Arne Papenhagen
Kunst, überall!
Arne Papenhagen

Kunst, überall!

Kurzbeschreibung

Workshop 9 Keine Kunst, nirgends? Kooperationen im ländlichen Raum Kulturelle Bildungspartnerschaften auf dem Land oder in der Peripherie der Städte sind häufig durch lange Wege geprägt. Der Zeit-, Verwaltungs-, und Kostenaufwand, der damit verbunden ist, bedeutet eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Die Diskussion geht in zwei Richtungen: Wie kommen Schülerinnen und Schüler zur Kunst, und wie kommt die Kunst zu ihnen? Darüber hinaus soll diskutiert werden, wie es ermöglicht werden kann, dass Schülerinnen und Schüler im ländlichen Raum mit überregionaler oder sogar internationaler Kunst in Berührung kommen. Nicht selten sind auch im regionalen Umfeld interessante Partner zu finden. Was bieten Institutionen und Kunstschaffende vor Ort, und was sind ihre Interessen bei einer Zusammenarbeit? Gute Ideen sind gefragt beispielsweise beim Aufbau von tragfähigen Vernetzungsstrukturen und Finanzierungsmodellen.

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Als ländlichen Raum bezeichnet man die Regionen, die durch das Leben auf dem Land geprägt sind. Geringe Bevölkerungsdichte, dörfliche oder kleinstädtische Siedlungsstrukturen mit landwirtschaftlichem Charakter sind kennzeichnend. Anknüpfungspunkte zu Mittel- und Großstädten bestehen kaum oder gar nicht. Schulen verfügen über großflächige Einzugsgebiete, und eine Vielfalt an kulturellen Einrichtungen, wie sie in Städten anzufinden ist, gibt es nicht. Die Kultur- und Bildungsarbeit im ländlichen Raum ist eine Arbeit in der Fläche. Sie ist durch hohen Aufwand an Zeit und Mobilität gekennzeichnet.

Ein großer Vorteil ländlicher Regionen stellt wohl auch die größte Herausforderung dar: der Raum. Zum einen verschafft dieser die Weite, die Freiheit, die wichtig für kreatives Schaffen ist. Mit viel Raum kann man groß agieren und in weitem Radius auf sich aufmerksam machen. Raum bedeutet aber zum anderen auch Entfernungen, die es zu überwinden gilt, und diese setzen voraus, dass man mobil ist und mobil denkt, was in vielen Fällen einen zeitlichen, administrativen und finanziellen Mehraufwand mit sich bringt.

Das Mobilitätsthema ist nur ein Faktor, wenn auch ein sehr wichtiger, der für die Qualität von Kulturkooperationen in ländlichen Räumen von Belang ist. Überalterung und Abwanderung spielen eine weitere große Rolle. Akteure berichten von starren Verwaltungsstrukturen, die lange gewachsen sind, und eingefahrenen Denkweisen bei Verantwortungsträgern. Dagegen stehen ein hohes Maß an ehrenamtlichem Engagement, wie beispielsweise bei Feuerwehr oder Sportvereinen, ein überschaubarer Sozialraum mit kurzen Wegen zu Partnern, preiswerte Mieten und nicht zuletzt die landschaftlichen Qualitäten. Kann man also den ländlichen Raum als Raum mit Potenzial verstehen? Wie kann man diese Potenziale aktivieren und nutzen? Wie wirkt sich der ländliche Raum auf die Qualität von Kooperationen zwischen Schule und Kultur aus? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Teilnehmenden des Workshops. Dazu wurden zwei Praxisbeispiele vorgestellt:

Praxisbeispiel 1

Karl Philipp Schmitz, Kulturagent der Schulen im Netzwerk Munderkingen, betreute von März bis Juli 2013 das Projekt "Heavy Metall" der Grund- und Werkrealschule Munderkingen in Kooperation mit dem Ulmer Museum, das mithilfe des Kunstgeldes umgesetzt wurde.

Munderkingen ist eine Kleinstadt im ländlich geprägten Schwaben mit einem Einzugsgebiet von 10.000 Einwohnern. Der Ort liegt 40 km westlich von Ulm, eine erhebliche Distanz also, um den Kooperationspartner des Projekts zu erreichen. Die Grund- und Werkrealschule hat derzeit 380 Schülerinnen und Schüler und ist Teil des Schulzentrums Munderkingen.

