Birgit Mandel
Kulturagenten für kreative Kulturinstitutionen?
Birgit Mandel

Kulturagenten für kreative Kulturinstitutionen?

Über Veränderungsprozesse in Kultureinrichtungen und die Rolle von Kulturagenten

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Kooperationsprojekt des Thomas-Mann-Gymansiums und der Bettina-von-Arnim-Schule, Berlin, mit dem Bode-Museum
Foto: Sigrid Otto

"Kulturagenten für kreative Schulen" – so wurde die Mission des Modellprogramms zur Implementierung einer neuen Funktion von Kulturvermittlung von ihren Erfindern auf den Punkt gebracht. Dass Schulen in Deutschland sich verändern müssen, um mehr Chancengerechtigkeit, mehr positive Identifikation mit Schule nicht nur als Lern-, sondern auch als Bildungs- und Kulturort mit hoher Lebensqualität und Anregungspotenzial zu schaffen, ist inzwischen Common Sense. Kulturagentinnen und Kulturagenten sollen also dazu beitragen, Schule zu einem stärker kulturell und künstlerisch geprägten Ort zu machen ebenso wie chancengerechte und vielfältige Möglichkeiten für kulturelle Selbstbildungsprozesse bereitzustellen. Dass Schule in Deutschland angesichts der immer wieder festgestellten Chancenungleichheit und der vor allem durch Migration bedingten zunehmend interkulturellen Schülerschaft unter großem Druck steht, sich zu verändern, und dass dafür unter anderem kulturelle Bildung ein positiver Entwicklungsfaktor sein kann, wird weithin anerkannt.

Inwiefern können Kulturagentinnen und Kulturagenten jedoch dazu beitragen, dass sich nicht nur Schulen, sondern auch Kultureinrichtungen durch Kooperationsbeziehungen weiterentwickeln?

Deutschland gehört weltweit zu den Ländern mit der höchsten öffentlichen Kulturförderung und der größten Dichte an kulturellen Einrichtungen, was auch damit begründet wird, dass diese unverzichtbar für die Bildung in unserer Gesellschaft seien. Dennoch ist der Zugang zu den öffentlich geförderten Kulturangeboten, so unter anderem die Ergebnisse des Jugendkulturbarometers1, vorwiegend und zunehmend ein Privileg von Kindern aus Akademikerfamilien. Die Mehrheit der jungen Menschen, die im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie zum interkulturellen Audience Development2 befragt wurden, vermuten, dass Kulturveranstaltungen wie in Museen oder Theatern langweilig seien und nichts mit ihnen und ihrem Leben zu tun hätten. Sie seien "eher was für alte Leute im Pelzmantel", so die Aussage eines Jugendlichen.3 Die Wertschätzung klassischer Kultureinrichtungen nimmt bei nachwachsenden Generationen in einer unter anderem durch Migration und Digitalisierung stark veränderten Gesellschaft ab. Insofern stehen Kultureinrichtungen ebenso wie Schulen unter beträchtlichem Veränderungsdruck.

Ein Ziel des Kulturagentenprogramms besteht darin, andauernde Kooperationen zwischen Schulen und Kulturinstitutionen anzustiften, die für beide Seiten neue Perspektiven eröffnen können.

Kulturagentinnen und Kulturagenten als "Entwicklungshelfer" für Kulturinstitutionen?

Das Aufgabenspektrum der Kulturagenten ist sehr weit gesteckt, dazu gehören die Konzeption und die Durchführung kultureller Projekte: von Schulfesten über Projektwochen bis zu Angeboten für den Nachmittagsunterricht, wie die Vermittlung von Besuchen kultureller Einrichtungen oder auch die Beratung zum Einsatz ästhetischer und künstlerischer Strategien in der Unterrichtsgestaltung. Für die Institution Schule besteht der Wert der Kulturagentinnen und Kulturagenten also sowohl in der professionellen Unterstützung des kulturellen Schullebens wie auch in Impulsen zur Schulentwicklung mit künstlerischen und kulturellen Mitteln, um die eigene Schule zu profilieren, den Unterricht zu verbessern und das schulische Leben für alle anregender und sinnvoller zu gestalten. Für die Schülerinnen und Schüler werden so vielfältige Möglichkeiten für ästhetische und künstlerische Erfahrungen beziehungsweise Selbstbildungsprozesse geschaffen.

