Friederike Holländer
Kulturfahrpläne für Schulen – Bildungsfahrpläne für Museen?
Friederike Holländer

Kulturfahrpläne für Schulen – Bildungsfahrpläne für Museen?

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Die Entwicklung langfristiger Kooperationen von Schulen mit Kulturinstitutionen war ein explizites Ziel des Kulturagentenprogramms. Die Programmschulen durchliefen einen intensiven Prozess über mehrere Jahre, in dem sie Erfahrungen sammeln und sich mit den Themen "kulturelle Bildung" und "Kooperationen mit externen Partnern" vertiefend auseinandersetzen konnten. Im Rahmen des Programms wurden Konzepte dafür entwickelt und erprobt. Ein zentrales Instrument, mit dem die Schulen und die Kulturagenten arbeiteten, war der sogenannte Kulturfahrplan.

Ich habe mir die Frage gestellt, ob Kultureinrichtungen nicht einen ähnlich begleiteten Entwicklungsprozess durchlaufen sollten, der es ihnen ermöglicht, sich aus ihrer Perspektive intensiv mit dem Thema "Lernen, Bildung und Vermittlung" auseinanderzusetzen. Könnten dafür Erkenntnisse, Verfahren und Methoden, die im Kulturagentenprogramm mit den Schulen entwickelt wurden, auf die Zusammenarbeit mit einer Kulturinstitution übertragen werden? Wenn also Schulen Kulturfahrpläne entwickeln sollen, müssten dann nicht auch Museen Bildungsfahrpläne entwerfen? Und wie würden diese Bildungsfahrpläne dann aussehen?

Was ist ein Kulturfahrplan?

Die Entwicklung der Kulturfahrpläne war eine der wesentlichen Aufgaben der Schulen im ersten und zweiten Programmjahr. Es handelte sich dabei um ein Konzept für die Verortung von Kunst und Kultur im Kontext der Gesamtsituation der Schule. Die Schulen konnten im Kulturfahrplan Zusammenhänge zwischen übergreifenden Entwicklungsvorhaben und den vom Programm ermöglichten künstlerischen Projekten darstellen.

Da es an den Schulen meines Schulnetzwerks bei Programmstart noch kein übergeordnetes Konzept für Entwicklungen im Bereich Kultur/Schulkultur/Verankerung kultureller Bildung im Schulalltag oder Kooperationen mit externen Kulturpartnern gab, konnte nicht daran angeknüpft werden. Es war daher aus meiner Sicht sinnvoll und notwendig, dass zunächst ein solches Gesamtkonzept entworfen wurde, das einen Bezugsrahmen für die Einordnung der Kunstgeld-Projekte bieten würde. Die Entwicklung des Kulturfahrplans basierte auf einer Analyse der individuellen Rahmenbedingungen an der jeweiligen Schule und auf der Auswertung der Erfahrungen aus den ersten durchgeführten Projekten.

Für das Kulturagentenprogramm relevante Ziele und Maßnahmen der Schulen wurden im nächsten Schritt in konkrete Projektkonzeptionen übertragen. Das Ergebnis waren (in den Schulen meines Schulnetzwerks) aus mehreren Modulen bestehende Projekte mit einer längeren Laufzeit, die sich inhaltlich und strukturell auf die Erkenntnisse aus der vorangegangen Analyse und auf die spezifischen Ziele des Kulturagentenprogramms bezogen. Der Durchführung der Projekte konnte ein Zeit- und Maßnahmenplan zugrunde gelegt werden, der den eigentlichen "Fahrplan" für die Programmaktivitäten darstellte. Der Kulturfahrplan der Schule bildete damit einen übergeordneten Rahmen für den Fahrplan des Kulturagentenprogramms. (Ich treffe diese Unterscheidung, weil die Einbindung von externen Kulturpartnern eine von mehreren Möglichkeiten ist, die eine Schule nutzen kann, um ein kulturelles Profil zu entwickeln. Eine kulturelle oder musische Schwerpunktsetzung basiert nach meiner Beobachtung zunächst auf Fähigkeiten und Interessen des Kollegiums der Schule.)

Die Entwicklung des Kulturfahrplans war aus meiner Sicht essenziell für meine Arbeit als Kulturagentin und als Bezugsrahmen für die Projektaktivitäten. Ich denke, dass im Grunde alle Schulen unabhängig von der Teilnahme an einem Programm ein derartiges Gesamtkonzept für den Bereich Kultur erarbeiten sollten.

