Carina Herring
Starting with the body
Carina Herring

Starting with the body

Eine tänzerische Erforschung des Themas. Jo Parkes im Gespräch

Kurzbeschreibung

Workshop 8: Starting with the body – eine tänzerische Erforschung des Themas Gemeinsam tanzen ist von Natur aus kooperativ. Wir werden das Thema Kooperation durch improvisierte Partnertechniken tänzerisch erforschen. Wie nehme ich Impulse von meinem Gegenüber auf und übersetze sie in eigene Körperbewegung? Wie viel Vertrauen habe ich in meinen Partner? Wann darf ich loslassen, was darf ich abgeben, wie viel muss ich kontrollieren? Am Ende steht eine improvisierte Performance, die aus dem Moment heraus mit Formen des Zusammenspiels experimentiert. Der Workshop ist geeignet für Teilnehmerinnen und Teilnehmer jeder Erfahrungsstufe – vom Anfänger bis zum Profi.

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Carina Herring: Jo, Du bist Choreografin und Tanzpädagogin und im Rahmen von TanzZeit auch im Modellprogramm "Kulturagenten für kreative Schulen" aktiv. Zur Halbzeittagung bist du eingeladen worden, um das Thema Kooperation tänzerisch zu erforschen. Topoi wie Vertrauen, Kontrolle und Verantwortung und des "In-Kontakt-Seins" mit der Partnerin/dem Partner hast du dabei in den Mittelpunkt gestellt. Wie habt ihr mit der physischen Forschung begonnen?

Foto: Roland Baege/Forum K&B

Foto: Roland Baege/Forum K&B

Foto: Roland Baege/Forum K&B

Jo Parkes: Wir fingen mit einfachen Übungen an, damit die Gruppe sich kennenlernen und ein paar grundlegende tänzerische Bewegungen ausprobieren konnte. Ich gab dabei mit meinem Körper und meiner Stimme einen Rhythmus vor, und die Tänzerinnen und Tänzer haben im gleichen Rhythmus darauf reagiert – wie bei einem Frage-Antwort-Spiel. Das war unser mentales und physisches Warm-up: Durch die Entwicklung des Rhythmus gaben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dem Takt immer mehr Aufmerksamkeit und richteten ihren Fokus in die Gruppe. Im nächsten Schritt entwickelte jede Tänzerin/jeder Tänzer ihren/seinen eigenen Rhythmus, und auf diese Weise begegneten wir uns zum ersten Mal. Das war auch der Einstieg, die Teilnehmenden zu ermuntern, jede Bewegung als tänzerisches Element zu sehen und eigene Bewegungen zu kreieren.

Die zweite Übung baute darauf auf. Jede Tänzerin/jeder Tänzer war eingeladen, im Kreis ihren/seinen Namen zu nennen und eine Bewegung zu machen – jede denkbare, die ihm gerade in den Sinn kam. Die Gruppe hat diese Bewegung wiederholt. Nachdem alle eine Bewegung beigesteuert hatten, fragte ich die Gruppe, ob jemand die Bewegung eines anderen erinnere und eine wiederholen könne, die ihr/ihm besonders gefallen hatte. Daraufhin wiederholte die ganze Gruppe die Bewegungen solange, bis wir sie alle zusammen ausführen konnten. Der Fokus lag immer auf der Tänzerin/dem Tänzer, die/der gerade die Bewegung so nah wie möglich am Original oder so exakt wie möglich im Raum ausführte. Wir wiederholten dies so lange, bis wir durch die Bewegungen aller Teilnehmenden eine kurze Sequenz geschaffen hatten, die wir zusammen tanzen konnten. Diese Übung war unser erster Versuch hin zu einer kollektiven Choreografie und begründete das Prinzip, dass jeder Beitrag wichtig ist.

Die dritte Übung war eine tänzerische Bewegung im Raum und eröffnete choreografische Elemente, die wir später bei der Improvisation brauchen würden: Höhe, Geschwindigkeit, Richtungen. Wir entwickelten eine Struktur, in der sich die Bewegungen der Gruppe zunächst durch einen Zuruf von außen änderten, dann von innen und dann durch eine physische Aufforderung ohne Stimme/Geräusch im Innern der Gruppe. Nach diesen Vorbereitungen habe ich die Hauptaufgabe des Workshops vorgestellt, die wir stufenweise aufgebaut haben.

Das ist ein sehr schönes Prinzip: dass jeder Beitrag auf dem Weg hin zu einer gemeinsamen Choreografie, zu einem "Zusammenspiel", wichtig ist. Wie seid ihr von hier aus zur Improvisation weitergegangen?