Auch für Kultureinrichtungen bieten Kulturagentinnen und Kulturagenten zunächst einmal wertvolle Unterstützung im Bereich des Audience Development. Wo diese selbst oft nicht weiterkommen, weil sie an Schulen keine Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner haben, nehmen ihnen Kulturagentinnen und Kulturagenten Arbeit ab. Diese wissen, welche Rahmenbedingungen Lehrkräfte brauchen, um Kulturbesuche ebenso wie Workshops mit Kulturschaffenden in die Schulstrukturen einbauen zu können, und welche Stoffe und Themen in die jeweiligen Curricula passen.

Mehr noch verfügen Kulturagentinnen und Kulturagenten über Insiderwissen darüber, welche Themen eine Schule, Lehrkräfte und Schülerschaft gerade bewegen, welche kulturellen Interessen, welche Vorstellungsbilder und auch Vorurteile sie gegenüber bestimmten Kultureinrichtungen haben. Denn in der Regel wissen Kultureinrichtungen wenig über die Realität von Schule und Schülerschaft, und sie wissen wenig darüber, was nachwachsende Generationen aus unterschiedlichen sozialen Milieus bewegt, was sie kulturell interessiert. Kulturagentinnen und Kulturagenten ermöglichen den Kultureinrichtungen also Kontakte in ein System mit ganz anderen Strukturen und Perspektiven auf die Welt, eine Welt, in der eine zentrale Zielgruppe der Kulturinstitutionen ­– "das Publikum von morgen" ­– einen Großteil ihres Alltagslebens verbringt.

Tatsächlich geht es aber um mehr als die Gewinnung eines neuen Publikums. Ein immer wieder genanntes Argument für Kooperationsbeziehungen zu Schulen besteht in der gesellschaftlichen und sozialen Verantwortung öffentlich geförderter Kultureinrichtungen. "Müssen Kultureinrichtungen tatsächlich auch noch Bildungs- und Sozialarbeit betreiben?", so fragen sich viele Intendantinnen und Intendanten sowie Direktorinnen und Direktoren von Kultureinrichtungen. Reicht es nicht, wenn sie hochwertige Kunst produzieren und kulturelles Erbe bewahren und beforschen? Schon werden Stimmen laut, die ein Ende der "kulturellen Bildungsansprüche" an Kulturinstitutionen fordern, damit sich diese auf ihre zentralen Aufgaben besinnen können.4

Rückzug also auf den Musentempel? Das wäre eine fatale Konsequenz der etwas überstrapazierten Forderungen in den letzten Jahren nach mehr kulturellen Bildungsprojekten.

Zwar wurde viel über die große Bedeutung der kulturellen Bildung für die Gesellschaft geredet, zwar wurde eine Fülle von Modellprojekten aufgelegt, strukturell verändert hat sich in den Institutionen jedoch nicht viel. Noch immer ist der Stellenwert der Abteilungen für Kulturvermittlung und kulturelle Bildung in Personalausstattung, Budget und Einfluss auf Programme äußerst gering. Noch immer werden Programmatik und Programme in Kulturinstitutionen weitgehend ohne Einbezug der Ideen und Interessen neuer, potenzieller Nutzergruppen geplant.

Weiterführend für die Debatte über die Notwendigkeit von Kooperationen mit Bildungseinrichtungen könnte ein Perspektivwechsel sein: Nicht die Schülerinnen und Schüler brauchen unbedingt Angebote von Kulturinstitutionen, um sich weiterzuentwickeln, sondern die Kulturinstitutionen brauchen den Kontakt und die Auseinandersetzung mit nachwachsenden Generationen, die sie vor allem über Schule als Vermittler erreichen können.

