind, künstlerisch hochwertige und pädagogisch gelungene Projekte zu organisieren. Um dies zu tun, verfügen sie neben ihrer Expertise über das Kunstgeld, das genutzt werden kann, um insbesondere Personal zur Durchführung der Angebote bezahlen zu können. Zudem steht mit den Kulturbeauftragten ein zentraler Ansprechpartner in der Schule zur Verfügung. Der Output in diesem Wirkungsmodell sind die tatsächlich durchgeführten Projekte, der Outcome die bei den Schülerinnen und Schülern anvisierten Wirkungen, und mögliche Impacts wären, dass die beteiligten Schülerinnen und Schüler sich tatsächlich nachhaltig und langfristig für die Künste interessieren und Strukturen in den Schulen entstehen, die auch nach dem Programm gute Angebote sichern.

Die Zusammenarbeit mit Kultureinrichtungen und die Zielsetzung, dass Kultureinrichtungen durch das Programm ihr Publikum für morgen erreichen, stehen hier nicht unbedingt im Fokus. Die zentrale Zielsetzung, möglichst vielen Schülerinnen und Schülern der beteiligten Schulen gute Projekte zu ermöglichen, macht eine Zusammenarbeit mit Kultureinrichtungen in diesem Change Model nur dann sinnvoll, wenn die Zusammenarbeit ohne viel zusätzlichen Aufwand zu guten Projekten beiträgt. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Frage, welche Bedeutung der Aufbau von Strukturen an den jeweiligen Schulen hat. Ist diese Arbeit mühsam und wenig ertragreich, fehlt Zeit, die zur Durchführung von konkreten Projekten für die jetzigen Schülerinnen und Schüler verwendet werden könnte. Im Zweifel ist es innerhalb dieses Change Models sinnvoll, weniger an Strukturen zu arbeiten, als konkrete Projekte umzusetzen.

Change Model II: Strukturen an Schule aufbauen, die langfristig gute kulturelle Bildungsangebote gewährleisten

Der vollständige Name des Programms "Kulturagenten für kreative Schulen" lässt aber auch ein anderes Change Model plausibel erscheinen: Das Ziel, möglichst viele Schülerinnen und Schüler zu erreichen, wird nicht in erster Linie durch gute Projekte für möglichst viele Schülerinnen und Schüler während der Programmlaufzeit erreicht, sondern dadurch, dass in den beteiligten Schulen Strukturen aufgebaut werden, die die Grundlage dafür bilden sollen, dass auch und vor allem über die Programmlaufzeit hinaus an Schulen gute kulturelle Bildungsangebote für alle Schülerinnen und Schüler entstehen. Da organisationale Veränderungen nur mit viel Arbeit zu erreichen sind, verschiebt sich innerhalb dieses Wirkungsmodells der Fokus: von der Organisation und Durchführung von Projekten für möglichst viele Schülerinnen und Schüler auf den Aufbau von Strukturen in den beteiligten Schulen. Das Kunstgeld verliert in diesem Modell an Bedeutung, und der Kulturfahrplan und der Kulturbeauftragte werden als Instrumente zur Organisationsveränderung sehr wichtig. Als Outputs in diesem Wirkungsmodell wären nicht nur die durchgeführten Projekte für die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die durchgeführten Treffen von Akteuren der Schulen – eventuell unter Einbezug von Kulturbeauftragten, Kulturagentinnen und Kulturagenten, Schulleitern, Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern, Eltern, weiteren pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – zu denken. Auch künstlerische Workshops für Lehrerinnen und Lehrer wären hier ein wichtiger Output. Als Outcome wären dann nicht nur die möglichen Wirkungen bei den Schülerinnen und Schülern interessant, sondern auch die Frage, ob Strukturen in Schule tatsächlich aufgebaut werden konnten und wenn ja, welche. Zum Beispiel regelmäßige Treffen einer "Kulturgruppe", der eine Vertreterin/ein Vertreter aller wichtigen Stakeholder in der Schule angehören und die definierte Aufgaben übertragen bekommen hat (etwa Fortschreibung des Kulturfahrplans, Planung von Projekten, Darstellung des Kulturprofils nach außen, Kontakt zu Kulturpartnern). Als Impact in diesem Wirkungsmodell könnte man sich dann vorstellen, dass die erfolgreiche Kulturarbeit der Schule auch andere Schulen anregt, ebenfalls ein Kulturprofil zu entwickeln.