Die Improvisationen hatten unterschiedliche Schwierigkeitsgrade, durch die wir uns entwickelt haben. Zunächst übten wir einige grundlegende Partnerbewegungen: dem Partner eine Hand geben, den Partner überholen und dabei das Körpergewicht durch eine Balance aus Ziehen und Schieben teilen. Dann fügten wir Elemente von Duetten hinzu, um von einer Seite des Raums zur anderen zu gelangen. Nach einigen Durchquerungen des Raums zu zweit haben wir jeweils drei Paare zu Sechsergruppen kombiniert. Jede Gruppe hatte die Aufgabe, sich von einer zur anderen Seite des Raums zu bewegen. Dabei sollte es einen klaren Anfang und ein klares Ende geben, und alle Gruppenmitglieder sollten mit den Prinzipien des Überholens und Gewichtteilens über die Bühne gelangen. Im Anschluss an jede Improvisation gab es eine Feedback-Runde, in der wir die nächsten Gruppenaufgaben definierten: beispielsweise kontrastierende Bewegungsqualitäten, ohne den Einsatz der Hände arbeiten (um das Bewegungsvokabular zu erweitern), die Bewegung eines Anderen kopieren oder stetig die Grundaufgaben verstärken als Schlüssel zu kreativen Reaktionsmöglichkeiten.

Foto: Roland Baege/Forum K&B

Foto: Roland Baege/Forum K&B

Foto: Roland Baege/Forum K&B

Welche Erfahrungen haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemacht? Welche Erfahrungen hast du gemacht?

Meine Beobachtung war, dass die Gruppe sich von einer etwas nervösen Ansammlung einzelner Individuen zu einer schwitzenden, lachenden, diskutierenden, argumentierenden und fragenden Gruppe entwickelt hat. Die Arbeit zu zweit hat schnell Früchte getragen, sodass wir intensiv arbeiten konnten. Die Partnerübungen erlaubten es allen, sich selbst und ihre eigenen Reaktionen in der physischen Kooperation zu erforschen. Wir blieben über eine lange Zeit in derselben Konstellation, damit sich die Erkundungen vertrauensvoll weiterentwickeln konnten.

Die physischen Herausforderungen waren dabei die vielfältigen Beziehungen zwischen den Partnerinnen und Partnern:

  • Widerstand bieten und aufgeben, um sich auf diese Weise durch den Raum zu bewegen
  • Erkennen, wann ein Impuls gegeben und wann auf den Impuls des Partners reagiert werden sollte
  • Das Gleichgewicht zwischen der Zusammenarbeit mit dem Partner und den eigenen Bedürfnissen halten
  • Sich selbst und dem Partner vertrauen, um Gewicht abgeben und aufnehmen zu können

 

Als sich die Paare zu kleinen Gruppen zusammenschlossen, erfuhr der Workshop eine kollektive Irritation. Die Kreativität und der Spaß kamen plötzlich abhanden, und dem Prozess fehlte es an Energie und Drive. Ich kam deswegen zu den ersten Aufgabenstellungen zurück und verstärkte diese: "Lauft quer durch den Raum und überholt den Partner, teilt euer Gewicht!" Die nächsten Improvisationen wurden ein wenig besser, aber die Tänzerinnen und Tänzer hatten noch immer nicht zu einem gemeinsamen Prozess gefunden, und der kreative Flow kam nicht wirklich zustande. Im Feedback der Gruppen hörte ich mich selbst sagen: "Fokussiert euch auf euch selbst. Ihr seid für niemanden sonst verantwortlich. Ihr seid für euch selbst verantwortlich!" Später hörte sich das so an: "Gefalle dir selbst! – Sei sicher, dass DU dich in der Gruppe gut fühlst. Tue, was DU tun willst!"

Vor dem Workshop hatte ich selbst nicht gedacht, dass dies ein wichtiges Thema innerhalb von Kooperationen sein würde, aber als ich die Teilnehmenden tanzen sah, verstand ich, dass, wenn man sich zu stark in die Gruppe "einzufügen" versucht und nicht sich selbst in den Vordergrund stellt, die Kreativität und die Verbindung zwischen den Tanzenden verloren gehen. Wenn jede/jeder versucht, zu harmonisch zu sein, wird die Gruppendynamik langweilig.

Ich denke, dass dies analog zu der Entwicklung und Durchführung von Projekten mit vielen Partnern außerhalb des Tanzes zutrifft. Jede Partnerin/jeder Partner bringt Ideen ein, will eigene Ziele verfolgen und hat gleichzeitig das kollektive Ziel des Projekts im Auge. Wenn man aber zu sehr mit der Herstellung von Harmonie beschäftigt ist und damit, sich im Gruppenprozess anzupassen, wird man unkreativ und im schlimmsten Fall frustriert.