Vom Kulturfahrplan zum Bildungsfahrplan ­–Versuch einer Übertragung

Meine Arbeitsthese ist, dass auch Kulturinstitutionen ein dem Kulturfahrplan der Schulen entsprechendes Instrument entwickeln sollten, einen Bildungsfahrplan. Darunter verstehe ich ein Gesamtkonzept für Bildung und Vermittlung, das auf den spezifischen Charakteristika der jeweiligen Kulturinstitution basiert. Ziel des Bildungsfahrplans wäre es, schrittweise ein individuelles Profil für die Vermittlungsarbeit einer Kulturinstitution zu entwickeln und umzusetzen. Die Frage ist, ob sich Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Arbeit mit den Programmschulen so ohne Weiteres auf eine ganz anders strukturierte Kulturinstitution übertragen lassen.

Ich hatte die Gelegenheit, dies in einem ersten Versuch zu überprüfen, als ich im Rahmen einer Fortbildung für Volontäre der Berliner Museen im Juni 2014 einen Workshop zum Thema "Kooperation Museum und Schule" konzipiert und durchgeführt habe.

Ablauf des Volontärworkshops

Um auszuprobieren, ob und wie sich die Entwicklung des Kulturfahrplans auf die Entwicklung eines Bildungsfahrplans übertragen ließe, bereitete ich eine praktische Übung für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops vor. Diese bestand aus Plakaten mit zwölf Aussagen zum Idealzustand eines fiktiven Museums, für das Bildung und Vermittlung einen hohen Stellenwert besitzen. Ich bat die Teilnehmenden, zu jeder Aussage eine Einschätzung des Entwicklungsstands "ihres" jeweiligen Museums auf einer Skala von 1 bis 100 abzugeben und die Relevanz der jeweiligen Aussage zu diskutieren.

Dieses Vorgehen entsprach im Ansatz einer Zusammenfassung der ersten Programmphasen im Kulturagentenprogramm, der sogenannten Erhebungsphase und der von den Schulen entwickelten "Vision", die sich zeitlich über das gesamte erste Programmjahr erstreckten.

Für den Workshop verwendete ich eine von mir vorformulierte Vision von einem fiktiven bildungs- und vermittlungsorientierten Museum, um den Prozess der Bestandsaufnahme und die gleichzeitige Auseinandersetzung mit einer möglichen Wunschvorstellung oder Zukunftsvision zeitlich stark abzukürzen.

Das "Ideal" eines bildungs- und vermittlungsorientierten Museums

Ich habe die folgenden Statements ohne Anspruch auf Vollständigkeit und generelle Relevanz zusammengestellt, um damit einige Ansprüche an Kultureinrichtungen sichtbar zu machen, die sich auch aus der Konzeption des Kulturagentenprogramms ablesen lassen:

  • Museumsleitung: Sie hat ein sehr großes Interesse an "Bildung und Vermittlung" und das Thema zur "Chefsache" gemacht.
  • Öffentlichkeitsarbeit: Auf der Webseite sind aktuelle Angebote für unterschiedliche Zielgruppen leicht zu finden und interessante Aktivitäten aus der Vergangenheit gut und übersichtlich dokumentiert.
  • Zielgruppen: Zahlreiche Angebote für Familien, Kinder, Jugendliche, Kitagruppen, Schulklassen, Lehrkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher sorgen dafür, dass das Museum eine junge Besucherklientel hat.
  • Fundraising/Finanzierung: Bereits bei der Einwerbung von Mitteln für Ausstellungen wird der Etat für Bildung und Vermittlung mitberücksichtigt.
  • Kooperationen mit Schulen: Das Museum pflegt eine feste Kooperation mit einer Schule in der Nähe sowie projekt- und themenbezogene Kooperationen mit einzelnen Lehrkräften/Klassen anderer Schulen.
  • Partizipation: Konzepte und Anträge für Schulprojekte werden gemeinsam mit Kooperationspartnern, Vermittlerinnen und Vermittlern (beispielsweise Kunstschaffenden) entwickelt.
  • Ressourcen: Das Museum hat eine Bildungsabteilung mit eigenem Etat, die eng mit den anderen Abteilungen zusammenarbeitet und deren Arbeit einen hohen Stellenwert besitzt.
  • Honorarkräfte im Bereich Bildung und Vermittlung, nach Bedarf eingesetzt, werden sorgfältig ausgewählt, wertgeschätzt und adäquat bezahlt.
  • Raum für praktisches/museumspädagogisches Arbeiten: Das Museum verfügt über großzügig ausgestattete Räume für praktische Workshops.
  • Interdisziplinär: Das Museum hat großes Interesse an fachübergreifenden Ansätzen und bindet Kunstschaffende, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen in die Entwicklung des Bereichs "Bildung" ein.
  • Kommunikation: Das Museum pflegt den fachlichen Austausch mit anderen Kultureinrichtungen, Universitäten und weiteren Partnern im Bereich "Bildung und Vermittlung".
  • Profil: Das Museum ist für seine hervorragende Bildungsarbeit bekannt und wird häufig angefragt, sein innovatives Konzept auf Tagungen und Fortbildungen vorzustellen.

