Kristin Haug
Erfurt: So hallt es nach
Kristin Haug

Erfurt: So hallt es nach

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Lehrer haben kaum noch Zeit, sich neben dem Unterricht für kulturelle Projekte stark zu machen. Doch Kulturagentin Uta Schunk versucht, kreative Workshops an einen ausgefüllten Lehreralltag anzupassen und verrät, worauf es ankommt, wenn man Künstler engagiert.

Auf Uta Pirks Schreibtisch liegen zwei dicke Aktenordner. Darin hat sie Aufzeichnungen über Schülerinnen und Schüler, Protokolle, Anträge und Formulare in Klarsichtfolien abgeheftet. "Als Klassenlehrerin hat man sehr viel zu tun", sagt sie. "Gespräche mit Eltern und Psychotherapeuten organisieren, führen und auswerten. Förderpläne aufstellen. Mit Mitarbeitern des Gesundheitsamts reden." Die Arbeit des Lehrers gehe mittlerweile weit über den Unterricht hinaus. Zeit hat die Sport- und Biologielehrerin der Staatlichen Kooperativen Gesamtschule "Am Schwemmbach" in Erfurt kaum für zusätzliche Projekte.

An einem Montag im Juli, kurz bevor die Sommerferien in Thüringen beginnen, sitzt sie in einem Klassenraum voller Schülerinnen. Pirk passt auf und schaut zu, wie die Mädchen Kostüme entwerfen. Mit Bleistiften, Buntstiften und Wachsmalstiften zeichnen sie Kleider und Umhänge aufs Papier. "Es ist das erste Kulturagenten-Projekt, in das ich involviert bin", sagt die Lehrerin. Eine Woche ist der mobile Kinder- und Jugendzirkus Tasifan aus Weimar zu Gast an der Schule und mit ihm zahlreiche Theater- und Zirkuspädagogen sowie Artisten und Musiker. Sie bieten Jonglage-, Trapez-, Musik- und Clownerie-Workshops an. Es sei schön, Zeit für solche Projekte zu haben, sagt Uta Pirk. Es entlaste auch, wenn jemand wüsste, wie man die finanziellen Mittel dafür beantrage.

Um die Finanzen kümmert sich Kulturagentin Uta Schunk. Noch. Sie setzt sich dafür ein, dass die Lehrer herausfinden, wo man welche Fördermittel beantragen kann und dass sie diese Anträge dann auch selbst stellen können. In zwei Jahren läuft das Kulturagentenprogramm aus, bis dahin wäre es gut, wenn sich die Lehrer im Antrags-Dschungel besser zurecht fänden.

Schunk ist selbst Lehrerin. Sie weiß, wie die Arbeit in den Strukturen einer Schule abläuft. Kulturagentin sei sie geworden, um einen neuen Weg zu gehen. Die Arbeit habe Ecken und Kanten, aber das sei es wert. "Ich mache Erfahrungen, die ich nie wieder bekomme."

Kunst mit alternativen Lernformen verknüpfen

An der Schule hat Schunk bereits Unterstützer gefunden. "Ich habe hier schon einen festen Kern und Leute, die mich mit offenen Armen empfangen", sagt sie. Doch manchmal sei es eine Herausforderung, Kontakt zu Lehrern aufzubauen. Viele hätten einfach zu viel zu tun. Die Schule sei sehr groß und alle Lehrer in vier Jahren zu erreichen, das sei schwer. Am Anfang hat Schunk geschaut, welche künstlerischen Projekte bereits an den Schulen stattgefunden haben. Dann hat sie sich gefragt, was man verbessern und wie man Kunst auch mit alternativen Lernformen verknüpfen kann.

Künstlerische Projekte seien etwas für die Freizeit, aber nicht für den Unterricht – diese Meinung hätten einige Lehrer. Doch die Kulturagentin versucht, sich Schritt für Schritt anzunähern und Projekte an den Unterricht anzugliedern. Die Schule öffne sich bereits, doch Projekte könnten meist nur in Blockform stattfinden, in einer Woche etwa, nicht aber ein halbes oder ganzes Schuljahr fortlaufend.

Schunk ergänzt die Angebote des Zirkus Tasifan, der schon seit Jahren mit der Schule kooperiert, im Sinne der bildenden Kunst um den künstlerischen Aspekt. Sie war es auch, die die Idee zu einem  Maskenbild- und Kostüm-Workshop hatte, in dem auch Lehrerin Uta Pirk mitwirkt.

Für den Kostüm-Workshop hat Schunk Kontakt zur Imago-Kunstschule hergestellt. Von ihr ist Annemarie Buch für die Projektwoche an die KGS gekommen. "Lasst eurer Phantasie freien Lauf", sagt die junge Modedesignerin zu den Schülerinnen. Zuerst lässt sie die Kinder Entwürfe aufs Papier zeichnen, dann können sie in knalligen Farben auf schwarzen Stoff malen. Und am Ende werden sie den Stoff zu Kleidern knoten. "So kann man das Kostüm leicht verändern, wenn der Knoten nicht an der richtigen Stelle sitzt", sagt Buch. Ziel sei es, zwölf Kostüme zu schaffen, die die Kinder im Zirkuszelt vorführen können.

Eine Herausforderung, gute Künstler zu finden

"Man muss sich immer von der Gruppe leiten lassen", sagt Buch. "Ich muss schauen, wo die Kinder stehen, wie ich sie motivieren kann." Einen festen Fahrplan bei der kreativen Arbeit mit Kindern gebe es nie, umso wichtiger sei es, offen zu sein. "Wenn die Schüler schneller mit ihren Kostümen fertig werden, dann können sie noch Accessoires gestalten, sagt Buch. Aber man müsse auch darauf reagieren können, wenn Kinder mehr Zeit bräuchten.

Es sei nicht immer einfach, geeignete Künstler zu finden, sagt Kulturagentin Schunk. "Es geht mir nicht darum, dass Künstler bekannt sind, sondern sie müssen mir genau zeigen, was sie wie umsetzen wollen." Aus diesem Grund trifft sie sich vorher mit ihnen, redet mit den Künstlern, lässt sich ihre Arbeiten vorführen und erklären. Sie will Künstler an die Schulen bringen, die sich "richtig auf die Schüler einlassen und ein Kind sensibel zur Kunst bewegen können". Auch das will sie den Lehrern mitgeben, das Wissen darum, wie sie gute Künstler auswählen können.

Fotos: Kristin Haug

"Man vergisst oft, worauf es ankommt, und zwar dass wir am Morgen gern die Schule betreten", sagt Schunk. Sie will dieses Gefühl zurück an die Lernorte bringen. "Ich mache das, indem ich kommuniziere und auch mitmache." Die Lehrer der KGS danken es ihr. Auch Lehrerin Uta Pirk sagt, die Kulturagentin sei ein echter Gewinn für die Schule. Es gebe ja viel Administratives, das die Lehrer davor zurückhalten lasse, sich für neue Projekte zu bewerben. Aber Schunk habe die Angst vor bürokratischen Antragshürden abgebaut. 

Für die Kulturagentin sei Nachhaltigkeit neben gefestigten Kooperationen, offen miteinander umzugehen. "Nicht nur das künstlerische Resultat, das in der Schule präsentiert wird, ist wichtig, sondern ebenso der menschliche und Umgang miteinander."