Im Juni 2014 verfasste Burkhard Kosminiski, Intendant des Nationaltheaters Mannheim, im Spiegel unter dem Titel "Die Kultur erlebt einen Bedeutungsschwund in erschreckendem Ausmaß" einen dramatischen Appell an die Kultur- und Bildungspolitik und forderte sie auf, gemeinsam gegen die Gefahr von Theaterschließungen anzukämpfen.5 Tatsächlich ist die Sorge vieler Theaterintendanten berechtigt, dass im Zuge geforderter Sparprogramme zur "Schuldenbremse" einige Theater vor allem in kleineren Kommunen zur Disposition stehen. Theater beanspruchen in der Regel fast 80 Prozent des öffentlichen Etats einer Stadt, werden aber keineswegs von der Bevölkerung in ihrer Gesamtheit als zentraler Kulturort genutzt. Empirische Studien zeigen immer wieder, dass das Publikum der klassischen Kultureinrichtungen sich auf ein kleines, in der Regel hochgebildetes und gut situiertes Klientel von maximal zehn Prozent der Bevölkerung beschränkt.

Kultur in Form von Theatern, Museen, Konzerthäusern seien Lebensmittel und unverzichtbar für die Gesellschaft, so wird immer wieder von Kulturschaffenden, Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitikern proklamiert, auf ihnen basiere unsere Zukunftsfähigkeit. Warum das so ist, dürfte sich jedoch für viele Menschen nicht erschließen.

Hier helfen weniger Appelle an die Politik, die Förderung von Kunstinstitutionen als Pflichtaufgabe festzuschreiben, als viel mehr Anstrengungen, einen Ort wie das Theater tatsächlich für viele Menschen einer Stadt unterschiedlicher Milieus und Herkunft zu einem wertvollen und unverzichtbaren Bestandteil ihres sozialen und gesellschaftlichen Lebens zu machen. Öffentliche Kultureinrichtungen insgesamt und Theater als besonders kostspielige Institutionen stehen vor der dringenden Herausforderung, zu attraktiven und relevanten Orten für verschiedene Gruppen zu werden, neue Publikumsgruppen und neue Akteure zu gewinnen. Dafür müssen sie sich verändern, und dies kann ihnen nur in engem Kontakt und in Auseinandersetzung mit neuen Nutzergruppen gelingen.

Kooperationen mit Schulen dienen also nicht nur dem Ziel, Besucherzahlen zu erhöhen, sondern sie sind elementar, um mit Menschen in Kontakt zu kommen, mit denen Kultureinrichtungen andernfalls wenig Berührungspunkte haben. Dabei geht es nicht nur darum, das Publikum von morgen kennenzulernen, sondern Programme, Programmatik, Strukturen, Personal gemeinsam mit neuen, diversen Nutzerinnen und Nutzern weiterzuentwickeln, um zukunftsfähig zu bleiben.

Kulturelle Bildung ist dabei als ein beiderseitiger Prozess zu verstehen: Schülerinnen und Schüler machen neue ästhetische und kulturelle Erfahrungen in Auseinandersetzung mit Kulturinstitutionen, ihren künstlerischen Produktionen und den dort arbeitenden Menschen, und auch die Kultureinrichtungen machen neue Erfahrungen, wenn sie mit Menschen jenseits des Kulturbetriebssystems und des Stammpublikums zusammenarbeiten.

Voraussetzungen für produktive Erfahrungen von Kultureinrichtungen in Kooperationsbeziehungen mit Schulen

Unter welchen Bedingungen können Kulturagentinnen und Kulturagenten über ihre Rolle als Prozessbegleitung bei Kooperationen und Projekten hinaus zu "Entwicklungshelferinnen und -helfern" für Veränderungen in Kultureinrichtungen werden? Damit solche Kooperationen tatsächlich Anstöße für Weiterentwicklung geben können, sind vor allem drei Bedingungen notwendig. Das zeigen Erfahrungen aus verschiedenen Projekten, unter anderem die wissenschaftliche Begleitung eines Modellprojekts, in dem unterschiedliche interkulturelle, partizipative Projekte zwischen klassischen Kultureinrichtungen und neuen Nutzergruppen aus unterschiedlichen Milieus auf ihre Wirkungen hin untersucht wurden:6