Ergebnisse und Erkenntnisse des Workshops

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops diskutierten, welche Entwicklungsschwerpunkte der einzelnen Museen sich bei der Bestandsaufnahme beziehungsweise Positionierung herauskristallisierten. Für mich war interessant, welche Bandbreite an Einschätzungen es von den Teilnehmenden bezüglich der Statements gab. Auch wenn generell der Bereich "Bildung und Vermittlung" als Entwicklungsbereich sichtbar wurde, gab es doch große Unterschiede bei der Einschätzung der Position des Museums gegenüber den verschiedenen "Idealvorstellungen". Hier zeigte sich, dass in den Museen –genauso wie in den Schulen – individuelle Herangehensweisen notwendig sind, da die Ausgangssituation der Häuser sehr unterschiedlich ist. Dazu kommt, dass Museen sich in ihrer inhaltlichen Ausrichtung und Größe untereinander sehr viel stärker unterscheiden als allgemeinbildende Schulen. Ich möchte dafür ein Beispiel nennen:

Ein Geschichtsmuseum mit einem von vornherein breiten vermittlungsorientierten Ansatz beispielsweise hat einen ganz anderen Ausgangspunkt in Bezug auf anzustrebende Veränderungen und Ausweitung von Vermittlungsaktivitäten als ein kleines Museum, das einem einzelnen Künstler oder Thema gewidmet ist.1 Daher stellt eine Positionierung gegenüber dem von mir behaupteten Ideal noch keinen Wert an sich dar. Sinn macht sie dann, wenn sie in einen Gesamtzusammenhang gestellt wird und wenn daraus eine Strategie zur Veränderung des Ist-Zustands abgeleitet werden soll. Insofern sollten die individuellen Rahmenbedingungen der Museen genau wie die der Schulen differenziert betrachtet werden. Ein Museum, das bereits vielfältige Angebote und Projekte anbietet, kann in einem Bildungsfahrplan die Verfeinerung und Vertiefung von Themen und Formaten anstreben, während für ein anderes Haus der Schwerpunkt sein kann, überhaupt erste Erfahrungen mit ungewohnten Zielgruppen zu sammeln.

Die Methode

Die von mir gewählten Statements sind sicher noch erweiterbar und zu überarbeiten. Sie spiegeln eine Bandbreite an Möglichkeiten wider, die ein einzelnes Museum nicht abdecken muss. Sie können aber als Orientierungshilfe, Anregung und Diskussionsgrundlage für die Formulierung der individuellen Ziele eines Museums bei der Implementierung eines Bildungs- und Vermittlungsschwerpunkts dienen.

Die Herangehensweise eignet sich dafür, relativ schnell einen Überblick über Meinungen und Tendenzen größerer Gruppen zu bekommen. Sie ist als Instrument zur Reflexion zu verstehen, nicht zur Bewertung. Im Kontext eines Programms wie dem Kulturagentenprogramm, das einer Schule durch personelle und finanzielle Unterstützung ermöglicht, ein kulturelles Profil zu entwickeln, erschließt sich der Nutzen einer solchen Selbstevaluation vielleicht eher als ohne konkrete Aussicht auf Umsetzung von Entwicklungsvorhaben.

Nach meiner Theorie lassen sich aus dem Bild, das sich aus der Diskussion der Statements und ihrer Relevanz ergibt, relativ einfach Anhaltspunkte für die weitere Entwicklung eines Konzepts ableiten.