Der Schulleiter Andreas Lachmair stellte das Projekt gemeinsam mit dem Fach- und Klassenlehrer David Laux und Karl Philipp Schmitz vor. Ziel war die Vermittlung des Lehrstoffs "Metall" im Fach "Natur und Technik" durch die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema. In einer Projektwoche wurde ganz praktisch mit dem Material Metall umgegangen. Die Schülerinnen und Schüler schufen kunstvoll geschmiedete Skulpturen und künstlerische Drucke. Sie wurden mit historischen Techniken, wie der des Kupferstechens, vertraut gemacht. Dazu wurden Teile der Schule umfunktioniert und eine Schmiede mit Feuer und Ambossen sowie pneumatische Schmiedehämmer auf dem Schulgelände installiert und ein Schulraum als Druckwerkstatt eingerichtet.

Ein erfahrener Kunstschmied und ein Bildender Künstler der Region betreuten die Schülerinnen und Schüler während der Projektwoche. Die mit dem Thema "Metall" verknüpften Wissensgebiete wurden vorher insbesondere im Museum vertieft. Dafür hatte es speziell den Unterrichtszeiten entsprechend geöffnet, sodass die thematisch relevanten Ausstellungsbereiche wie Archäologie, Stadtgeschichte oder moderne Kunst für den Unterricht im Museum zur Verfügung standen.

Im Rahmen dieses Projekts konnten die Schülerinnen und Schüler vermitteltes Wissen unmittelbar anwenden. Sie erforschten Kupfer und Stahl mit künstlerischen Mitteln und arbeiteten kreativ mit den Materialien. Es gelang mit diesem Projekt aus Sicht der Projektpartner, zwei grundlegende Zielbereiche der Schule intensiv zu fördern:

  • Ausbildungsreife: Erwerb von Können und Wissen durch die Erprobung von Handwerk
  • Bildung: individuelle Persönlichkeitsentwicklung durch den freien Umgang mit dem Lernstoff

Praxisbeispiel 2

Kathleen Mattig, Direktorin der Dünwaldschule im thüringischen Hüpstedt, und Thomas Kümmel, Kulturagent für die Schulen im Netzwerk Mühlhausen stellten das Projekt "Rhythmusgefühle" vor.

Hüpstedt ist ein kleiner Ort mit ca. 1.500 Einwohnern im Nordwesten Thüringens. Die Kreisstadt Mühlhausen liegt 16 km entfernt. Die Dünwaldschule ist eine staatliche Gemeinschaftsschule, die an vier Tagen in der Woche Ganztagsangebote anbietet, wobei viel Wert auf ein "Kreislaufdenken" gelegt wird. Beispielsweise ist die "Schulgarten AG" mit der "AG Kochen mit Leib und Seele" verbunden. Die Klassenstärken liegen konstant bei 20 Schülerinnen und Schülern, ca. 75 Prozent der Schülerschaft ist in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv. Die Schulleiterin berichtete von der Entwicklung des Kulturfahrplans, den die Schule 2012 im Rahmen des "Modellprogramms Kulturagenten für kreative Schulen" zusammen mit Thomas Kümmel entwickelt hat.

Anstoß des vorgestellten Projekts war der Wunsch einer 10. Klasse an der Dünwaldschule: Die Schülerinnen und Schüler wollten Cajóns bauen und spielen lernen. Thomas Kümmel nahm daraufhin unter anderem Kontakt zum Mitteldeutschen Rundfunk auf, der mit seinem Jugend-Musik-Netzwerk CLARA den Schulen im Sendegebiet die Möglichkeit von Chor- und Orchesterbesuchen sowie musikalischen Workshops unterbreitet.

Das Projekt beschränkte sich nicht allein auf den Eigenbau der Instrumente. Die Projektklasse besuchte auch eine Probe des MDR Sinfonieorchesters im Leipziger Gewandhaus und beteiligte sich mit mehreren einstudierten Musikstücken auf ihren Cajóns an einem von CLARA veranstalteten multimedialen Konzert für Grundschülerinnen und -schüler in der Marienkirche in Mühlhausen. Aus einem Schülerwunsch heraus entstand auf diese Weise ein großes Kooperationsprojekt, welches Partner aus den Bundesländern Thüringen und Sachsen zusammenbrachte.

