Kristin Bäßler, Sybille Linke
Beiratsempfehlungen: Kultur und Bildung zusammen denken!
Kristin Bäßler, Sybille Linke

Beiratsempfehlungen: Kultur und Bildung zusammen denken!

Erfahrungen und Empfehlungen des Beirats aus dem Modellprogramm „Kulturagenten für kreative Schulen“

Einleitung

Kunst und Kultur sollen selbstverständlicher Bestandteil im Alltag von Kindern und Jugendlichen werden: Daran arbeiten seit September 2011 46 Kulturagentinnen und Kulturagenten an insgesamt 138 Schulen in fünf Bundesländern. Gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern, dem Lehrerkollegium, der Schulleitung, den Eltern, Kunstschaffenden und Kultureinrichtungen entwickeln sie vielfältige, passgenaue und auf einander abgestimmte Angebote kultureller Bildung und bauen dazu langfristige Kooperationen mit Kulturinstitutionen1 auf.

Der grundsätzliche Ausgangspunkt für das Modellprogramm "Kulturagenten für kreative Schulen" lautet, Kultur und Bildung zusammen zu denken2. Die Künste gehören in der Vielfalt ihrer Erscheinungen zum Menschen und sind wesentlicher Bestandteil jeder Kultur. Die Begegnung mit den Künsten gehört deshalb auch wesentlich zur Bildung des Menschen. Vor allem für das Lernen, die Entwicklung und das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen ist die Möglichkeit, selbst künstlerisch aktiv zu werden, grundlegend. Die Auseinandersetzung mit den Künsten, die Bildung durch, für und in den Künsten ist daher zu Recht im Bildungsauftrag der Schule verankert. Dies wurde durch die Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur kulturellen Kinder- und Jugendbildung (aus dem Jahr 2013) ausdrücklich hervorgehoben.

Von vielen Schulen wird mittlerweile eine kulturelle Profilierung als besonderer Mehrwert für ihre Arbeit geschätzt. Dabei geht es neben der Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl und Breite kultureller Angebote zunehmend um deren Qualität. Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen, die Gestaltung ergebnisoffener künstlerischer Prozesse oder die eigenständige Verantwortung von Kindern und Jugendlichen sind dabei ebenso wichtige Aspekte wie die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern. Entscheidend für eine nachhaltige kulturelle Schulentwicklung ist die konzeptionelle und strukturelle Verankerung kultureller Bildung im Schulprogramm und im Schulalltag.

Korrespondierend mit dieser Entwicklung in den Schulen wächst im Selbstverständnis von Kulturinstitutionen die Überzeugung, dass ihre Arbeit einen genuinen Bildungsauftrag einschließt. Bildung und Kunst gehören zusammen – gerade durch ihre Verbindung und Wechselwirkung als Erscheinungsformen und Quellen von Freiheit und Humanität, für den Einzelnen wie für die Gesellschaft. Ganz im Sinne einer zweckfreien Kunst wie einer ebenso unverzweckten Bildung verstehen sich viele Kultureinrichtungen gleichermaßen als Laboratorien für die Künste und für die Gesellschaft; sie sehen ihren künstlerischen Auftrag auch als Bildungsauftrag, und sie schaffen vielfältige und originelle Zugänge zu Kunst und Kultur. Wenn sich Kulturinstitutionen in dieser Weise als Orte und Impulsgeber für kulturelle Bildung gleichermaßen für ihr Publikum und für ein ganzheitliches Verständnis von Kultur und Bildung öffnen, fördern sie die Freiheit von Kunst und Bildung, die Zukunft von Künstlerinnen und Künstlern sowie einer kritischen und unterstützenden Öffentlichkeit.

Vor diesem Hintergrund verfolgen die Kulturagentinnen und Kulturagenten im Kulturagentenprogramm das Ziel, gemeinsam mit den Akteuren vor Ort kulturelle Bildungsangebote in Schulen dauerhaft zu verankern – in enger Zusammenarbeit mit Kulturinstitutionen, Künstlerinnen und Künstlern. Dadurch können Kinder und Jugendliche Erfahrungen machen, die über den Unterricht und die Schule hinausgehen: Neben der Begegnung mit Profis aus diversen künstlerischen und kunsthandwerklichen Einrichtungen und Sparten gehört dazu auch, eigenständig künstlerische Prozesse zu gestalten und fächerübergreifend Zusammenhänge auf künstlerische Weise zu erforschen und zu beschreiben. Für Praktiker und Entscheidungsträger bietet das Programm daher erprobte und wissenschaftlich evaluierte Beispiele und Modelle.