Vertiefung: Individuelle Situation eines Museums

Der Workshop im Rahmen der Volontärsfortbildung hatte mir gezeigt, dass ich für den nächsten Schritt auf dem Weg zu einer Präzisierung der Idee eines "Bildungsfahrplans" die individuellen Voraussetzungen eines Museums betrachten musste. Ich wählte als "Fallbeispiel" das Georg Kolbe Museum, mit dem eine "meiner" Schulen kooperiert und bat die Direktorin Dr. Julia Wallner und die Volontärinnen Nathalie Küchen und Sandra Brutscher, sich ebenfalls mit den beschriebenen zwölf Statements auseinanderzusetzen.

Das Ergebnis bestätigte, was ich aus der Zusammenarbeit mit dem Museum bereits zum Teil erfahren hatte: Dr. Julia Wallner, seit Frühjahr 2013 Direktorin des Museums, hat großes Interesse am Thema "Bildung und Vermittlung" und sucht aktiv nach neuen Möglichkeiten für Vermittlungsformate. Das Angebot insbesondere für Kinder und Jugendliche war bisher recht beschränkt. Das lässt sich auch an der Webseite des Museums ablesen, die keine auf den ersten Blick sichtbaren Angebote für junge Zielgruppen enthält. Das Museum hat wenig Mittel für Vermittlung zur Verfügung und bisher kaum Erfahrungen mit Vermittlungsprojekten. Im Rahmen der Kooperation mit der Teltow-Grundschule konnten jedoch seit 2013 erste Erfahrungen bei der gemeinsamen Konzeption und Beantragung von Projekten gemacht und eine Reihe von Projekten und ein Studientag im Museum durchgeführt werden. Zur Ausstellung über die Berliner Bildhauerin Reneé Sintenis bis März 2014 gab es außerdem ein großes Projekt mit der Reneé-Sintenis-Grundschule. Das wissenschaftliche Team des Museums besteht aus der Direktorin und den zwei Volontärinnen. Für die Vermittlung ist niemand speziell zuständig, dafür ist das Museum zu klein. Für Workshops mit Kindern und Jugendlichen werden freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Honorarbasis herangezogen. Einen Raum für museumspädagogische Projekte gibt es nicht. Dies wird durch die Bereitschaft aufgewogen, die Museums- beziehungsweise Ausstellungsräume für Projekte zur Verfügung zu stellen. Außerdem hat das Museum einen schönen Garten, der bei gutem Wetter ebenfalls genutzt werden kann. Bildung und Vermittlung für Kinder und Jugendliche war bisher kein Schwerpunkt des Museums, der Bereich befindet sich erst im Aufbau. Interesse an einer stärkeren Vernetzung ist vorhanden.

Kooperation der Teltow-Grundschule mit dem Georg Kolbe Museum im Rahmen des Projekts "Kunst und Sprache"
Foto: Friederike Holländer

In einem weiteren Gespräch, das ich gemeinsam mit meiner Kollegin Anja Edelmann vorbereitete, stellte ich Dr. Julia Wallner detaillierte Fragen zu Organisation, Rahmenbedingungen, Inhalten und Vermittlungszielen des Museums:

Vermittlung allgemein

  • Was ist das allgemeine Vermittlungsziel des Museums? Was umfasst die Sammlung? Wie groß ist die Sammlung? Wo werden die Sammlungsgegenstände aufbewahrt?
  • Welche (Ausstellungs-)Themen gibt es aus welchem Grund? Wie kommen Ausstellungen zustande?
  • Was ist das Profil des Museums? Welches Konzept liegt seinem Programm zu Grunde?
  • Wie funktioniert das Museum? Unter welchen äußeren Bedingungen arbeitet das Museum? Wer bestimmt Inhalte? Wie wird das Museum finanziert? Wer hat Einfluss auf die Aktivitäten des Museums?
  • In welchen Kooperationen (andere Museen, andere Institutionen …) arbeitet das Museum?
  • Welche Angebote für Familien/Kinder/Schüler/andere spezifische Zielgruppen gibt es?
  • Vermittlung Museum/Schule: Warum arbeitet das Museum mit einer Schule zusammen? Warum will das Museum mit Schule(n) zusammenarbeiten? Warum will das Museum mit Kindern und Jugendlichen/Schülerinnen und Schüler arbeiten?
  • Was könnte Kinder und Jugendliche/Schülerinnen und Schülern am Georg Kolbe Museum interessieren? Warum sollten Kinder und Jugendliche/Schülerinnen und Schüler ins Kolbe-Museum kommen?
  • Was ist aus Sicht des Museums das Ziel einer Kooperation mit einer Schule? Wozu arbeitet das Museum mit einer Schule zusammen?
  • Welche(s) Entwicklungsziel(e) hat das Museum im Bereich "Bildung und Vermittlung" bezogen auf sein spezifisches Profil und seine individuellen Rahmenbedingungen?
  • Gibt es eine "Forschungsfrage" des Museums zum Thema "Bildung und Vermittlung"? Was will das Museum von Kindern und Jugendlichen wissen? Was will das Museum mit Kindern und Jugendlichen über das Museum herausfinden? Will das Museum eine Bildungseinrichtung sein?