Akteure aus beiden Praxisbeispielen bestätigten, dass für die Umsetzung der Projekte die Schnittstellenarbeit der Kulturagentinnen und Kulturagenten in den regionalen Netzwerken sehr wichtig war. Es sind die Kulturagentinnen und Kulturagenten, die Kontakte herstellen und pflegen, Projektinhalte entwickeln und zur Umsetzung bringen. Gerade in Zusammenarbeit mit den Kulturbeauftragten stellen sie eine für die Schulen gewinnbringende personelle Ressource dar. Wichtig war auch der Einsatz des Kunstgeldes, ohne das die Projekte so nicht umsetzbar gewesen wären.

Dass es für erfolgreiche Kooperationen eines hohen Maßes an persönlichem und zeitlichem Engagement bedarf, bestätigt auch Johannes Kimstedt vom KUNSTRAUM Tosterglope in Niedersachsen, wo diese Arbeit ohne Anbindung an ein übergreifendes Programm geleistet werden muss.

Externer Input – KUNSTRAUM Tosterglope

Johannes Kimstedt, künstlerischer Leiter des KUNSTRAUM Tosterglope, stellte den Verein und seine Arbeit im ländlichen Raum von Niedersachsen vor. Niedersachsen nimmt zwar nicht am Kulturagentenprogramm teil, das Bundesland fördert aber intensiv Kunstund Kulturvereine, die in der kulturellen Bildung aktiv sind. In Tosterglope ist es erfolgreich gelungen, Schulen im ländlichen Raum für Kulturkooperationen zu öffnen, sie an Kulturvereine zu binden und mit dieser Arbeit weithin auszustrahlen. Eine wichtige Säule des Erfolgs, berichtet Kimstedt, sei die Öffentlichkeitsarbeit.

Der KUNSTRAUM setze auf permanente "Lebenszeichen": Auf unterschiedlichen Wegen würden ständig Informationen ausgesendet. Neben dem Versand von Einladungen, Bewerbungen und Anträgen gibt der KUNSTRAUM regelmäßig eine Zeitung heraus und setzt auf "ambulante Kunstvermittlung", indem er mit einem Container mobil Angebote vor Ort macht. So sei es gelungen, der Arbeit des Vereins eine regionale und bundesweite Sichtbarkeit zu verleihen. Seine Aktivitäten wurden im Jahr 2012 mit der Verleihung des BKM-Preises Kulturelle Bildung gekürt, was den KUNSTRAUM Tosterglope noch attraktiver für die Partner werden ließe.

Die Kultur- und Kunstvermittlung von KUNSTRAUM basiert auf der Grundannahme des Nichtkönnens. So wird die Freiheit im Denken und Handeln bewirkt: "Neues ist noch nicht gekonnt, sondern erfunden." Künstlerinnen und Künstler dürfen qua ihrer Profession alles, und das birgt eine große Chance. Sie werden als "Querverbinder" geschätzt. Derzeit gehen Akteure von KUNSTRAUM an zehn Schulen und führen im Durchschnitt vier Aktionen im Jahr durch.

Kimstedt berichtete, dass die Kunstschaffenden sich zunächst mit großen Bedenken konfrontiert sahen, dass sie nicht das nötige pädagogische Profil mitbringen würden. Seitens der Schulen befürchtete man eher Chaos als Chance. Daraufhin setzte man sich im KUNSTRAUM intensiv mit Lehrplänen auseinander und glich die künstlerischen Angebote mit den Curricula ab, startete obligatorische Unterrichtshospitationen und stieß den regelmäßigen Austausch mit der Schule an. Daraus ist eine vertrauensvolle, gute Zusammenarbeit erwachsen. Die kunstpädagogische Arbeit ist in vielen Schulen fest in den Schulbetrieb integriert.

Um die Mobilitätshürden zu umgehen, begeben sich die Künstlerinnen und Künstler mit ihren Angeboten an die Schulen. Andere Varianten, wie ständige Schulausflüge zum KUNSTRAUM nach Tosterglope, sind für Verein und Schule ineffizient, da der organisatorische und finanzielle Aufwand, den Klassenexkursionen mit sich bringen, um ein Vielfaches höher ist als der Besuch der Kunstschaffenden an den Schulen.

