Ayşe Güleç
Kooperationen bewegen Institutionen
Ayşe Güleç

Kooperationen bewegen Institutionen

Kurzbeschreibung

Workshop 3 Kooperationen in lokalen Bildungslandschaften – vom Nutzen regionaler Netzwerke Verloren im Dickicht der lokalen Bildungslandschaft oder gemeinsam stark? Das Potenzial einer vernetzten Bildungslandschaft liegt in der Kooperationsbereitschaft von unterschiedlichen Einrichtungen im lokalen Umfeld von Kindern und Jugendlichen. Musikvereine, Jugendkunstschulen, Stadtteil- und Jugendzentren, Bibliotheken und Seniorentreffs sind neben Museen und Theatern wichtige außerschulische Bildungsorte. In diesem Workshop untersuchen wir, welche Aufgaben und Arbeitsformen sich für die oft ungleichen Kooperationspartner ergeben. Welche Rolle kommt den jeweiligen Partnern zu, wenn beispielsweise eine Schule, eine Musikschule und ein Kulturzentrum miteinander kooperieren? Wir diskutieren, wie durchlässig die lokale Bildungslandschaft ist und wie sie durch die lokale Politik/Verwaltung unterstützt und weiterentwickelt werden könnte.

Begriff und Hintergründe

"Bildungslandschaft" klingt aufgrund der Kombination zweier Begriffe aus verschiedenen Kontexten – Geografie und Bildung – etwas merkwürdig. Hinzu kommt durch den Zusatz "lokal" der Begriff der Regionalität als Hinweis auf einen konkreten Raum. Bei der Vorstellung von "Bildungslandschaft" tauchen sofort Bilder, Assoziationen oder Fragen auf: Geht es um eine Landschaft, die sich durch zufällige Formationen oder durch bewusste Gestaltung und Handlungen bildet? Um Natur oder Kultur? Um Kultur als bewusster Akt der Gestaltung und Strukturierung, des Zusammenbringens und Zufügens?

Trotz der Mehrdeutigkeiten des Begriffs beschreibt "Bildungslandschaft" ganz treffend, was damit gemeint, gewollt und erzielt werden soll: Schulen, Kindergärten, soziale sowie kulturelle Vereine und Einrichtungen sind nicht isolierte Marker im Gefüge eines konkreten städtischen oder regionalen Raums, sondern stehen in Verbindungen miteinander, sind vernetzt, kommunizieren und kooperieren untereinander.

Die Hintergründe für das Aufkommen und Bemühen von regionalen Bildungslandschaften sind mit unterschiedlichen Bildungsentwicklungen verbunden, die in Schuluntersuchungen wie beispielsweise PISA deutlich wurden und die Diskurse über gesellschaftliche Exklusion auslösten. Die genannte Krise im Bildungssystem, das Feststellen der Ausschlüsse insbesondere von migrantischen Personengruppen im Bildungsbereich oder die "überforderten" Nachbarschaften sind nur einige Aspekte, die nach einem stärkeren Zusammenspiel von Bildungseinrichtungen verlangen, um Zugangschancen für sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen in Bereichen wie Bildung, Ausbildungs- und Arbeitswelt zu verbessern.

Kultureinrichtungen mit ihrem Bildungsauftrag sind davon nicht ausgenommen, da in den Formen der kulturell-ästhetischen Wissensvermittlung ein Potenzial gesehen wird. Zum anderen wollen und müssen Kultureinrichtungen ihrem Bildungsauftrag nachkommen und sind zunehmend daran interessiert, sich für bisher nicht erreichte Bevölkerungsgruppen stärker zu öffnen. In diese Gleichzeitigkeit von tatsächlichen Entwicklungen und dem Wunsch nach besseren Zugängen für alle, wird eine Chance von kooperierenden Netzwerken und Bündnissen in regionalen Bildungslandschaften gesehen.

Gerade in Stadtteilen mit auffälligen Merkmalen bezüglich der Armutskennziffern, Wohn- und Wohnumfeldqualität werden Bildungslandschaften eingerichtet und gesteuert. Meist handelt es sich hierbei um Stadtteile, in denen auch der hohe Anteil von migrantischer Wohnbevölkerung und sogenannten überforderten Nachbarschaften betont werden. Ziel dabei ist es, die Einrichtungen enger miteinander zu verknüpfen, um daraus Stärken für den Stadtteil zu gewinnen und das lokale Bildungssystem vor Ort (in einem Stadtteil oder Stadtteilquartier) besser zu organisieren. Dafür werden die Akteure von Bildungseinrichtungen enger in Austausch gebracht und vernetzt.