Diese Vorgehensweise entsprach meiner Bestandsaufnahme der schulischen Rahmenbedingungen für den Kulturfahrplan. Nach meiner Theorie sollten sich aus der Sammlung der umfassenden Informationen Anhaltspunkte für konkrete Entwicklungsschritte eines "Bildungsfahrplans" ergeben. Zusammenfassend erbrachte die intensive Auseinandersetzung, auf die Dr. Julia Wallner sich offen und interessiert einließ, folgendes Ergebnis: Das Georg Kolbe Museum besitzt den Nachlass des Bildhauers Georg Kolbe in Form von Gipsen und Bronzegüssen, Zeichnungen, Fotos und Dokumenten sowie Werke von Zeitgenossen Kolbes. Das Museum ist der Bildhauerei verpflichtet. Themen sind die Aufarbeitung des Werks von Kolbe, der Umgang mit dem Künstlererbe, Kolbe und seine Zeit (Bildhauerei der 1920er Jahre), das Haus als Baudenkmal. Eine Besonderheit des Museums stellt die Allianz mit dem Kunstmarkt durch neue Abgüsse von originalen Formen dar, da das Museum die Verwertungsrechte hat und neue Abgüsse als originale Kunstwerke gelten. Gleichzeitig stellt das Museum Bezüge zur modernen und zeitgenössischen Bildhauerei her. Das Museum ist mit anderen Bildhauereimuseen vernetzt und kooperiert bei Ausstellungsprojekten. Es gibt eine Kooperation mit der Universität der Künste (Ausstellung Meisterschülerpreis des Präsidenten der UDK). Das Programm des Museums wird maßgeblich von Dr. Julia Wallner bestimmt. Finanziert wird das Museum zu einem Drittel durch öffentliche Mittel und zu zwei Dritteln von Geldern, die das Museum (unter anderem durch Eintritte und den Verkauf von Publikationen sowie Neugüssen) erwirtschaftet. Vermittlungsangebote beziehen sich auf die Ausstellungen des Museums. Neben museumspädagogischen Veranstaltungen, unter anderem in Kooperation mit "Jugend im Museum", gibt es Workshops von und mit ausstellenden Künstlern. Einmal im Jahr gibt es ein Kinderfest, das vom Freundeskreis des Museums unterstützt wird.

Das Museum wird zu annähernd 70 Prozent von Frauen über 60 Jahre besucht. Das Museum schätzt diese Besuchergruppe sehr und ist gleichzeitig an einer Ausweitung seiner Zielgruppen interessiert. Die Kooperation mit einer Schule ist für das Museum interessant, um Erfahrungen mit jüngeren Zielgruppen und deren Sichtweise gewinnen. Das Museum sieht sich als externer Lernort für ganzheitliche Bildung, der das schulische Lernen ergänzen kann. Zugleich gibt es keinen ausschließlichen Fokus auf Schule, da das Museum ebenfalls an außerschulischen Angeboten für Kinder und Jugendliche interessiert ist. Grundsätzlich gibt es Interesse an einer Professionalisierung der Vermittlungsarbeit.

Dr. Julia Wallner stellt sich die Frage, wie ein Museum mit wissenschaftlichem Anspruch mit dem "Nichtwissen" umgehen kann und soll. Sie spricht gegensätzliche Haltungen im Umgang mit Vermittlung an: Kunstmuseum versus Kindermuseum, selbsterklärend versus "Man sieht nur, was man weiß", offenlassen versus "überdidaktisiert", Qualitätsanspruch und Niedrigschwelligkeit. Sie vergleicht das Museum, seine Ausstellungen und Inhalte und deren Vermittlung an Nichtfachleute mit einem literarischen Werk, das durch eine Übertragung in einen Comic zwar "barrierefrei" zugänglich wird, aber seinen ursprünglichen künstlerischen Wert verliert. Sie hält es für wesentlich, dass Vermittlung im Georg Kolbe Museum nicht bedeutet, dass komplexe kunsthistorische Zusammenhänge für Laien heruntergebrochen werden müssen, sondern geht eher von unterschiedlichen Möglichkeiten von verschiedenen Zielgruppen aus, sich Kunst zu erschließen.