Erfahrungen und Empfehlungen

Im Folgenden haben Expertinnen und Experten aus Kunst, Kultur, Bildung, Wissenschaft und Politik3, die als Beiratsmitglieder das Programm "Kulturagenten für kreative Schulen" fachlich begleiten, in fünf Punkten Themen zusammengetragen und Handlungsfelder der kulturellen Bildung beschrieben, in denen bisherige Erfahrungen aus dem Modellprogramm zukünftig wirksam werden könnten. Ziel ist es, eine Zwischenbilanz aus dem Kulturagentenprogramm zu ziehen und daraus Empfehlungen zu formulieren. Die Rolle der Kulturagenten als Mittler zwischen den Systemen Bildung und Kultur steht dabei im Vordergrund.4

  1. Kulturagentinnen und Kulturagenten als "Netzwerker" und Multiplikatoren
  2. Kulturbeauftragte Lehrerinnen und Lehrer als Multiplikatoren für kulturelle Bildung in Schulen
  3. Konzeptionelle Implementierung von kultureller Bildung in Schulen
  4. Kultureinrichtungen als Orte für kulturelle Bildung
  5. Bildung und Kultur zusammen denken

1. Kulturagentinnen und Kulturagenten als "Netzwerker" und Multiplikatoren

Im komplexen Aufgabenprofil der Kulturagentinnen und Kulturagenten ist eine Reihe von Tätigkeitsbereichen gebündelt. In Personalunion verkörpern sie den künstlerischen Impulsgeber, Kurator, Vermittler, Kultur- und Projektmanager, Prozessbegleiter, Netzwerker, Moderator oder Konfliktmanager. Für ihre im Folgenden aufgeführten besonderen Aufgaben werden sie mehrmals im Jahr fortgebildet, sowohl auf regionaler als auch auf überregionaler Ebene. Bereits jetzt zeigt sich deutlich, dass die Kulturagentinnen und Kulturagenten je nach Bedarfslage der Schulen und der Kultureinrichtungen unterschiedliche Aufgaben übernehmen.

Eine Kulturagentin/ein Kulturagent

  • entwickelt gemeinsam mit den Schulen seines/ihres Netzwerks (Schüler- und Lehrerschaft, Schulleitung, Eltern), Künstlerinnen und Künstlern sowie Kulturinstitutionen der Region ein umfassendes und fächerübergreifendes Angebot der kulturellen Bildung.
  • unterstützt die Schulen bei der Entwicklung eines auf die Schule zugeschnittenen Kulturfahrplans, in dem die kulturellen Aktivitäten der Schule gebündelt und zukünftige Ziele festgeschrieben werden.
  • unterstützt die Schulen bei der Konzipierung von geeigneten Formaten der ästhetischen und kulturellen Bildung und hilft, diese in der Schule zu verankern.
  • bündelt die künstlerischen Aktivitäten in den Schulen und sucht geeignete Kooperationspartner wie Kulturinstitutionen und Künstler.
  • unterstützt die Schulen beim Auf- und Ausbau der Kooperationen mit Kulturpartnern/Kulturinstitutionen.
  • unterstützt die Lehrerinnen und Lehrer bei der Entwicklung künstlerischer Projekte und Angebote zusammen mit Kulturpartnern.
  • unterstützt die Schulen und Kulturinstitutionen bei der Beantragung und Abrechnung von Projektmitteln.
  • steht den Lehrerinnen und Lehrern und Kulturinstitutionen als feste Partnerin/fester Partner zur Verfügung. Sie/Er arbeitet bedarfsorientiert mit ihnen zusammen und berät und moderiert die Prozesse vor Ort.
  • unterstützt die Schulen bei der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
  • unterstützt die Schulen und die Kulturinstitutionen bei der Auswertung ihrer Aktivitäten.
  • stößt Reflexionen über die Qualität kultureller Bildung in Schule und Kultureinrichtungen an.