Die Impulse und Diskussionen im Workshop ließen sich in folgende Faktoren für Kooperationen im ländlichen Raum zusammenfassen:

Kulturverständnis und kulturelle Identität

Nach Auffassung der Workshopteilnehmenden wird in ländlichen Regionen die eigene Kultur oft gar nicht als solche wahrgenommen. In Munderkingen wird beispielsweise die Fastnacht, die eine große Bedeutung für die Bewohnerinnen und Bewohner des Ortes hat und die mit viel Engagement betrieben wird, nicht als Kultur bewertet. Das örtliche Kulturschaffen und die kulturelle Eigenlogik eines Ortes auf dem Land werden sehr selten wirklich selbstbewusst erfahren und ausgelebt.

Als Schlüssel zu einem selbstbewussten, selbstverständlichen Umgang mit der eigenen Kultur wird das Sensibilisieren der Einwohnerinnen und Einwohner für das regionale kulturelle Schaffen benannt. Hier scheint viel Potenzial verborgen zu liegen, das gegenwärtig noch nicht ausreichend genutzt wird. Schulen können dabei eine wichtige Funktion als regionaler Kulturort einnehmen. Sie sind etablierte zentrale Orte mit räumlichen und personellen Ressourcen und agieren in regionalen Netzwerken. Ein Zusammenspiel von Bildung und Regionskultur in der Schule bewirkt bei Kindern, Eltern und Schulvertretern das Ausprägen eines regionalen kulturellen Bewusstseins, wirkt also identitätsstiftend. Das Etablieren von Schulen als regionale Bildungs- und Kulturorte wäre demnach in vielerlei Hinsicht sinnvoll und gewinnbringend.

Die Erfahrungen der Workshopteilnehmenden ähneln sich dahingehend, dass Verantwortungsträger Neuerungen oft kritisch bis ängstlich gegenüberstehen. Ein anderer, neuer Blick auf die Gegebenheiten vor Ort könnte Konsequenzen nach sich ziehen, aus denen Forderungen an die Verantwortlichen erwachsen. In Munderkingen beispielsweise löste das Vorhaben von Schülerinnen und Schülern, eine öffentliche Fotoausstellung zum alten Schwimmbad zu organisieren, Bedenken dahingehend aus, dass dadurch Forderungen nach einem neuen Schwimmbad entstehen könnten. Diese Bedenken wurden durch die intensive Überzeugungsarbeit der Schulleitung auf den Ratsversammlungen beseitigt, sodass die Ausstellung umgesetzt werden konnte.

Die Kommunikation mit Entscheidungsträgern sollte also hoch angebunden geführt werden. Hier ist eine starke Schulleitung gefordert, da sie eine hohe Akzeptanz auch bei den regional Verantwortlichen hat. In Munderkingen hat sich in dieser Hinsicht einiges bewegt. Dies bestätigt auch Kathleen Mattig, die Schulleiterin der Dünwaldschule im thüringischen Hüpstedt. In beiden Schulen herrscht ein offenes Klima zwischen Schule und Verwaltung, was Ergebnis eines langjährigen bis heute andauernden Prozesses ist, der auf ständiger Kommunikation zu den regionalen Entscheidungsträgern beruht und diese in Arbeitsprozesse einbezieht. So wird neben der öffentlichen Präsentation von Projektergebnissen auch auf die frühzeitige Einbindung von Politik und Verwaltung großen Wert gelegt, insbesondere bei für die Öffentlichkeit relevanten Projektideen.

Bildungsverständnis und Schule

Im Workshop wurden während der Diskussion immer wieder das Bildungs- und Schulverständnis im ländlichen Raum thematisiert. So äußerten die Munderkinger, dass Schülerinnen und Schülern Raum gegeben werden sollte, um die befreiende Erfahrung zweckungebundenen Handelns machen zu können. Die Muße, frei zu einem Thema wie "Mathematische Systeme" philosophische Überlegungen anzustellen, sei wichtig für die Bildungsreife. In Projekten könne auf diese Weise die Freiheit des Lernens und des ganzheitlichen Denkens erfahren werden, wodurch auch naturwissenschaftliche und technische Fächer interessanter würden. Der Bildungsauftrag solle nicht mehr als halbtägliche, reine Wissensvermittlung verstanden werden. Die Schule als Bildungseinrichtung sollte sich also auch als Ort des Bildens und nicht nur des reinen Ausbildens verstehen. Sie sollte Bildungsprozesse bei Kindern und Jugendlichen anstoßen, die sie Dinge hinterfragen und Handeln reflektieren lassen.

