Andreas Knoke
Es bedarf einer guten Idee
Andreas Knoke

Es bedarf einer guten Idee

Die man besser gemeinsam als allein angehen will

Kurzbeschreibung

Workshop 10 Potenzial Schulnetzwerk: Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Schulnetzwerken und Kulturinstitutionen Das ist die Vision: Schulen öffnen sich gegenüber anderen Schulen und bilden lokale Netzwerke, um mit Kulturpartnern zu kooperieren. Sie tauschen sich über ihre Ideen, Ziele, Arbeitsweisen und Erfahrungen aus, lernen von- und miteinander. Sie leisten Nachbarschaftshilfe, indem sie Wissen, Kompetenzen und Ressourcen teilen. Sie entwickeln gemeinsame Strategien bis hin zu gemeinsamer Unterrichtsentwicklung. Ist so eine Vision realisierbar und eine solche Vernetzung organisatorisch umsetzbar? In diesem Workshop wird diskutiert, welche Vorteile die Zusammenarbeit von Schulen in einem Netzwerk hat und welche Potenziale sich dabei für die Kulturpartner ergeben.

Der Aufbau von Schulnetzwerken ist in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Argument geworden, wenn es um die Frage geht, wie sich konkrete Reformvorhaben im Bildungsbereich praxiswirksam umsetzen lassen. Sie werden sowohl von Länder- beziehungsweise Bundesministerien als auch von Stiftungen, Universitäten, Verbänden oder anderen Akteuren gezielt initiiert und begleitet. Zudem gibt es einige selbstorganisierte Zusammenschlüsse, in denen Pädagoginnen und Pädagogen mehrerer Schulen gemeinsam an Entwicklungsaufgaben arbeiten, wie beispielsweise das 1989 gegründete Reformnetzwerk "Blick über den Zaun".1

Schulnetzwerke können in ihrer Ausgestaltung, also bezogen auf ihre thematische Ausrichtung, Zielstellung, Zusammensetzung, Funktionsweise, Reichweite oder Dauer, sehr unterschiedlich sein. Dennoch lassen sich drei allgemeine Erwartungen ausmachen, die mit dem Aufbau eines schulischen Netzwerks einhergehen:

Auszug aus der Präsentation von Hanna Järvinen
  1. Es soll die beteiligten Akteure bei der Bewältigung konkreter Entwicklungsaufgaben unterstützen,
  2. ihre Professionalisierung fördern und
  3. die Qualität ihrer pädagogischen Arbeit verbessern helfen.2

Für Schulen bedeutet dies, dass sie sich mit dem Ziel in ein Netzwerk begeben, eine bestimmte Innovation voranzubringen, und grundsätzlich bereit sind, sich für andere zu öffnen, dazuzulernen und ihre Organisation sowie ihre Strukturen – in einem kleineren oder größeren Umfang – zu verändern.

Auch das Konzept des Programms "Kulturagenten für kreative Schulen" trägt dem Netzwerkgedanken Rechnung. Es sieht vor, dass nicht nur einzelne Schulen und Kulturpartner miteinander kooperieren und gemeinsam Projekte zur künstlerisch-kulturellen Bildung verwirklichen. Vielmehr bilden jeweils drei Schulen ein lokales Netzwerk, das jeweils von einer Kulturagentin/einem Kulturagenten moderiert wird. Damit sollen für die schulischen Kollegien Möglichkeiten geschaffen werden, voneinander zu lernen und auch schulübergreifende Vorhaben verwirklichen zu können.

In den ersten beiden Jahren seit Beginn des Kulturagentenprogramms bildeten konkrete Netzwerkprojekte, also gemeinsame Vorhaben mehrerer Schulen mit einem Kulturpartner, jedoch eher die Ausnahme als die Regel. Dies verwundert kaum, da die Herausforderungen auf dem Weg zu einer Schule mit kulturellem Profil für die beteiligten Pädagoginnen und Pädagogen und ihre Partner zahlreich sind. Es gilt daher, mit den vorhandenen Ressourcen – insbesondere in Form von Zeit, die bekanntlich in Bildungseinrichtungen knapp bemessen ist – sorgsam zu haushalten. Und da bei aller Entlastungserwartung der Aufbau eines tragfähigen Schulnetzwerkes immer eine zusätzliche Investition darstellt, haben viele Schulen sich zunächst auf den Aufbau einer Kooperation mit Künstlerinnen und Künstlern oder Kultureinrichtungen beschränkt.