Schulen und Kultureinrichtungen als Akteure eines kulturellen Netzwerks im Sozialraum sichtbar zu machen und zu stärken beziehungsweise die Vernetzung in der bezirklichen oder kommunalen Bildungslandschaft, sind zentrale Ziele der Kulturagentinnen und Kulturagenten. Deshalb bauen sie nicht nur in den Schulen, sondern auch im Landkreis, in der Kommune oder im Stadtteil Partnerschaften auf, die Ausgangspunkt für neue gemeinsame Aktivitäten wie Veranstaltungen, Messen oder Runde Tische sind.

Rolle der Kulturagentin/des Kulturagenten als Multiplikator

Die Kulturagentinnen und Kulturagenten sind wichtige Ansprechpartner für den Bereich kulturelle Bildung im Zusammenspiel von Schule, Kommune und Kultureinrichtungen. Sie werden als Experten angefragt, stellen das kulturelle Programm der Schule bei Gesamtlehrerkonferenzen und Fachtagungen vor; sie sind Jurymitglieder für die Vergabe von kulturellen Fördermitteln oder sind an konzeptionellen Prozessen für die Weiterentwicklung der kulturellen Bildung in der Stadt beteiligt. Es wird deutlich, dass die Kulturagentinnen und Kulturagenten durch ihre Funktion eine Leerstelle besetzen, die so bisher weder von Schulen noch von Kulturinstitutionen oder von den Kommunen gefüllt werden konnte. Kulturagentinnen und Kulturagenten bringen die Systeme Bildung und Kultur aktiv und bedarfsorientiert zusammen – und das über die Grenzen der Schulfächer und künstlerischer Sparten hinaus. Gerade in großen Institutionen sind die zeitintensive persönliche Kommunikation sowie die individuelle und passgenaue Entwicklung von Angeboten unabdingbar, um kulturelle Bildung strukturell zu verankern. Hier leisten die Kulturagentinnen und Kulturagenten wertvolle Unterstützungsarbeit. Mittlerweile haben die Schulen, Kulturinstitutionen, kulturpädagogischen Einrichtungen und die kommunalen Verwaltungen durch die gute Zusammenarbeit mit ihnen Vertrauen aufgebaut – ein Potenzial, auf das die zukünftige Arbeit der Kulturagentinnen und Kulturagenten als Multiplikatoren in ihrer Stadt aufbauen könnte.

Zukünftige Arbeitsfelder der Kulturagentin/des Kulturagenten

Bereits zum jetzigen Zeitpunkt stellt sich die Frage, wie die Funktion der Kulturagentinnen und Kulturagenten, die sich im Rahmen des Programms als unverzichtbare Vermittler zwischen Schulen und Kultureinrichtungen erwiesen haben, bedarfsorientiert fortgeführt werden kann. Folgende Arbeitsfelder – je nach kommunaler Ausgangslage – kristallisieren sich schon heute heraus:

Als eigenverantwortliche Bildungseinrichtungen ist es vielen Schulen möglich, eigenes Personal einzustellen, um die individuellen Entwicklungsziele der Schule zu erreichen (zum Beispiel über die Kapitalisierung von Lehrerstellen). So könnten Schulen, die ein künstlerisch-kulturelles Profil entwickeln und umsetzen möchten, eine Kulturagentin oder einen Kulturagenten anstellen, die/der sie bei ihrer Entwicklung berät und bei der Umsetzung unterstützt.

Eine weitere Möglichkeit der dauerhaften Implementierung von Kulturagentinnen und Kulturagenten, so zeigen die Erfahrungen aus dem Programm, wäre, diese als Mittler in der kommunalen Kultur- und Bildungslandschaft zu verankern. Städte, die die Entwicklung der kulturellen Bildung in ihrer Stadt vorantreiben, brauchen Netzwerker, die zwischen den Angeboten der Stadt, der Schulen, den Künstlerinnen und Künstlern und den Kultureinrichtungen vermitteln.

Vorstellbar wäre auch, dass Kulturagentinnen und Kulturagenten selbstständig arbeiten. Ihre Auftraggeber wären dann die Schulen, Kultureinrichtungen und Kommunen, die sie für die Begleitung einzelner Projekte oder aber für längere Kooperationen anfragen würden. Sie könnten als Berater in Entwicklungsfragen, bei der Organisation und Umsetzung von künstlerischen Projekten, als Referenten in der Aus- und Weiterbildung für Lehrkräfte, Kulturpädagogen und dem Vermittlungspersonal der Kulturinstitutionen sowie als Moderatoren und Vernetzer von Angeboten kultureller Bildung angefragt werden.