Unter diesen Gesichtspunkten wurde die Diskussion im Lehrerkollegium in Munderkingen angestoßen, und sie wird auch weitergeführt. Ein zentrales Thema ist hierbei das Rollenverständnis, also die ständige Arbeit an der Haltung des Lehrpersonals gegenüber den Kindern und umgekehrt. Der Munderkinger Fach- und Klassenlehrer sieht seine Aufgabe in der "Inszenierung von Unterricht". Sein Ziel ist es, die Schülerinnen und Schüler dazu anzuregen, sich selbst mit dem zu vermittelnden Stoff auseinandersetzen zu wollen. Er möchte sie auf die Inhalte neugierig machen, für diese ihr Interesse wecken. Er versteht sich hier weniger als "Ausbilder", sondern eher als jemand, der den Kindern das "Sich-selbst-Bilden" ermöglicht. Im gesamten Diskussionsprozess wird darauf geachtet, die Eltern zu integrieren. Dieser lange und oftmals hartnäckige Prozess trägt nun Früchte, indem Offenheit und Veränderungswillen im Kollegium Einzug gehalten haben.

Die Frage, an welchem Punkt das Kulturagentenprogramm ansetzen könnte, um nachhaltig zu wirken, wurde ebenfalls behandelt. Als wichtig wurde angesehen, dass die durch das Programm erwachsenen Profile und Strukturen bestehen bleiben und weiter gefestigt werden. Das Zusammenspiel zwischen den schulexternen Kulturagentinnen und Kulturagenten als Schnittstelle nach außen und den Kulturbeauftragten in den Schulen hat zu einer Sensibilisierung für Kulturkooperationen im Schulkollegium und in vielen Fällen sogar für eine Implementierung in den Schulalltag gesorgt. Durch die Schnittstellenarbeit sind wichtige Partnernetzwerke in den Regionen angeschoben worden, die es weiter zu festigen gilt.

Der Impuls, dass Schulen bestimmte Voraussetzungen für die Teilnahme erfüllen sollten, wurde diskutiert. Dass eine bereits etablierte Kulturgruppe in der Schule ein Kriterium darstellen könnte, wurde eher kritisch betrachtet, da solche Strukturen von der Schulgröße abhängen. In kleinen ländlichen Schulen macht eine solche Gruppe wenig Sinn. Aus Sicht einiger Workshopteilnehmenden steht dem allerdings das Problem der geringen Offenheit gegenüber den externen Kulturpartnern an manchen Schulen entgegen. Die Kulturbeauftragten in den Schulen haben gerade zu Beginn oft einen schweren Stand im Kollegium, selbst dann, wenn Kooperationen von der Schulleitung erwünscht sind. Hier erscheint die Etablierung von Kulturgruppen an den Schulen mit breiter Einbindung des Kollegiums sinnvoll. Dies bedarf allerdings weitaus mehr Energie und Zeit. Es wurde auch die Sorge geäußert, dass das Erreichte nach dem Programm nicht gehalten werden könne, da die Strukturen nicht genug gefestigt werden konnten und damit eine Nachhaltigkeit nicht gewährleistet ist.

Struktur, Mobilität und Vernetzung

Die Verwaltungsstrukturen werden von den Akteuren im Workshop als großes Hindernis angesehen. Neben den begrenzten kommunalen Finanzhaushalten, die eine ausreichende Finanzierung der Projekte nicht zulasse, werden die durch den demografischen Wandel (Überalterung, Abwanderung …) und Strukturumstellungen (Gebietsreformen …) nötigen Veränderungen auf vielen Funktionsebenen nicht erkannt. Kooperationsprojekte (wie etwa "Rhythmusgefühle", das in Sachsen und Thüringen stattfand) sollten über Administrationsgrenzen hinweg funktionieren können. Ein Fehlen von Schnittstellen zwischen Verwaltungs- und Ausführungsinstanzen wird bemängelt.