Ausgehend von einem Fachinput und den Praxiserfahrungen eines lokalen Netzwerks in Münster (NRW), diskutierten die Workshopteilnehmenden, unter welchen Bedingungen sich Kooperationen von Schulnetzwerken mit Kulturpartnern umsetzen lassen und welche Potenziale damit für die Beteiligten einhergehen.

1. Fachblick: Ansätze und Erfahrungen von Schulnetzwerken

Den Einstieg in den Workshop bildete der Input von Hanna Järvinen, Projektleiterin am Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) an der TU Dortmund. Sie zeigte zunächst auf, wie vielfältig Schulnetzwerke sein können und welche zentralen Merkmale sie im Allgemeinen kennzeichnen:3

  • Gemeinsame Basisintention
  • Freiwilligkeit der Teilnahme
  • Vertrauen
  • Kooperation
  • Relative Gleichrangigkeit der Akteure
  • Koordination durch Verhandlung

 

Anschließend stellte sie grundlegende Prinzipien für gelingende Netzwerkarbeit vor:4

  • Zeit
  • Vertrauen
  • Anerkennung
  • Zugehörigkeit
  • Geben und Nehmen
  • Lose und dichte Beziehungen
  • Personen vor Institutionen

 

Es wurden mögliche Spannungsverhältnisse5 benannt und gleichzeitig die Vorteile beschrieben, die Schulnetzwerke für die Beteiligten haben können:6

  • In Schulnetzwerken sind die Praktiker die entscheidenden Personen.
  • Netzwerke bieten die Möglichkeit für Praktiker, Wissen über ihre Arbeit auszudrücken und zu teilen.
  • Netzwerke sind ein "professionsgemäßer" Ort der Entscheidungsfindung.
  • Netzwerke bieten vielfältige Möglichkeiten, sich aktiv im Sinne von "Leadership" zu engagieren.
  • Netzwerke sind flexibel, sie erlauben eine Anpassung ihrer Struktur nach Maßgabe der im Netzwerk verfolgten Ziele.

 

Am Beispiel des Programms "Schulen im Team",7 das seit 2007 von der Stiftung Mercator und dem Institut für Schulentwicklungsforschung der TU Dortmund in Kooperation mit dem Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes NRW sowie acht Projektkommunen in NRW umgesetzt wird, stellte Hanna Järvinen abschließend vor, wie dort Erkenntnisse der Netzwerkforschung praktisch angewendet werden.

2. Praxisbeispiel: Das Kunstgeldprojekt "Die Kunstpaten"

Auf dieser Grundlage berichteten Yara Hackstein, Kulturagentin im Netzwerk Münster, und der Künstler Bodo Treichler über ihre Erfahrungen im Netzwerkprojekt "Kunstpaten", das in Münster stattfindet. Dort kooperieren die Uppenbergschule (Förderschule) und die Waldschule (Hauptschule) mit dem Kulturpartner "A®telier" im "Kap8" im Bürgerhaus Kinderhaus.

In der Projektwerkstatt arbeiten Schülerinnen und Schüler der zwei beteiligten Schulen regelmäßig mit Künstlerinnen und Künstlern – den "Kunstpaten" – zusammen. Dabei lernen sie künstlerische Verfahren aus dem handwerklichen Kontext kennen, erleben Kunstschaffende in deren Arbeitsumfeld und stellen eigene Kunstwerke her, die sie in Ausstellungen präsentieren.

Begegnungen finden aber nicht nur zwischen den Kindern beziehungsweise Jugendlichen und ihren "Kunstpaten" statt. Auch die Lehrkräfte arbeiten schulübergreifend zusammen und planen zudem gemeinsam mit den Künstlerinnen und Künstlern die Projektarbeit. Als aktiv Beteiligte erhalten sie ebenfalls Einblicke in das künstlerische Schaffen im "A®telier", begleiten verschiedene Gruppen von Schülerinnen und Schülern – teilweise inklusiv – und werden herausgefordert, in ihrem Unterricht neue Verfahren auszuprobieren.