Im Kontext des Workshops

Am Workshop nahmen zwölf Personen teil, die berufliche Erfahrungen und Perspektiven aus Schulen, Museen, kommunalen Ämtern, Wohnungsbaugesellschaften und der Kunst mitbrachten. Die Praxisbeispiele aus zwei Städten – Dortmund und Hamburg – , in denen das Modellprogramm "Kulturagenten für kreative Schulen" eine zentrale Rolle spielt, bildeten die Grundlage, um die Gestaltungsmöglichkeiten von Bildungslandschaften deutlich zu machen. Als konkrete Beispiele sollten sie Einblicke in die Praxis geben und das mögliche Spektrum von Kooperationsbündnissen und -formen aufzeigen.

Als Moderatorin des Workshops war es mein Interesse, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihr Wissen und ihre Erfahrungen ebenfalls einbringen. Mit dem Workshop sollte ein Raum eröffnet werden, in dem aus den Projektpräsentationen, dem Feedback und aus den Diskussionen gemeinsam wichtige Aspekte auf eine Metaebene übertragen werden. Für diesen Übersetzungsschritt waren die Erfahrungen aus den institutionellen Kooperationsnetzwerken aller Teilnehmenden des Workshops gefragt.

In Bezug auf Größe und Steuerung der Kooperationen sowie der Netzwerke unterschieden sich die beiden Praxisbeispiele stark voneinander. Sie zeigten nicht nur zwei Pole möglicher Kooperationen auf, sondern öffneten einen Raum für andere Kooperationsmodelle. Mit dem folgenden Text werden der Ablauf, die Diskussionspunkte im Workshop und wichtige Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen herausgestellt.

Zu Beginn des Workshops wurden die Teilnehmenden nach persönlichen und institutionellen Motivationen für Kooperationen gefragt. Sie nannten verschiedene Motive, die unter folgenden Stichworten zusammenfassbar sind:

Kinder und Jugendliche mit städtischen und freien Kulturorten ihrer Stadt vertraut machen –Institutionelle Öffnung und Stärkung der Einrichtungen:

  • Chance, inhaltlich und methodisch den Bildungsauftrag wahrzunehmen
  • Perspektivwechsel für Einrichtung
  • Interesse daran, wie Projekte in Schule eingebunden werden
  • Schule lernt Aufgaben zu übernehmen, um sich zu vernetzen
  • Kulturprojekte mit externen Partnern eröffnen neue Perspektiven
  • Bedeutungszuwachs für den Status einer Schule
  • Entwicklung eines langfristigen Kulturprofils

Positive Auswirkung auf den Stadtteil:

  • Positive Auswirkung für alle durch gute Nachbarschaft von Schule und Kultur

Neue Lernwege und Formate für die Schülerschaft:

  • Sinnvoll für Schülerinnen und Schüler, Wege außerhalb der Schule kennenzulernen und zu gehen.
  • Nachhaltige Auswirkungen dieser Erfahrungen auf den Lebensweg der Schülerinnen und Schüler
  • Projekte ermöglichen ein Zusammenarbeiten der Schülerschaft unterschiedlicher Schulen

Bürgerbeteiligung durch Kooperationen (Bottom-up-Ansatz):

  • Selbstermächtigung
  • Erschließung der Stadt
  • Partizipation

Ausgleich: Wer soll was davon haben?

  • Win-win-Situation für alle Beteiligten, aber wie herstellbar?

Die von den Teilnehmenden genannten Gründe für Kooperationen beschreiben, dass mit einer Kooperation die eigene Einrichtung wie beispielsweise eine Schule durch neue Impulse von außen weiterentwickelt werden kann. Die Auseinandersetzung mit einem Gegenüber, das mit anderen Perspektiven, Arbeitsweisen, Methoden arbeitet, kann auf den eigenen institutionellen Rahmen verändernd wirken, wenn es eine Offenheit und Notwendigkeit dafür gibt. Daran schließt sich die Frage an, welche Freiräume und Ressourcen dafür bereitgestellt werden sollten, damit ein solcher "Wind" für Veränderungen mitgenommen und für die eigene Institution produktiv gemacht werden kann. Was kann einen solchen Prozess unterstützen, und was sollte dazukommen, damit institutionelle Öffnungen von Schule oder Kultureinrichtung tatsächlich gelingen? Reicht eine erfolgreiche Kooperation mit einer anderen Einrichtung oder in einem regionalen Bündnis von Partnern aus, um im eigenen institutionellen Rahmen etwas zu verschieben und zu bewegen?