Kinder und Jugendliche kann am Georg Kolbe Museum ganz grundsätzlich das "Erlebnis" Museum interessieren, die sinnliche Erfahrung von Museumsräumen und Skulpturengarten. Die Begegnung mit den Skulpturen erzeugt nach Dr. Julia Wallners Beobachtung intuitive Reaktionen. Kinder lernen im Museum Skulptur als körperliche Erfahrung kennen. Eine Öffnung der klassischen Museumsregeln im Rahmen des für ein Museum Möglichen kann dies unterstützen: Lernen mit allen Sinnen erfordert das Berühren der Objekte. Weitere Anknüpfungspunkte für Kinder und Jugendliche wären Tanz als künstlerisches Ausdrucksmittel, das den menschlichen Körper zum Thema macht, und Angebote zum Thema Bildhauerei: plastisches Gestalten, Modellieren, dreidimensionales Arbeiten mit verschiedenen Materialen. Für Jugendliche können auch die zeitbezogenen Themen des Museums, Erster Weltkrieg, NS-Zeit oder das Thema Biografie (monografisches Museum), interessant sein.

Fazit: Bildungsfahrplan für das Georg Kolbe Museum

Meiner Meinung nach ist ein grundsätzliches Konzept für Bildungs- und Vermittlungsprojekte für alle Zielgruppen des Georg Kolbe Museums aus den oben kurz skizzierten Informationen bereits ablesbar: Inhalte können sich an dem vorhandenen Profil des Museums orientieren, der Schwerpunkt kann wie beim Museum auf der Bildhauerei liegen. Die Ausdrucksmöglichkeiten des menschlichen Körpers können ein davon ausgehendes Thema sein. Geschichtlicher Hintergrund und Haus könnten eine Rolle spielen.

Das Georg Kolbe Museum hat mit der Teltow-Grundschule einen idealen Kooperationspartner: Die Schule hat im Rahmen des Kulturagentenprogramms ihre vormals verwaiste Werkstatt wiederentdeckt und inzwischen mit schuleigenen Mitteln mit einem großen Brennofen ausgestattet. Personell wird die Werkstatt von der Bildhauerin Ev Pommer betreut. In Kooperation mit dem Museum und der Künstlerin könnte die Schule sich regelmäßig mit für Grundschulkinder interessanten Aspekten des Museums und seinen wechselnden Ausstellungen beschäftigen.

Grundsätzlich sollte die Frage, was sie am Georg Kolbe Museum interessiert oder interessieren könnte, auch der Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen gestellt werden. In Kooperation mit einer oder mehreren Schulen könnte das Museum in einem Forschungsprojekt explizit der Frage nachgehen, was Kinder und Jugendliche interessiert, welche Fragen sie haben, was sie wissen wollen und wie sie auf die Themen des Museums reagieren. Kinder und Jugendliche verschiedener Altersgruppen könnten gemeinsam mit Lehrkräften, Kunstschaffenden und dem Museum herausfinden, welche Aspekte der Institution für sie relevant sind und warum. Dies könnte im Zusammenhang mit der Weiterführung der Kooperation mit der Teltow-Grundschule ein Schwerpunkt im "Bildungsfahrplan" des Museums sein.

1 Das Deutsche Historische Museum in Berlin zum Beispiel wurde explizit mit dem Ziel gegründet, geschichtliche Zusammenhänge zu vermitteln: "Das Museum soll Ort der Besinnung und der Erkenntnis durch historische Erinnerung sein. Es soll informieren, die Besucher darüber hinaus zu Fragen an die Geschichte anregen und Antworten auf ihre Fragen anbieten. Es soll zur kritischen Auseinandersetzung anregen, aber auch Verstehen ermöglichen und Identifikationsmöglichkeiten bieten. Vor allem soll das Museum den Bürgern unseres Landes helfen, sich darüber klar zu werden, wer sie als Deutsche und Europäer, als Bewohner einer Region und als Angehörige einer weltweiten Zivilisation sind, woher sie kommen, wo sie stehen und wohin sie gehen könnten." (Endgültige Konzeption der Sachverständigenkommission für ein Deutsches Historisches Museum in Berlin, überreicht am 24. Juni 1987, https://www.dhm.de/ueber-uns/gruendung-geschichte.html).