  1. Die Kooperationsprojekte müssen viel Raum für aktive Beteiligung der Schülerinnen und Schüler bieten. Nur wenn diese ihre Perspektiven, ihre Gestaltungsideen, ihre Themen in die verschiedenen Bereiche des Projekts einbringen können, lassen sich auch für die Kulturinstitutionen neue Impulse gewinnen.
  1. Kooperationen mit Schulen dürfen nicht ausschließlich an die Abteilung für kulturelle Bildung beziehungsweise die Theater-, Museums- oder Konzertpädagogik delegiert werden, sondern müssen alle, vor allem auch die künstlerischen, Bereiche einer Kulturinstitution berühren. Nur dann, wenn auch die Zuständigen für PR, Marketing und Service mit den neuen Kooperationspartnern zusammenarbeiten, können sie daraus Anregungen für ihre Tätigkeit ziehen. Wenn auch Dramaturginnen und Dramaturgen, Regisseurinnen und Regisseure sowie Kuratorinnen und Kuratoren in die Projekte eingebunden sind und diese auch unter künstlerischen Qualitätsaspekten als anregend, innovativ und "erfolgreich" angesehen werden, gibt es Auswirkungen auf die gesamte Institution.
  1. Die Zusammenarbeit mit jungen Menschen unterschiedlicher Herkunft sowie mit Schulen als Institution und die daraus resultierenden Veränderungen müssen Bestandteil des institutionellen Selbstverständnisses werden. Nur dann werden solche Projekte nicht mehr als zusätzlich zu leistende Bildungs- und Sozialarbeit an die Abteilungen der kulturellen Bildung delegiert, sondern gehören zur Kernaufgabe.

Inwiefern können Kulturagentinnen und Kulturagenten hier für die Einrichtungen einen Mehrwert bieten? Anders als die angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sie nicht im Auftrag und gemäß den Zielen einer Kulturinstitution handeln. Sie können aus der Außenperspektive sehr viel genauer sehen, welches Potenzial eine Kultureinrichtung hat, welche Themen, welche Räume, welche künstlerischen Ansätze für junge Menschen attraktiv sein können. Darüber hinaus können Kulturagentinnen und Kulturagenten durch ihre Netzwerke die Institutionen auch mit Kunstschaffenden oder Gruppen der freien Szene verbinden ebenso wie mit Einrichtungen der außerschulischen kulturellen Bildung.

Entscheidend für ihre Anerkennung ist, dass Kulturagentinnen und Kulturagenten selbst über künstlerische Kompetenz verfügen und Projekte nicht nur unter Bildungsaspekten mitgestalten und beurteilen, sondern auch in Bezug auf ihre künstlerische Qualität.

Rollenvielfalt der Kulturagentinnen und Kulturagenten - eine Überforderung?

Kulturagentinnen und Kulturagenten sind ihrem breiten Aufgabenspektrum gemäß Netzwerker, Vermittler, Pädagogen, Kuratoren, Künstler, Eventmanager, Fundraiser, Unternehmensberater, Change Manager, mit je unterschiedlichen Schwerpunkten, je nach Erfahrung und Ausbildungshintergrund. Voraussetzungen für ihre Tätigkeit sind eigene künstlerische Kompetenz, Fachwissen über Kunst und Kultur, Wissen über Kultureinrichtungen ebenso wie Wissen und Erfahrungen schulischer Kontexte, pädagogische Kompetenz ebenso wie Management-, Moderations- und Vermittlungskompetenz.

Die Überfrachtung der Rolle einer Kulturagentin/eines Kulturagenten mit zu vielen Aufgaben und Zielen droht diese einerseits zu überfordern und ist dementsprechend auch ein Kritikpunkt gegenüber dem Programm. Andererseits liegt in dieser Vielfalt an möglichen Aufgaben aber auch die Chance für ganz unterschiedliche individuelle Ausformungen und Entwicklungen dieser Rolle, je nach Bedarf des spezifischen Umfelds und der jeweils aktuellen Herausforderungen. Sicherlich wird keiner der Kulturagentinnen und Kulturagenten in allen Bereichen gleich gut sein können: Während einige ihren Schwerpunkt darauf legen, selbst Projekte und neue Formate von Kulturvermittlung zu konzipieren und durchzuführen, und sich gerade darüber Anerkennung und Wertschätzung verschafft haben, fokussieren sich andere auf Vernetzungs-, Moderations- und Beratungsaufgaben. In Breite und Vielfalt des Aufgabenspektrums liegt auch die Chance für jeden Einzelnen, größtmöglichen Handlungsspielraum zu nutzen und eigene Akzente setzen zu können.