Sicherlich ist eine gelungene Kooperation kein Garant dafür, dass sich eine Institution öffnet. Aber in Kooperationen kann eine Einrichtung deutlich erkennen, ob und an welchen Stellen sie Veränderungen von innen angehen sollten. Daher stellt eine Kooperation nicht nur ein gemeinsames Lernfeld nach außen dar, sondern bietet für die interne Weiterentwicklung und Veränderung ein wichtiges Potenzial. Schulische Einrichtungen haben alleine schon wegen ihrer Stellung im Stadtteil und aufgrund ihrer Kontakte zu ihren Schülerinnen und Schülern und zu den Eltern eine wichtige Bedeutung. Soziale Entwicklungen und Veränderungen im Stadtteil kommen zuerst hier an. Bildungs- und Kultureinrichtungen können gemeinsam mit ihren unterschiedlichen Zugängen und Arbeitsformen positive Signale im Stadtteil setzen. Als zentrale Bildungseinrichtung für die Schülerschaft, aber auch für ihre Familien, sind Schulen für Kooperationen in regionalen Bildungslandschaften unverzichtbar.

Für jede Kooperation im Netzwerk wird eine vermittelnde, (weiter-) treibende, kittende Kraft benötigt, eine Person oder Personengruppe, die immer wieder an Themen erinnert, zu Gesprächen und Kooperationen einlädt, Themen eingrenzt oder ausdehnt, nachfragt, bündelt und weiterentwickelt. Wie das auf sehr unterschiedliche Weise gelingen kann, zeigten die Praxisbeispiele, die exemplarisch für zwei unterschiedliche Kooperationsmodelle und Wege der Zusammenarbeit stehen: Dortmund und Hamburg. In beiden Netzwerken sind die Kulturagentinnen aktiv beteiligt.

Praxisbeispiel 1

Das erste Praxisbeispiel aus Dortmund besteht aus einem gesamtstädtischen Handlungskonzept, das die verschiedenen Handlungs- und Projektebenen in der kulturellen Bildung bündelt. Claudia Kokoschka – Leiterin des Kulturbüros der Stadt Dortmund – stellte die strukturgebenden Maßnahmen vor, die das Kulturbüro entwickelt hat und kontinuierlich umsetzt:

Die Aktivitäten in diesem Bereich umfassen zunächst die Erarbeitung eines "Kommunalen Gesamtkonzepts Kulturelle Bildung" (in Abstimmung mit Schulverwaltung, Regionalem Bildungsbüro, Jugendamt und dem Land NRW), die Einrichtung einer zentralen Kontaktstelle für Kulturelle Bildung als Moderations- und Informationsplattform, die Gründung eines Steuerkreises und eines Beirats sowie die Entwicklung der Modelleinrichtung "U2-Kulturelle Bildung im digitalen Zeitalter" im Dortmunder U.

Besonders hervorzuheben ist, dass das Kulturbüro der Stadt Dortmund personelle und monetäre Ressourcen für eine Stelle eingerichtet hat, die als Kontaktstelle für alle kulturellen Einrichtungen und Fragen in Dortmund fungiert und im Kulturbüro angesiedelt ist. Diese Tatsache ist besonders zu erwähnen, da Anliegen und Fragen von Einrichtungen im Bereich der kulturellen Bildung für Kinder und Jugendliche zwischen Jugend- und Kulturämtern oft "hängen bleiben", da es in kommunalen Verwaltungsstrukturen in der Regel keine klare Zuordnung für das Thema kulturelle Bildung gibt. Darüber hinaus hat das Kulturbüro der Stadt Dortmund zur Information, Steuerung und Bündelung der kulturellen Bildungsprojekte zwei Arbeitsgremien eingerichtet: An dem Steuerungskreis sind neben der Leitung des Kulturbüros und der Kontaktstelle Kulturelle Bildung weitere städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Jugendamt, dem Familienprojekt, dem Schulverwaltungsamt und dessen Regionalem Bildungsbüro vertreten. Gegenstand der Steuerungsgruppe ist der Austausch und das ämterübergreifende Zusammenwirken im Rahmen des "Kommunalen Gesamtkonzeptes Kulturelle Bildung".