Auch in diesem Modell ist die Zusammenarbeit mit Kultureinrichtungen nicht zwingend notwendig, sondern wird dann stattfinden, wenn es entweder zu guten Projekten beiträgt oder dem Aufbau von Strukturen an der Schule dienlich ist.

Change Model III: Zusammenarbeit zwischen Schule und Kultureinrichtungen aufbauen, um langfristig gute kulturelle Bildungsangebote zu gewährleisten

Ein drittes Change Model richtet den Fokus auf die Zusammenarbeit von Schulen und Kultureinrichtungen, da innerhalb dieses Modells davon ausgegangen wird, dass langfristig betrachtet gute kulturelle Bildungsangebote für alle Schülerinnen und Schüler am besten durch eine intensive Zusammenarbeit von Schulen und Kultureinrichtungen gewährleistet werden können. Dieses Change Model gewinnt seine Plausibilität aus der Tatsache, dass es Schulen und Kultureinrichtungen – insbesondere die öffentlich geförderten Kultureinrichtungen wie Theater, Museen, Konzerthäuser – gibt, die auf Bildung beziehungsweise auf die Künste spezialisiert sind und für Bildungs- beziehungsweise Kulturarbeit mit spezifischer Infrastruktur und Personal ausgestattet sind. Outputs in diesem Change Model wären Projekte, die unter Beteiligung von Schulen und Kultureinrichtungen durchgeführt wurden, sowie alle Treffen, die der Planung und dem Aufbau von Zusammenarbeit dienen. Als Outcomes wären dann wiederum nicht nur die möglichen Wirkungen bei den Schülerinnen und Schülern interessant, sondern die Strukturen, in denen die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Kultureinrichtungen auch in Zukunft durchgeführt werden kann, also zum Beispiel Kooperationsverträge oder gemeinsame institutionalisierte Planungstreffen. Ein weiterer Outcome könnte sein, dass die Kultureinrichtungen tatsächlich mehr junges Publikum erreichen. Ein Impact in diesem Change Model wäre, dass die beteiligten Schülerinnen und Schüler auch nach den Projekten die beteiligten Kultureinrichtungen besuchen beziehungsweise nutzen. Ebenfalls ein Impact wäre, dass durch Projekte mit Schulen die Bedeutung von Vermittlung in den beteiligten Kultureinrichtungen steigt und die Bereitschaft von Schule, intensiv mit Kultureinrichtungen zusammenzuarbeiten, wächst.

Innerhalb dieses Change Modes verändert sich die Aufgabe der Kulturagentinnen und Kulturagenten: Es geht nicht mehr in erster Linie darum, gute Projekte für möglichst viele Schülerinnen und Schüler zu organisieren oder die Strukturen von Schule zu verändern, sondern darum, Strukturen der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Kultureinrichtungen zu entwickeln. Ob und wie das mit den Instrumenten des Programms gelingen kann, ist die zentrale Frage des Forschungsvorhabens der Universität Hildesheim, das im nächsten Abschnitt vorgestellt wird.

Die drei hier beschriebenen Change Models stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander, da die vorhandenen Personalressourcen und Einflussmöglichkeiten im Programm nicht dafür ausreichen, alle Ziele (Projekte für alle Schülerinnen und Schüler, Aufbau von Strukturen in Schule, Aufbau von Kooperationsstrukturen zwischen Schulen und Kultureinrichtungen) umfänglich zu verfolgen. Es müssen Schwerpunkte gesetzt werden. Die hohe und bewusst eingesetzte Autonomie der Kulturagentinnen und Kulturagenten und die unterschiedlichen Rahmenbedingungen vor Ort, führen dazu, dass unterschiedliche Schwerpunktsetzungen vorgenommen werden. Die Vielfalt der Ziele und die Freiheit, unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen, haben in einem Modellprogramm aber auch eine Berechtigung, da es in Modellprogrammen darum gehen soll, verschiedene Modelle zu erproben und aus diesen Erfahrungen zu lernen. Aus forschungsmethodischer Sicht stellt es hingegen ein großes Problem dar: Welche Zielsetzungen und, damit verbunden, welche Outputs, Outcomes und Impacts sind für die Beurteilung des Erfolgs des Programms relevant? Und wie kann damit umgegangen werden, dass für die beteiligten Stakeholder (Förderer, Kulturagentinnen und Kulturagenten, Schulen, Kultureinrichtungen, Kunstschaffende, Schülerinnen und Schüler, Forum K&B, Länderbüros) jeweils andere Zielsetzungen die wichtigsten sein können?