Die Vernetzung der unterschiedlichen Partner erfolgt auf mehreren Ebenen und wird durch die Kulturagentin begleitet und moderiert: Für die Zusammenarbeit im Netzwerk ist an den Schulen jeweils der oder die Kulturbeauftragte beziehungsweise die projektleitende Lehrkraft verantwortlich. Auf Seiten des Kulturpartners ist dies der künstlerische Koordinator der Projektwerkstatt. Sie sind das Bindeglied sowohl zu den Leitungen der Schulen beziehungsweise des "Kap8" als auch zu den beteiligten Pädagoginnen und Pädagogen sowie den durchführenden Kunstschaffenden.

Ihr erstes Fazit haben Yara Hackstein und Bodo Treichler in Form von vier Thesen formuliert:

  1. Zu Beginn muss eine Idee stehen, erst dann kommt die Form – das Netzwerk – ins Spiel.
  2. Motor für ein Projekt sollte ein Initiativkreis mit einer überschaubaren Anzahl von Teilnehmenden sein.
  3. Netzwerkarbeit kann nur gelingen, wenn einer "den Hut auf hat" (ohne dominant zu sein), Rollen und Aufgaben verbindlich geklärt sind und ein Controlling stattfindet.
  4. Die Kulturinstitution kann hier eine Schlüsselrolle übernehmen und so zum Gelingen beitragen.

3. Austausch: Herausforderungen und Gelingensbedingungen für die Zusammenarbeit in Schulnetzwerken mit Kulturinstitutionen

Bei der anschließenden Gesprächsrunde bestätigten die Workshopteilnehmenden ausgehend von ihren Erfahrungen, wie wichtig ein von allen Beteiligten geteiltes Anliegen für eine gelingende Netzwerkarbeit sei: Es bedarf einer guten Idee, die man besser gemeinsam als allein angehen will. Eine Vernetzung der Vernetzung wegen habe dagegen keine Aussicht auf Erfolg.

Ebenso wurde betont, dass Netzwerke nicht von heute auf morgen entstünden, sondern schrittweise aufgebaut werden und wachsen müssten. Dies erfordere Zeit, die bekanntlich vor allem an Schulen besonders wertvoll sei. Ohne entsprechende Ressourcen, die zur Verfügung gestellt werden, und ohne zusätzliches Engagement, das anerkannt und wertgeschätzt wird, seien Netzwerke kaum zu verwirklichen. Auch müsse gesichert sein, dass es für die Umsetzung von Vernetzungsvorhaben den notwendigen Rückhalt und klare Mandate aus den Kollegien gebe. Dafür seien, so wurde in der Gesprächsrunde berichtet, beispielsweise gemeinsame Veranstaltungen und Fortbildungen mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beteiligten Einrichtungen ein guter Weg. Das entspricht im Übrigen einer Entwicklung, die sich allgemein im Schulbereich abzeichnet: Zunehmend richten sich viele Unterstützungsangebote an Gesamtkollegien und Teams im Sinne professioneller Lerngemeinschaften, anstatt beispielsweise nur einzelne Personen zu qualifizieren.

Da der Aufbau tragfähiger Netzwerke eine hohe Investition aller Beteiligten erfordere und mit zahlreichen Herausforderungen verbunden sei, wäre es für das Kulturagentenprogramm sinnvoll, Schulnetzwerke an den Standorten zu befördern, an denen bereits entsprechende Strukturen oder Erfahrungen vorhanden sind. Wo dies nicht der Fall ist, sollten sich eher Einzelschulen und Kulturpartner darauf konzentrieren, tragfähige Kooperationen zu entwickeln.

Sehr intensiv wurde im Workshop darüber diskutiert, wie sich der Aspekt von Freiwilligkeit und der Umstand, dass es Personen sind, die erfolgreiche Netzwerkarbeit maßgeblich prägten, zu dem Anspruch verhalten, verbindliche und nachhaltige Veränderungen zu bewirken. Diese Frage wurde in zweifacher Hinsicht problematisiert:

  1. Ein zentrales Anliegen des Kulturagentenprogramms bestehe darin, dass kulturelle Bildung an den beteiligten Schulen zu einem festen und integralen Bestandteil des Lernens für alle Schülerinnen und Schüler wird. Dafür reiche das Engagement und die vertraute Zusammenarbeit einzelner Personen – wie beispielsweise von Kulturbeauftragen, Kulturagentinnen und Kulturagenten und Kunstschaffenden – auf Dauer nicht aus. Auch wenn solche Akteure, die als Promotoren wirken, für den Aufbau und die Ausgestaltung tragfähiger Netzwerke unverzichtbar seien, müsse es gleichzeitig gelingen, verlässliche Strukturen zu schaffen, die personenunabhängig sind und Kontinuität über individuelles Engagement hinaus sichern.
  1. Gleiches gelte auch mit Blick auf die Nachhaltigkeit von Unterstützungssystemen: Um Netzwerke verbindlich und unbefristet zu etablieren, müssten Schulen und ihre Partner auch dauerhaft auf feste Strukturen und Angebote, wie zusätzliche Ressourcen oder Teilnahme an Netzwerktreffen, zurückgreifen können. Die Aussicht auf punktuelle und nur auf Zeit bestehende Unterstützung bei der Netzwerkarbeit sei angesichts der notwendigen Investitionen von Zeit, Geld und Engagement weder für Schulen und Kulturpartner als Institutionen noch für einen Großteil der Kollegien attraktiv. Für das Kulturagentenprogramm, das auf vier Jahre angelegt ist, bedeute dies, möglichst bald die Transferaussichten zu klären und dafür Sorge zu tragen, dass eine regionale Absicherung beziehungsweise Weiterentwicklung von passenden Unterstützungsangeboten gelingt.

 

4. Resümee: Die Zusammenarbeit von Schulnetzwerken mit Kulturinstitutionen ist kein Königsweg, birgt aber Potenzial

Im Workshop wurde deutlich, dass die Zusammenarbeit von Schulnetzwerken mit Kulturinstitutionen durchaus gelingen und für alle Beteiligten einen Mehrwert bringen kann. Dafür werden Schlüsselpersonen benötigt, die den Aufbau und die Gestaltung voranbringen und dafür sowohl aus ihren Kollegien als auch über externe Angebote die notwendige Unterstützung erhalten. Um nachhaltige Wirkungen zu erreichen, muss es gelingen, die Netzwerkarbeit in eine verbindliche und dauerhafte Struktur zu überführen.

Schulnetzwerke sind in vielfacher Hinsicht herausfordernd und das Kulturagentenprogramm bietet den schulischen Akteuren und ihren Partnern wertvolle Unterstützungsangebote, um gemeinsam anspruchsvolle Kulturprojekte zur kulturellen Bildung umzusetzen. Dennoch erscheint schulische Netzwerkarbeit in diesem Kontext vor allem dort vielversprechend zu sein, wo bereits entsprechende Erfahrungen und Strukturen vorhanden sind. Denn diese aufzubauen und zu pflegen und gleichzeitig innovative Entwicklungsarbeit im Bereich der kulturellen Bildung zu leisten, birgt schnell die Gefahr einer Überforderung.

1www.blickueberdenzaun.de/ [11.7.2014].

2Vgl. Berkemeyer, Nils; Järvinnen, Hanna: "Lernen in Netzwerken. Journal für Schulentwicklung", Heft 3/2011, S. 4–7.

3Vgl. Berkemeyer, Nils; Bos, Wilfried; Manitius, Veronika; Müthing, Kathrin: "Schulen im Team: Einblicke in netzwerkbasierte Unterrichtsentwicklung", in: Berkemeyer, Nils; Bos, Wilfried; Manitius, Veronika; Müthing, Kathrin (Hg.): Unterrichtsentwicklung in Netzwerken. Konzeptionen, Befunde, Perspektiven, Münster 2008, S. 20–70; Altrichter, Herbert: "Netzwerke und Handlungskoordination im Schulsystem", in: Berkemeyer, Nils; Bos, Wilfried; Kuper, Harm (Hg.): Schulreform durch Vernetzung. Interdisziplinäre Betrachtungen, Münster 2010, S. 95–116.

4Vgl. Straus, Florian: "Wir brauchen mehr Qualität in der Vernetzung – Anmerkungen aus der Perspektive qualitativer Netzwerkforschung", in: Berkemeyer, Nils; Bos, Wilfried; Kuper, Harm (Hg.): a.a.O., S. 95–116.

5 Vgl. Sydow, Jörg: "Management in Netzwerkorganisationen – Zum Stand der Forschung", in: Ders. (Hg.): Management von Netzwerkorganisationen, Wiesbaden 2006, S. 387–472.

6Chrispeels, Janet Hageman; Harris, Alma: "Conclusion: Future Directions for the Field", in: Harris, Alma; Chrispeels Hageman, Janet (Hg.): Improving Schools and Educational Systems, London 2006, S. 293–307.

7www.schulen-im-team.de [11.7.2014].