Zur Entwicklung nachhaltiger Strukturen für die kulturelle Bildung hat das Kulturbüro der Stadt zusätzlich einen Beirat als zweites Arbeitsgremium aufgebaut. An den Sitzungen des Beirats nehmen öffentliche Kultureinrichtungen, freie und private Träger von Kultur- und Jugendeinrichtungen, einzelne Kulturakteure, Kunstschaffende und anlassbezogen auch Schulvertreterinnen und -vertreter teil. Das Kulturbüro beziehungsweise die Kontaktstelle für kulturelle Bildung übernimmt für beide Vernetzungsgremien die Funktion der einladenden und moderierenden Organisation. Mit dem Beirat wird unter anderem die Weitergabe von Informationen über neue Projektausschreibungen organisiert, ein Newsletter und die Webseite kulturellebildung.dortmund.de informieren über Einrichtungen und Angebote. Die Beiratstreffen stellen auch den Rahmen für den fachlichen Austausch, für Begegnungen und Kontakte. Die Kulturagentin Barbara Müller nimmt an den Sitzungen dieses Runden Tisches ebenfalls teil.

Als eines der Bausteine des Dortmunder Modells wurde das Projekt "Kunst-Connection" von Regina Nizamogullari (ehemals Kulturbeauftragte Lehrerin an der Anne-Frank-Schule, heute Lehrerin an der Martin-Luther-King-Gesamtschule) und von Regina Selter (Museum Ostwall im Dortmunder U) vorgestellt, das in der U2_ Kulturelle Bildung im Dortmunder U stattfindet. Zwei Schulen, die Anne-Frank Gesamtschule und die Albrecht-Dürer Realschule, arbeiten mit dem Museum Ostwall zusammen. Allerdings gehört nur die Anne-Frank-Gesamtschule zum Kulturagentenprogramm. Die U2 selbst wurde zunächst kommissarisch vom Kulturbüro der Stadt Dortmund als Medienlabor und Kulturwerkstatt für Jugendliche aufgebaut und verfügt heute über eine eigene Leitung. Mit dem Umzug des Museums in das Gebäude der ehemaligen Unionsbrauerei im Jahr 2010 entschied es sich fortan, Werke des Fluxus auszustellen. Bis dahin lag der Schwerpunkt des Museums auf dem Expressionismus. Dieser bewusst vollzogene Wandel wurde auch als ein wichtiger Schritt der Öffnung des Museums verstanden: Das Museum sollte – im Sinne des Fluxus – ein Ort des Diskurses und des Austauschs werden, um einen größeren Zugang des Publikums zu den ausgestellten Werken zu erreichen. An den Ausführungen zu den konkreten Erfahrungen im Projekt von Kunst-Connection mit Schülerinnen und Schülern im Museum Ostwall wurden wichtige Aspekte des Projekts deutlich:

Aus Sicht der Schule

Für die Schule, so Regina Nizamogullari, waren das Kulturagentenprogramm und der eigens für die Schule entwickelte Kulturfahrplan bedeutsam. Zusätzlich überzeugten die Arbeitsweise sowie Arbeitsergebnisse der Künstlerin und Diplompädagogin Barbara Hlali vom Museum Ostwall im Dortmunder U. Dennoch war es wichtig, diese längerfristige Kooperation im Rahmen von Lehrerkonferenzen zu thematisieren und sich als Schulkollegium gemeinsam für diese Kooperation zu entscheiden. Mit der Kooperation zwischen der Schule und dem Museum entstanden auch ganz praktische Fragen: Wie kommen die Kinder ins Museum, wie kann das Projekt mit der Stundenplanregelung vereinbart, wie kann die Finanzierung gesichert oder die Aufsicht der Schüler organisiert werden? Zu Beginn der Kooperation sei die Organisation aufgrund dieser Fragen nicht einfach gewesen. Es habe von den Lehrenden flexible Arbeitsstunden verlangt und damit eine andere Form der Koordination der Stundenpläne erfordert.

Ein wichtiges Ergebnis war, dass die Schülerinnen und Schüler das Projekt als eine bedeutsame Erfahrung und große Wertschätzung angenommen haben. Das Museum sei zu "ihrer Sache" geworden. Im Hinblick auf Schülerinnen und Schüler aus der Nordstadt sei das eine bemerkenswerte Entwicklung, da für sie das Dortmunder U anfangs "weit weg" gewesen sei.