3. "Zur Kooperation anstiften!" – grundlegende Überlegungen zum Forschungsschwerpunkt der Begleitforschung der Universität Hildesheim

Wie in den beiden vorangegangenen Kapiteln gezeigt, zeichnet sich das Programm "Kulturagenten für kreative Schulen" durch eine Reihe von Besonderheiten aus, die spezifische Probleme für die Begleitforschung aufwerfen: Es handelt sich um ein sehr umfangreiches Programm (138 Schulen, 46 Kulturagentinnen und Kulturagenten, hunderte von Projekten, viele tausend Schülerinnen und Schüler und circa 2.000 Kulturpartner), das noch dazu in fünf Bundesländern und in Kommunen sehr unterschiedlicher Größe stattfindet und von einer hohen Autonomie der handelnden Akteure geprägt ist.

Zudem lassen sich mehrere Zielsetzungen des Programms beschreiben, die drei voneinander abgrenzbare Forschungsthemen plausibel machen:

  1. Projekte und ihre Wirkungen auf die beteiligten Schülerinnen und Schüler
  2. Beobachtung und Beschreibung der an Schulen entwickelten Strukturen für zukünftige Kulturarbeit
  3. Beschreibung und Analyse der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Kultureinrichtungen

Die Begleitforschung der Universität Hildesheim konzentriert sich vor allem auf das dritte Forschungsthema, das aber nicht losgelöst von den jeweiligen Bedingungen vor Ort untersucht werden kann. Die zentrale Forschungsfrage lautet daher:

"Welche Bedingungen des Kulturagentenprogramms haben welchen Einfluss auf die Zusammenarbeit zwischen Schule und Kultureinrichtungen – unter Berücksichtigung der sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen vor Ort?"

Da die Forschung noch nicht beendet ist, können in diesem Beitrag noch keine abschließenden Ergebnisse präsentiert werden, es ist aber möglich, zentrale Erkenntnisse zu den unterschiedlichen Rahmenbedingungen zu beschreiben, die insbesondere durch vier Faktoren bestimmt werden: Die beteiligten Schulen, die beteiligten Kulturpartner, die Kulturagenten und die infrastrukturellen Besonderheiten vor Ort.

Die Schulen

Die Schulen, an denen die Kulturagentinnen und Kulturagenten arbeiten, unterscheiden sich insbesondere durch folgende Faktoren:

Der Grad der Eigenständigkeit der Schulen variiert zwischen den Bundesländern. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Frage, wie selbstständig die einzelnen Schulen über Budgets und Personalstunden verfügen können.

Die Schulen unterscheiden sich stark in ihrer Größe (Schüleranzahl beziehungsweise Kollegiumsgröße), der Mitarbeiterstruktur (nur Lehrerinnen und Lehrer versus verschiedene pädagogische Professionen), der pädagogischen Ausrichtung, der Erfahrung mit der Zusammenarbeit mit externen Partnern, im Vorhandensein von Schulentwicklungsstrukturen und in der Teilnahme an weiteren Förderprogrammen.

Zudem zeigen die bisherigen Gespräche, dass die Motivationen der Schulen, am Programm teilzunehmen, eine große Bandbreite aufweisen: Zentraler Anreiz war aber die Möglichkeit, über das Kunstgeld ein Budget für die Durchführung von Projekten zur Verfügung zu haben.

Und schließlich gibt es Schulen, die von Schulreformen betroffen sind und ihre Schulstruktur, zum Beispiel aufgrund der Zusammenlegung von Schulstandorten, neu entwickeln müssen.

Die Bereitschaft, aber auch die Möglichkeiten, sich auf intensive Partnerschaften einzulassen, hängen von den genannten Faktoren ab und variieren also je nach Schule sehr stark. Besonders wichtig ist diese Einsicht, weil das Programm auf die jeweiligen Rahmenbedingungen an den einzelnen Schulen nur sehr begrenzten Einfluss hat.

Die Kulturpartner

Die Gruppe der Kulturpartner ist noch heterogener als die Gruppe der beteiligten Schulen. Die für die Programmlaufzeit von 2011 bis 2013 durchgeführte Analyse der beteiligten Kulturpartner zeigte, dass über 20 verschiedene "Organisationstypen" von Kulturpartnern beteiligt sind, die unterschiedlichen Kunstsparten angehören und öffentlich geförderte Kultureinrichtungen, bürgerschaftlich getragene und privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen umfassen.