Natürlich wurde die unzureichende verkehrstechnische Anbindung im ländlichen Raum als großes Defizit benannt. Fast jedes Angebot auf dem Land ist mit teils sehr langen Fahrtwegen verbunden. Im Durchschnitt müssen für die weiteste Anreise 45 Kilometer in Kauf genommen werden. Als problematisch wurden zum einen die unzureichende Erstattung von Fahrtkosten und zum anderen die unflexiblen Fahrpläne der regionalen Verkehrsbetriebe geschildert. Projekte, die Mobilität erfordern, sind in den seltensten Fällen an vorgegebene Buszeiten koppelbar. Das bedeutet, dass derzeit sehr viel durch das Engagement der Eltern kompensiert werden muss. Sie beteiligen sich, wie in Munderkingen, an den Fahrtkosten oder bilden, wie in Hüpstedt, Fahrgemeinschaften für den Transport der Kinder. Bis zu einem bestimmten Punkt wird dies von den Teilnehmenden im Workshop als machbar erachtet. Allerdings sollte hier dringend nach anderen Wegen gesucht werden.

Lösbar erscheint dies derzeit nur über eine intensive Netzwerkarbeit vor Ort. Johannes Kimstedt regt an, die Verkehrsunternehmen direkt anzusprechen. Oft könnten Preise und Zeiten für besondere Projekte verhandelt werden. Ein weiterer Impuls sei, das Mobilitätsthema als Projektthema zu verstehen. So könnte man auch die regionalen Verkehrsunternehmen einbinden, im Rahmen des Projekts nach Alternativen suchen und tragfähige Mobilitätsnetzwerke aufbauen. Überhaupt kann es hilfreich sein, Problemlagen als Projektthemen zu definieren. Verschiedene Projektideen werden dazu im Workshop diskutiert, wie die Initiierung eines mobilen Kinder- und Jugendtheaters, welches von Schülerinnen und Schülern sowie Gemeinden bespielt wird. In Anlehnung an das Projekt "held/in dorf"1 in Vorpommern könnte man kleine Orte und deren Akteure vorstellen und durch "Kulturbusse" und Kunstaktionen verbinden.

Die Workshopteilnehmenden schilderten, dass Netzwerken im ländlichen Raum bedeute, jeden Akteur als potenziellen Partner zu begreifen und an allen nur denkbaren Stellen Handlungsräume zu erkennen. Der direkte Draht zu Entscheidungsträgern und Partnern sei dabei ein Vorteil. Gespräche mit dem Bürgermeister seien unkompliziert möglich. Es sollte der ländliche Raum deswegen nicht nur mit der Herausforderung der großen Entfernungen assoziiert werden, sondern auch mit der Chance der kurzen Wege. Auf die Frage: "Keine Kunst, nirgends?" antworteten die Workshopteilnehmenden also: "Kunst, überall!". Es ist hierzu wichtig, den eigenen Blick zu weiten, genau hinzusehen und das Umfeld am Vorhandenen teilhaben zu lassen. Dies setzt gerade in ländlichen, von weiten Entfernungen geprägten Regionen viel Zeit und Überzeugungskraft voraus, kann dann aber wirkungsvoll und erfolgreich sein. Es bedarf dazu einer verlässlichen und langfristigen Förderung und Unterstützung.

Indem Programme wie "Kulturagenten für kreative Schulen" über die konkrete Projektförderung hinausgehen und darauf zielen, auf die Regionen abgestimmte Strukturen zu schaffen, können sie Motoren für die Entwicklung von nachhaltig wirksamen Bildungslandschaften sein. Durch den ermöglichten Einsatz der personellen und zeitlichen Ressourcen werden Brücken geschlagen – zwischen den Partnern vor Ort, in den Ballungszentren und nicht zuletzt in den Orten und Einrichtungen selbst. Diese Prozesse anzustoßen und durch konkrete Projektarbeit mit Leben zu füllen, ist auch bzw. gerade für den ländlichen Raum unbedingt notwendig. Dass dies funktioniert, haben die beiden Projektbeispiele im Workshop deutlich gemacht. Sie haben aber auch gezeigt, dass es ein langer Weg ist, der ohne die Möglichkeiten des Modellprogramms kaum realisierbar gewesen wäre.

1 "held/in dorf" ist ein Projekt im Rahmen von "Region in Aktion – Kommunikation im ländlichen Raum". Siehe www.laendlicher-raum.info/region-fahrenwalde [11.7.2014].