Als wir weitergearbeitet haben, hat sich mein Interesse auf die Rolle des Widerstands und der Irritation im Prozess der Zusammenarbeit gerichtet. Wir spielten mit dem Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen jeder Tänzerin/jedes Tänzers und der Gemeinschaft. So haben die Tanzenden zum kreativen Flow zurückgefunden, und die Improvisation wurde wieder fürs Tanzen und fürs Zusehen interessant.

Wir verbrachten viel Zeit damit, jede Improvisation zu diskutieren und jeder Gruppe ein Feedback zu geben. Ich wurde daran erinnert, dass Zeit und Raum für Diskussionen und Reflexionen für kreative Prozesse wirklich notwendig sind. Erneut wurde mir bewusst, wie wichtig es ist, dass beim Feedback zuerst das benannt wird, was gut funktioniert – vom Standpunkt der inneren Erfahrung aus wie auch von außen –, und dass erst dann danach gesucht wird, was nicht so gut funktioniert hat. Auf diese Weise erhält man neue Impulse. Außerdem wurde der Stellenwert der Wiederholung deutlich: Ich hatte eine neue Übung geplant, merkte dann aber, dass zwei Aufgabenstellungen in derselben Improvisation wichtiger sind, als zügig weiter zu neuen Erkundungen zu gehen.

Wie lassen sich diese tänzerischen, körperlichen Erfahrungen auf die täglichen Arbeitszusammenhänge in Kooperationen beziehen?

Als Choreografin würde ich argumentieren, dass der Tanz Geist, Körper und Seele vereint. Dies geschieht, ohne dass man etwas in Worte fassen muss, aber es wirkt sich in allen Bereichen des Lebens aus. Vor diesem Hintergrund haben wir am Ende des Workshops versucht, etwas davon zu skizzieren, was wir über Kooperationen gelernt haben. Ich habe sechs Themen auf große Papiere geschrieben, vier davon hatte ich bereits vor dem Workshop ausgewählt, zwei kamen währenddessen hinzu. Ich lud die Tänzerinnen und Tänzer ein, ihre Überlegungen dazu aufzuschreiben. Wahrscheinlich haben wir nicht über die Differenzierung nachgedacht, ob wir Kooperationen im Workshop oder ganz generell meinen – alle trafen diese Unterscheidung ganz persönlich. Nebenstehend einige Antworten.

Ja, tatsächlich kennt man viele der notierten Stichpunkte aus der eigenen Arbeitspraxis und auch aus dem privaten Alltag! Beeindruckend, welche Prozesse ihr während des Workshops durchlaufen habt und wie die tänzerische Erfahrung die Teilnehmenden und ihre Beziehungen untereinander in Bewegung versetzt hat.

Übersetzung aus dem Englischen: Carina Herring

VERANTWORTUNG
Verantwortung für mich habe ich selbst.
Verantwortung für die Fähigkeiten und Bedürfnisse der anderen muss ich mit übernehmen – die anderen SEHEN.
Verantwortung für das Ergebnis brauche ich NICHT zu übernehmen.

VERTRAUEN
Voraussetzung für alles miteinander.
Wächst durch Wiederholung.
Zur selben Zeit in mich und andere.
Braucht einen Resonanzraum.
Alles ist richtig.

IMPULSE
Nicht denken – machen.
Pausen setzen.
Auch ablehnen.

LOSLASSEN
Freiheit oder Angst?
Braucht Zeit und Gelassenheit.
Schafft Freiräume.
Muss man üben, will ich üben.
Fällt schwer, der Kopf ist im Weg.
Schwer, weil ich nicht weiß, wie es endet.

WIDERSTAND
Für mich das Interessanteste: dass ich mit Widerstand umgehen kann.
Ich muss mich nicht jemandem stellen.
Nicht als Ablehnung sehen.
Für sich nutzen.
Niemanden zwingen.
Schön, wenn er aufgelöst wird.

IRRITATIONEN
Passe ich mich der Gruppe richtig an?
Nachdenken.
Sind Großartig.
Können zu neuen Wegen führen.
Können zu Kreativität führen.
Brauche ich, um in Gang zu kommen.
Vieles gleichzeitig ausführen wollen.
Die Schere im Kopf entdecken: Ich soll … nett sein, kooperativ, für die Gruppe arbeiten … Was will ich aber gerade?