Die quantitativ wichtigsten Gruppen von institutionellen Kulturpartnern sind "Museen und Gedenkstätten", "Einrichtungen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung", "Kulturvereine", "Kulturzentren", "freie Theater" und "öffentliche Theater", aber auch "Verlage", "Bibliotheken", "Jugendzentren", "Kirchen" und "Hochschulen". Auch hier gilt es, sich zu vergegenwärtigen, dass die Bereitschaft und die Möglichkeiten zu intensiven Partnerschaften mit Schule zwischen diesen Gruppen stark variieren. Dies zeigt sich auch daran, dass eine hohe Zahl an "Einzelkünstlern" erfasst wurde, die in der weit überwiegenden Zahl aller Projekte – auch denen, die in Kooperation von Schulen und Kultureinrichtungen durchgeführt wurden – beteiligt waren. Dies begründet sich insbesondere dadurch, dass einige der beteiligten Kulturpartner gar nicht über künstlerisches Personal (wie etwa in Museen und Gedenkstätten) verfügen, die in der Lage wären, künstlerische Projektangebote zu entwickeln. In anderen Fällen gibt es zwar künstlerisches Personal, das aber so in die künstlerischen Produktionen des Hauses eingebunden ist, dass so gut wie keine Zeit für zusätzliche Projekte bleibt (öffentliche Theater, Orchester) und wo es zudem üblich ist, für bestimmte Produktionen oder bestimmte Aufgaben "freie Künstlerinnen und Künstler" zu engagieren. Zudem handelt es sich um sehr verschieden große Organisationen, deren Personal sich unterschiedlich zusammensetzt. In vielen Fällen gibt es überhaupt keine oder eine nur sehr kleine Vermittlungsabteilung am Haus, und die Bedeutung, die Vermittlungs- und Bildungsarbeit zugeschrieben wird, variiert stark.

Diese strukturellen Unterschiede führen dazu, dass die Motivationen der einzelnen Kulturpartner, am Programm teilzunehmen beziehungsweise Partnerschaften zu Schulen aufzubauen, vielfältig sind: vom Wunsch, neue Vermittlungsformate mit Bildungspartnern zu entwickeln, über den Wunsch, die Zuschauerzahlen der eigenen Produktionen zu erhöhen, bis zum Wunsch, sich ein neues Arbeitsfeld als Verdienstmöglichkeit zu erschließen.

Kulturelle Infrastruktur

Um die Frage nach dem Einfluss des Kulturagentenprogramms auf den Aufbau und die Gestaltung von Zusammenarbeit zwischen Schulen und Kultureinrichtungen beantworten zu können, ist es wichtig, sich über die kulturelle Infrastruktur klar zu werden, die es vor Ort gibt. Dazu einige grundlegende Zahlen:

Es gab im Schuljahr 2012/2013 in Deutschland insgesamt 34.368 allgemeinbildende Schulen.10 Für den Kulturbereich sind die folgenden Zahlen verfügbar: Es gibt in Deutschland 143 öffentlich geförderte Theater und 131 Orchester.11 In der Museumsstatistik 2012 werden für Deutschland 6.304 Museen erfasst, davon befinden sich 3.003 in Trägerschaft von Bund, Land, Kommunen und 441 in anderen Trägerschaften des öffentlichen Rechts. Da von der Gesamtzahl allerdings 44,5 Prozent der Museen als Volks- und Heimatkundliche Museen ausgewiesen werden, die meist über kein hauptamtliches Personal verfügen, ist die Zahl der Museen, die sich in öffentlicher Trägerschaft befinden und über hauptamtliches Personal verfügen, auf circa 2.000 zu schätzen.12 In der Bibliotheksstatistik werden 1.906 Bibliotheken mit hauptamtlicher Leitung aufgeführt,13 im Verband deutscher Musikschulen sind 920 Musikschulen organisiert14, und die Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren hat 459 Mitglieder.15

Die Zahlen für Deutschland zeigen, dass es grundsätzlich deutlich mehr Schulen (fast 35.000) als große Kultureinrichtungen (etwa 4.500) gibt, die als Kooperationspartner infrage kommen. Zudem verteilen sich diese Kultureinrichtungen anders als die Schulen, die es auch in ländlichen und kleinstädtischen Gebieten gibt. Kultureinrichtungen hingegen konzentrieren sich viel stärker auf Großstädte.