Für diese Netzwerkarbeit müssten finanzielle Mittel bereitgestellt werden, die beispielsweise über eine kommunale Stelle verwaltet werden könnten. Die Autonomie, weder bei der Schule noch mittelbar oder unmittelbar bei der Stadt angestellt zu sein, würde den Kulturagentinnen und Kulturagenten die Freiheit geben, zwischen unterschiedlichen Interessen gleichberechtigt zu vermitteln.

2. Kulturbeauftragte als Multiplikatoren für kulturelle Bildung in Schulen

Im Rahmen des Modellprogramms "Kulturagenten für kreative Schulen" hat sich jede Schule verpflichtet, einen sogenannten Kulturbeauftragten zu benennen. Die Kulturbeauftragten kommen aus dem Lehrerkollegium, sind also Experten für die spezifische schulische Perspektive. Die Kulturbeauftragen tragen gemeinsam mit der Schulleitung dazu bei, dass für die jeweilige Bildungseinrichtung passende Projekte in Zusammenarbeit mit weiteren Kolleginnen und Kollegen und der Schüler- und Elternschaft entwickelt werden, das Programm in alle Bereiche der Schule getragen wird und die kulturellen Angebote auch nach der Modellphase fortgeführt und ausgebaut werden. Sie stellen gemeinsam mit den Fachlehrerinnen und-lehrern der künstlerischen Fächer somit den Dreh- und Angelpunkt für kulturelle Bildung in ihrer Schule dar.

Mit Unterstützung der Schulleitung haben die kulturbeauftragten Lehrerinnen und Lehrer sogenannte Steuerungsgruppen "Kultur" ins Leben gerufen, in denen – moderiert von den Kulturagentinnen und Kulturagenten – nicht nur die bereits vorhandenen künstlerischen Angebote in der Schule gebündelt, sondern auch ein "Kulturfahrplan" entwickelt wurde. In diesem Fahrplan hat die Schule ihre Ziele und Umsetzungsmaßnahmen im Bereich der kulturellen Bildung festgelegt.

Freistellungsstunden für kulturelle Arbeit

Der kulturbeauftragte Lehrer/die kulturbeauftragte Lehrerin erweist sich als ein äußerst wirksamer Akteur im Rahmen des Modellprogramms "Kulturagenten für kreative Schulen". Für die Kulturarbeit an ihren Schulen erhalten die Kulturbeauftragten im Rahmen des Programms von den Kultusministerien jeweils ein bis zwei Freistellungsstunden pro Woche, um die kulturellen Ideen der Schule zu bündeln und Mitstreiter für neue Projekte zu finden. Um Kunst und Kultur fest in der Schule zu verankern und weiterzuentwickeln, braucht es einen verantwortlichen Ansprechpartner für Schulleitung, Lehrerkollegium, Schüler und Eltern. Allerdings haben die Erfahrungen aus dem Modellprogramm "Kulturagenten für kreative Schulen" gezeigt, dass diese Aufgabe sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Mehr als zwei Freistellungsstunden für die kulturelle Arbeit an Schule für kulturbeauftragte Lehrer vor allem an großen Schulen sind daher aus Sicht des Beirats unabdingbar.

Fort- und Weiterbildungen

Für die Verankerung kultureller Bildung in Schule ist darüber hinaus auch die Fort- und Weiterbildung von Lehrern und Schulleitern unverzichtbar. Die Erfahrung aus dem Modellprogramm und erste Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung zeigen, dass es einen besonderen Bedarf an Fortbildungen in den Bereichen ästhetisches Forschen, Vermittlung von fächerübergreifendem Wissen durch künstlerische Mittel, Diskurse zeitgenössischer Kunstvermittlung, im Projektmanagement sowie in der Akquise und Abrechnung von Fördergeldern gibt. Die Fort- und Weiterbildungsangebote in den Ländern sollten daher verstärkt diesen Bedarfen nachkommen und ihre Lehrerfortbildungsangebote dahingehend erweitert werden.