Man könnte dem Kulturagentenprogramm vorwerfen, nur ein neues, prestigeträchtiges Label für längst von anderen Stellen geleistete kulturelle Vernetzungsaufgaben in kommunalen Bildungslandschaften geschaffen zu haben. Sicherlich gibt es inzwischen in vielen Kommunen und Ländern Stellen, die sich darum kümmern, außerschulische (Jugend-)Kultureinrichtungen und freie Kunstschaffende mit Schulen zu vernetzen. Das besondere Merkmal der Kulturagentinnen und Kulturagenten besteht jedoch darin, dass sie an den Schulen angesiedelt und damit ganz nah dran sind: Mehr als andere Institutionen ist Schule ein Spiegel der Gesellschaft, weil hier Menschen verschiedener sozialer und kultureller Herkunft aufeinandertreffen.

Auch der Einwand, man könne, statt Kulturagentinnen und Kulturagenten einzustellen, die bereits jetzt in vielen Schulen mit kulturellen Aufgaben betrauten Lehrkräfte nutzen, greift zu kurz. Zum einen zeigt sich, dass die Stundenermäßigung der kulturbeauftragten Lehrkräfte viel zu gering ist, um die vielfältigen kulturmanagerialen und Kultur gestaltenden Aufgaben leisten zu können. Mehr noch besteht das Problem, dass Lehrkräfte im System Schule sozialisiert und Teil dieses Systems sind und ihr Einsatz stark von der Eigenlogik und den Zwängen der Schule geprägt ist. Zudem kennen sie die Ansprüche und Qualitätskriterien von Kulturinstitutionen und anderen Kulturpartnern zu wenig.

Andere argumentieren, für die Aufgabe einer Kulturagentin/eines Kulturagenten gäbe es ja bereits die in den Kulturinstitutionen angestellten Theater-, Museums- oder Konzertpädagoginnen und -pädagogen. Dass die Kulturagentinnen und Kulturagenten gerade nicht in Kulturinstitutionen arbeiten, sondern stattdessen nah an neu zu erreichenden Zielgruppen, bietet den Vorteil eines unabhängigeren Blicks darauf, was Kultureinrichtungen für verschiedene junge Menschen zu bieten haben. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass sie sich in den aktuell noch sehr hierarchisch organisierten Kultursystemen nicht unten einordnen müssen, sondern als autonome Partnerinnen und Partner über die Ausgestaltung von Projekten verhandeln können.

Kritisiert wird schließlich, dass es sich hier nur um ein weiteres Modellprojekt von sehr eingeschränkter Wirkung handele. Wenn man bedenkt, dass es in Deutschland 36.000 Schulen gibt, dann sind die mit dem Projekt erreichten knapp 140 Schulen tatsächlich ein Tropfen auf den heißen Stein. Umso wichtiger ist es, dieses Projekt zu verstetigen. Denn anders als bei anderen Modellprojekten wurde hier in die Etablierung einer neuen Kulturvermittlungs-"Profession" investiert, die langfristig dazu beitragen soll, Strukturen in Schule und Kultureinrichtungen zu verändern.

Zwischen den Systemen vermitteln: Mehrwert von Kulturagenten

Worin liegt nun der Mehrwert dieser Kulturvermittlerfunktion? Er besteht aus meiner Sicht genau im "Dazwischen". Kulturagentinnen und Kulturagenten sind angesiedelt zwischen Kulturmanager (Vernetzen, Organisieren, Coachen, Führen, Fäden zusammenhalten), Kulturpädagoge (kulturelle Selbstbildungsprozesse anregen) und Kunstschaffendem (eigene Projekte entwickeln, künstlerische Strategien einbringen). Sie stehen zwischen Schule und Kulturinstitutionen. Sie sind weder an Weisungen einer Schulleitung noch der Leitung einer Kultureinrichtung gebunden und können diesen auf Augenhöhe begegnen.