Für die jeweilige Situation vor Ort gilt es daher auch, zu klären, wie viele Kultureinrichtungen es in der Region der jeweiligen Schulen überhaupt gibt und für wie viele Schulen diese Kultureinrichtungen als mögliche Kulturpartner zur Verfügung stehen sollten.

Die Kulturagentinnen und Kulturagenten

Die mit den Kulturagentinnen und Kulturagenten durchgeführten Gruppendiskussionen und Einzelinterviews zeigen, dass sie Schwerpunktsetzungen in ihrer Arbeit vornehmen und nicht alle  Ziele (alle Schülerinnen und Schüler zu erreichen, Strukturen in Schule, Strukturen der Zusammenarbeit zwischen Schule und Kultureinrichtungenaufzubauen) mit gleicher Gewichtung verfolgen. Dies liegt zum einen daran, dass nicht genügend Zeit zur Verfügung steht und die Kulturagentinnen und Kulturagenten nur über bedingte Einflussmöglichkeiten verfügen, alle Ziele gleichermaßen zu verfolgen. Zum anderen reagieren die Kulturagentinnen und Kulturagenten aber auch auf die Bedingungen, die sie vorfinden, und versuchen auf Grundlage dieser Bedingungen passgenaue Zielsetzungen zu entwickeln.

Es gibt zum Beispiel unterschiedliche Positionen in Hinblick darauf, wie die Nachhaltigkeit des Programms am besten erreicht werden kann:

  1. dadurch, dass Schülerinnen und Schüler eine ganz besondere Erfahrung in den Projekten machen, weil nur so Hoffnung besteht, dass sie sich tatsächlich längerfristig für die Künste interessieren.
  2. durch den Aufbau von personenunabhängigen Strukturen in der Schule, da so sichergestellt wird, dass es unabhängig von den jetzt agierenden Personen Kulturangebote gibt.
  3. durch die persönlichen Erfahrungen der Lehrerinnen und Lehrer mit guten Projekten, weil sich diese dann für Kulturarbeit an der Schule einsetzen.
  4. durch den Aufbau fester Arbeitsstrukturen zwischen Kultureinrichtungen und Schulen, weil so sichergestellt wird, dass dauerhaft gute Kooperationsprojekte stattfinden.

4. Ausblick

Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass das Programm "Kulturagenten für kreative Schulen" vor Ort unter sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen durchgeführt wird. Die hohe Gestaltungsfreiheit der umsetzenden Akteure in Bezug auf die Entscheidung, was vor Ort wie erreicht werden kann, erscheint daher sinnvoll. Gleichwohl gilt es aber, den Fragen nachzugehen, welche Instrumente des Programms – auch im Vergleich zu anderen Programmen – unter welchen Bedingungen welche Wirksamkeit entfalten können und welche Erkenntnisse aus diesem Programm sich auf die Gestaltung anderer Förderprogramme für die kulturelle Bildung übertragen lassen. Hier erweisen sich die Vielzahl der Programmziele, die große Gestaltungsfreiheit und die vielfältigen Rahmenbedingungen vor Ort als Problem, da nicht alle Einzelfälle umfassend analysiert werden können und dies die Übertragbarkeit von Erkenntnissen erschwert.

Die Frage, welche Bedingungen des Kulturagentenprogramms welchen Einfluss auf die Zusammenarbeit zwischen Schule und Kultureinrichtungen haben, kann daher nur unter Berücksichtigung der sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen vor Ort beantwortet werden. Um dieser Einsicht Rechnung zu tragen, wird eine abschließende Vollerhebung mit allen Kulturagentinnen und Kulturagenten durchgeführt, in denen detailliert auf die Instrumente des Programms, die Programm-Umwelt, die beteiligten Kultureinrichtungen, die Schulen und die Rahmenbedingungen vor Ort eingegangen wird. Neben dieser quantitativen Abschlusserhebung werden in einzelnen qualitativen Fallstudien konkrete Formen der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Kultureinrichtungen untersucht, um die Wechselwirkung von Programminstrumenten und Rahmenbedingungen vor Ort am Einzelfall beschreiben und analysieren zu können. Die abschließenden Ergebnisse werden 2016 publiziert.

1 Stockmann, Reinhard: "Zur Methodik von Evaluationen in der Kultur und Kulturpolitik", in: Hennefeld, Vera; Stockmann, Reinhard (Hg.): Evaluation in Kultur und Kulturpolitik. Eine Bestandsaufnahme, Münster 2013, S. 53–86.