Aus Sicht des Museums

Regina Selter berichtete, dass sich das Museum Ostwall im Dortmunder U schon zu Beginn des Kunst-Connection-Projekts mit der Frage auseinandersetzte, wie eine Zusammenarbeit mit Schulen gelingen könne. Zu diesem Zweck hat das Museum mit Barbara Hlali und Jutta Schmidt zwei Künstlerinnen mit einem pädagogischen Verständnis engagiert. Denn Projekte mit Jugendlichen hängen immer auch von der Künstlerin/dem Künstler als Gegenüber ab. Die Kommunikation in solchen Settings ist wichtig, um kreative künstlerische Prozesse in Gang zu setzen.

Eine Leitfrage war, wie sich digitale Medien künstlerisch einsetzen lassen. Sie wurde zu einem inhaltlichen Schwerpunkt für die praktische Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern. Dabei ging es um den Transfer von digitalen Medien zum Analogen und umgekehrt. Die ausgestellten Kunstwerke im Museum Ostwall aus der Kunstrichtung Fluxus sind dafür gut geeignet, weil sie Anknüpfung und Anlässe dafür geben. Ausgehend von den Kunstwerken findet die künstlerische Umsetzung mit den Schulklassen auf der Ebene U2 statt. Als Vorlage wurde beispielsweise ein Bild von K. O. Goetz verwendet, um es für den Medientransfer vom Bild zur Videoperformance zu nutzen.

Die Schülerinnen und Schüler der Albrecht-Dürer-Schule visualisierten das Bild, indem sie ihre Hände in den Farben Schwarz/Rot anmalten und vor einen weißem Tuch die Bewegungen aus dem Bild nachempfanden. Die Schülerinnen und Schüler der Anne- Frank-Schule stellten eine Kampfsituation dar. Selter betonte, dass in solchen Kooperationsformen weitere alternative Begleitkonzepte erfunden werden sollten, um die direkte Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern zu unterstützen. Das Museum Ostwall war an der längerfristigen Zusammenarbeit – statt einmaliger Sonderveranstaltungen – mit Schülergruppen interessiert.

Praxisbeispiel 2

Das Praxisbeispiel aus Hamburg bezieht sich auf das Quartier Mümmelmannsberg. Vorgestellt wurde die Kooperation und die gemeinsame Arbeitsweise von Nicolas Schroeder (Kulturwissenschaftler und Eventmanager, ProQuartier) und Julia Münz (Kulturagentin). Mümmelmannsberg ist eine in den 1970er Jahren aufgebaute Wohnsiedlung. Das Viertel gehört zu den sogenannten Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf. Gemeinsame Projekte finden in der Schule und oftmals auch direkt im Viertel an den Hochhausfassaden oder auf den Dächern statt.

XXL-Plakate mit Motiven der Schülerinnen und Schüler der GSM
Foto: ProQuartier

Aus Sicht des Quartiersmanagers

Nicolas Schroeder führte aus, dass es sich bei Mümmelmannsberg um ein klassisches "Problemviertel" mit einem hohen Anteil an Personen handele, die Hartz-IV-Anteil beziehen. Umfragen zeigten, dass insbesondere Jugendliche unter dem schlechten Image des Quartiers leiden. Einerseits würden sie durch stereotype Medienberichterstattung (Gangs, Gewalt) stigmatisiert und andererseits seien insbesondere sie der Meinung, dass der "Rest der Welt" schlecht über sie denkt. Ihr "Selbstwertgefühl" und ihre Mobilität seien gering. In diesem Zusammenhang könne Kunst geeignet sein, einen Imagewandel herbeizuführen, da es im Viertel viele Künstlerinnen und Künstler, Atelierabende und Projekte wie "Kunst im Treppenhaus" gibt. Ziel sei es, den Stadtteil und seine Bewohnerinnen und Bewohner in einem anderen, positiven Licht zu zeigen. Dafür sollten Schwächen zu Stärken gemacht werden (Hochhäuser), Potenziale genutzt werden (Kunstinitiativen im Stadtteil) und Beteiligung ermöglicht werden (finanzielle Unterstützung von Bewohner- und Einrichtungsinitiativen).