Obwohl sie keinem System direkt verpflichtet sind, kennen sie beide Systeme von innen heraus in ihrer jeweiligen Handlungslogik. Sie können zwischen den verschiedenen Perspektiven und Sprachen "übersetzen" und dadurch, dass sie nicht im Interesse einer einzelnen Institution handeln, können sie zwischen den verschiedenen Interessen moderieren. Durch ihre Position im Dazwischen können sie Abstand gewinnen, der ihnen hilft, zu beraten und neue Lösungen zu finden.

Mit dem Profil der Kulturagentin/des Kulturagenten wurde also eine spezifische Professionalität als Schnittstellenmanager entwickelt, der zwischen verschiedenen Akteuren Kooperationen anstiftet mit Strategien des Kulturmanagements, der Kulturvermittlung, der Kulturpädagogik und der Künste. Im besten Falle kommen einige Bundesländer im Schulterschluss von Bildungs- und Kulturpolitik zu dem Ergebnis, dass die besondere Schnittstellenkompetenz der Kulturagentinnen und Kulturagenten so wertvoll ist, dass sie solche Positionen für möglichst viele Schulen zur Verfügung stellen – wenn auch möglicherweise unter einem anderen Begriff.

Dabei spielen Finanzierungsfragen erwartungsgemäß eine große Rolle. Bereits heute fließt sehr viel Geld in den Bildungs- wie in den Kultursektor, ohne dass es zu weitreichenden Synergieeffekten zwischen diesen kommt. Es geht also nicht zwingend um mehr Geld, sondern um eine andere Verteilung durch andere Prioritätensetzung. Es braucht "professionelle Kümmerer", um die verschiedenen Projekte und Partner der kulturellen Bildung sinnvoll zu koordinieren. Kulturagentinnen und Kulturagenten füllen eine Leerstelle aus; sie steigen dort ein, wo Kapazitäten fehlen.

Studiengänge und Fortbildungen für Kulturvermittlung, in denen solche kulturmanagerialen, künstlerisch-ästhetischen, kulturellen und kulturvermittelnden Kompetenzen mit je unterschiedlichem Schwerpunkt ausgebildet werden, gibt es inzwischen einige; auch an den Kunsthochschulen gibt es erste Ansätze, die künstlerische Ausbildung durch Seminare zu erweitern, die für die Themen Kulturvermittlung und kulturelle Bildung sensibilisieren ­– qualifizierte Absolventinnen und Absolventen für eine solche komplexe Funktion sind also vorhanden.

Der Reichtum der öffentlichen Kulturlandschaft in Deutschland wird nur zu halten sein, wenn diese Einrichtungen für ganz unterschiedliche Bevölkerungsgruppen attraktiv und relevant sind, das heißt, Kultureinrichtungen müssen sich verändern in konstruktiver Auseinandersetzung mit neuen Nutzern. Kooperationsbeziehungen mit Schulen kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, denn Schule ist der einzige Ort, über den junge Menschen ganz verschiedener sozialer Milieus und Herkunft erreichbar sind. Um diese so produktiv zu gestalten, dass es nicht nur mehr Kooperationen gibt, sondern die Qualität allen Beteiligten aus Bildungs- und Kultureinrichtungen wertvolle neue Perspektiven eröffnet, braucht es professionelle Schnittstellenmanagerinnen und -manager.

1 Zentrum für Kulturforschung/Keuchel, Susanne; Larue, Dominic: Das 2. Jugend-KulturBarometer. "Zwischen Xavier Naidoo und Stefan Raab …", Köln 2012.

2 Mandel, Birgit: Interkulturelles Audience Development. Zukunftsstrategien für öffentlich geförderte Kultureinrichtungen, Bielefeld 2013.

3 Ebd.

4 Vgl. Zimmermann, Olaf: "Amputation", in: politik und kultur, 06/2014, S. 1.

5 Vgl. Offener Brief von Burkhard C. Kosminski: "Die Kultur erlebt einen Bedeutungsschwund in erschreckendem Ausmaß", in: Spiegel online vom 11.06.2014, online: www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/offener-brief-von-burkhard-c-kosminski-soldaritaetszuschlag-fuer-kultur-a-974465.html [19.02.2015].

6 Mandel, B., a. a. O.