2 Mayntz, Renate: "Politische Steuerung", in: Kirsten Mensch (Hg.): Politische Steuerung der Stadtentwicklung. Das Programm "Die soziale Stadt" in der Diskussion, Darmstadt 2001, S. 37–43, hier: S. 37f.

3 Zur ausführlicheren Beschreibung vorliegender Evaluationen und deren Einschränkungen, siehe die online verfügbaren Texte von Hennefeld, Vera: "Zum Einsatz sozialwissenschaftlicher Datenerhebungsmethoden im Rahmen der Evaluation Kultureller Bildung", in: Bockhorst, Hildegard; Reinwand, Vanessa-Isabelle; Zacharias, Wolfgang; Schönfeld, Franziska Isabelle (Hg.): Handbuch kulturelle Bildung (Onlineversion): www.kubi-online.de [31.03.2015] und Fink, Tobias: "Evaluationen im Feld der Kulturellen Bildung", in: Ebd.

4 Wimmer, Michael; Schad, Anke; Nagel, Tanja: Förderung von Modellprojekten kultureller Bildung, hg. v. Educult, Wien 2014, online: www.mwk.niedersachsen.de/download/91507/Studie_des_Instituts_EDUCULT_-_Denken_und_Handeln_im_Kulturbereich_zur_Foerderung_von_Modellprojekten_kultureller_Bildung_.pdf [31.03.2015].

5 Ebd. S. 13–28.

6 Kaufmann, Franz-Xaver; Rosewitz, Bernd: "Typisierung und Klassifkation politischer Maßnahmen", in: Mayntz, Renate (Hg.): Implementation politischer Programme. 2. Ansätze zur Theoriebildung, Opladen 1983, S. 39.

7 Hellermann, Johannes: Verfassungs- und kommunal(haushalts)rechtliche Grundlagen der Kulturförderung und Kulturtätigkeit in Nordrhein-Westfalen, Bielefeld 2012, online: www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV16-836.pdf [07.04.2015].

8 Eine kompakte Darstellung seiner Überlegungen findet sich in Chen, Huey T.: "Theory-driven evaluation: Conceptual framework, application and advancement", in: Strobl, Rainer (Hg.): Evaluation von Programmen und Projekten für eine demokratische Kultur, Wiesbaden 2012, S. 17–40, ausführlich zum Beispiel in Chen, Huey-T.: Theory-driven evaluations, Newbury Park, CA, London 1990.

9 Siehe zum Beispiel Beywl, Wolfgang (Hg.): Das ABC der wirkungsorientierten Evaluation. Glossar – deutsch/englisch – der wirkungsorientierten Evaluation, Univation – Institut für Evaluation Dr. Beywl&Associates. 2., vollst. bearb. u. erg. Aufl., Köln 2009.

10 Statistisches Bundesamt: Statistische Angaben zu Schulen in der Bundesrepublik Deutschland, (o. J.), online: www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/BildungForschungKultur/Schulen/Tabellen/AllgemeinBildendeBeruflicheSchulenSchularten.html%3bjsessionid=7DECBD81B5B041FCD66ADC4BE0D08FB5.cae3 [21.03.2015].

11 Deutscher Bühnenverein – Bundesverband dt. Theater (Hg.): Theaterstatistik 2011/2012. Die wichtigsten Wirtschaftsdaten der Theater, Orchester und Festspiele, Köln 2012.

12 Institut für Museumsforschung: Statistische Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2012, Heft 67, 2012, online: www.smb.museum/fileadmin/website/Institute/Institut_fuer_Museumsforschung/Materialien/Heft67.pdf [21.3.2015].

13 DBS Deutsche Bibliotheksstatistik: Öffentliche Bibliotheken. Gesamtstatistik 2012, 2013, online: www.hbz-nrw.de/dokumentencenter/produkte/dbs/aktuell/m [21.03.2015].

14 Verband deutscher Musikschulen (o. J.): Zahlen und Fakten, online: www.musikschulen.de/musikschulen/fakten/traeger-der-musikschulen/index.html [21.03.2015].

15 Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren: Soziokulturelle Zentren in Zahlen. Auswertung der Statistikumfrage der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e. V., 2011/2012, 2013, online: www.soziokultur.de/bsz/sites/default/files/filem 21.03.2014./flipviewer/Statistik2013_WEB/flipviewerxpress.html [21.03.2015].