Mit den künstlerischen Projekten wird das Ziel der Imageverbesserung für das Viertel verfolgt, und gleichzeitig kann der Stadtteil Lernort sein. Bei einem dieser Projekte diente ein Hochhaus als Urlaubsziel. Der Fahrstuhl wurde wie ein Flugzeug gestaltet, mit dem man bis auf das Dach fahren/fliegen konnte. Auf dem Dach, das als Urlaubslandschaft gestaltet war, wurden die Anwohnerinnen und Anwohner fotografiert. Das Bildmaterial wurde ihnen in Form einer persönlichen Urlaubspostkarte überreicht. Im Projekt "Wolkenkratzertapete" wurden Illustrationen von Grundschülerinnen und -schülern auf die Häuserwände projiziert. Trotz vieler erfolgreicher Projekte und zahlreicher positiver Medienberichte hat der Stadtteil immer wieder mit einer reflexhaften, stereotypen Berichterstattung insbesondere im Feuilleton zu kämpfen.

Aus Sicht der Kulturagentin

Die Schule Mümmelmannsberg – so Julia Münz – ist eine Ganztagsstadtteilschule (GSM). Das Schulgebäude ist recht groß und besteht aus Tunneln, Etagen und Fluren. Das Gebäude beherbergt mehr als 1.000 Schüler, ein Jugendzentrum, ein Zentrum für Elternbildung und eine Bibliothek. Es gibt große "Sozialflächen". Im Kulturfahrplan für die Schule stand die Öffnung der Schule zum Stadtteil hin im Zentrum. Daher wurden Projekte konzipiert und umgesetzt, die die Schule mit dem öffentlichen Stadtteilraum verbunden haben. Mittels eines Wettbewerbs wurden beispielsweise in Kooperation mit ProQuartier die "besten" künstlerischen Schülerarbeiten ermittelt und im Anschluss an die Hochhausfassaden im Viertel gehängt. Dieses Präsentationsformat war bis dato nur den künstlerisch tätigen Erwachsenen des Quartiers vorbehalten gewesen. Ein weiteres Schulprojekt in Kooperation mit ProQuartier war das Projekt "Jacke wie Hose", in dem es um die Gestaltung von Schulkleidung ging. Aufgrund der Ankündigung, eine Schulkleidung einführen zu wollen, gewann eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern die Schülersprecherwahlen. Das Vorhaben wurde tatsächlich umgesetzt. Es fanden sich freiwillige Schülerinnen und Schülern, die in Gruppen ein neues, eigenes Schullogo, ein Marketingkonzept ausarbeiteten, das Design mit Hilfe einer Mode-Bloggerin und eines Künstlers gestalteten, eine Modenschau auf die Beine stellten und einen Schulshop für den Verkauf initiierten.

20 bis 25 Schülerinnen und Schüler arbeiteten jahrgangsübergreifend an dem Projekt. Zwar konnte das von ihnen entworfene Logo und die Kleidung nicht als offizielle Schulkleidung durchgesetzt werden, aber dennoch waren das Ergebnis und der Prozess wichtig. Das Schülersprecherteam entwickelte persönliche Verantwortung für das Gelingen dieses Projektes.

Das Kooperationsmodell in Mümmelmannsberg zeigt, dass es Kooperationsbündnisse in einem kleinen Bezugsrahmen wie in einem Viertel ermöglichen, Kontakte mit der Bevölkerung vor Ort aufzunehmen. Schülerinnen und Schüler können selbst zu wichtigen Kooperationspartnern werden, sie sind nicht nur "Teilnehmende", sondern aktiv an Projektplanung und -umsetzung beteiligt.

Auch Probleme und Konflikte in der Kooperation und zwischen den Kooperationspartnern sind wichtig und gehören dazu, ebenso wie die Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen. Die Rollen der beteiligten Künstlerinnen und Künstler sind in der Kooperation entscheidend. Hier wurde von allen Seiten darauf hingewiesen, dass für die kulturelle Bildungsarbeit mit Jugendlichen Künstlerinnen und Künstler mit pädagogischem Vermittlungsinteresse und/oder pädagogischen Erfahrungen wichtig sind.

Im Workshop wurden auch "blinde Flecken" bei der Wahrnehmung von potenziellen Kooperationspartnern deutlich, denn oft werden bestimmte Gruppen (beispielsweise Schülerinnen und Schüler) oder Institutionen (beispielsweise Wohnungsbaugesellschaften) gar nicht als Kooperationspartner adressiert.

Beide Praxisbeispiele zeigten, wie unterschiedliche Kooperationen auf ihren Bezugsrahmen eingehen und darin aktiv werden. Sie verdeutlichen, dass Kooperationen gelingen, wenn "die Chemie" zwischen den Partnern stimmt, ein eigenes Interesse am Vorhaben vorhanden und eine Win-win-Situation mit dem gemeinsamen Vorhaben verbunden ist.