3. Konzeptionelle Implementierung von kultureller Bildung in Schulen

Chefsache Kultur

Im Rahmen des Kulturagentenprogramms hat es sich erwiesen, dass die Unterstützung durch die Schulleitung unerlässlich ist, um den Stellenwert kultureller Bildung in den Schulen zu erhöhen und vielfältige Kulturangebote im Schulprofil zu verankern. Hilfreich dafür ist eine gemeinsame Vision von Schulleitung und Kollegium für die Weiterentwicklung zur "kreativen Schule". Die Erfahrungen aus dem Programm haben gezeigt, dass die Formulierung klarer Leitlinien hilft, um Rahmenbedingungen für künstlerische Projekte und kulturelle Entwicklungen an Schule zu schaffen. Kulturelle Bildung kann dann das Profil der Schule maßgeblich prägen, wenn die Lehrerschaft hinter der Profilierung steht. So kann das Zusammenspiel von Bildung und Kultur zu einem essenziellen Bestandteil eines andauernden Schulentwicklungsprozesses werden, der sich auf der Inhalts-, Prozess- und Strukturebene der ganzen Schule widerspiegelt.

Entwicklung eines Kulturfahrplans

Erfreulicherweise hat sich der Stellenwert der kulturellen Bildung im Kultur- und Bildungsdiskurs in den vergangenen Jahren positiv verändert. Keiner würde mehr den Wert der kulturellen Bildung an sich und den Wert für die Bildungsbiografien von Kindern und Jugendlichen infrage stellen. Diese Akzeptanz und das Engagement können an der Vielzahl an Projekten und Initiativen der am Programm "Kulturagenten für kreative Schulen" beteiligten Schulen abgelesen werden. Die 138 Schulen haben in Zusammenarbeit mit den Kulturagentinnen und Kulturagenten und Kultureinrichtungen gezeigt, dass kulturelle Bildung ganz unterschiedlich in der Schule verankert werden kann. Dazu gehören Kulturnachmittage und Kulturmittagspausen, Unterrichtsformate, die in Kultureinrichtungen stattfinden, Projektwochen, Schülerjurys zur Auswahl kultureller Bildungsprojekte oder ein Fächerprofil kulturelle Bildung.

Neben der Funktion der Kulturagentin/des Kulturagenten und des Kulturbeauftragten hat sich im Rahmen des Modellprogramms das Instrument des "Kulturfahrplans" zur Entwicklung eines kulturellen Profils bewährt. Dieser ermöglicht – ausgehend von der Einzelschule – einen systematischen Planungsprozess und ein Qualitätsmanagement, um Angebote kultureller Bildung langfristig zu verankern und qualitativ weiterzuentwickeln. Der Kulturfahrplan ist ein zentrales und übertragbares Instrument, um die Visionen, Ziele und konkreten Maßnahmen der Schule zum Thema "Kulturelle Bildung" und die einzelnen Schritte der Umsetzung festzuhalten, zu reflektieren sowie den Fortgang zu überprüfen. Er setzt den Rahmen für die einzelnen Projekte und Kooperationen und unterstützt die Profilierung der Schule zur kreativen Schule. Als Steuerungs- und Planungsinstrument dient der Kulturfahrplan der fortwährenden Reflexion des Prozesses und der Analyse des Erreichten.

4. Kultureinrichtungen als Orte für kulturelle Bildung

Chefsache Vermittlung

Für Kulturinstitutionen ist die selbstverständliche Verknüpfung von künstlerischer Produktion bzw. Repräsentation mit dem Ansatz der Vermittlung schon jetzt Voraussetzung für eine öffentliche Förderung. Der Vermittlungsauftrag ist daher ein unverzichtbarer Bestandteil ihres Selbstverständnisses. Auch hier hat es sich gezeigt: Je stärker die Aufgabe der Vermittlung von der Leitungsebene unterstützt wird, desto umfassender kann der Bildungsauftrag der Kulturinstitutionen gedacht und umgesetzt werden.

Das bedeutet für viele Kultureinrichtungen, sich für die Interessen und Lebenswelten unter anderem von Kindern und Jugendlichen zu öffnen. Damit eröffnet sich eine zusätzliche Chance, Kunst, ihre Produktion und Repräsentation immer wieder in einen neuen Kontext zu setzen, sie zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Kulturinstitutionen, die sich auch als Orte des Gemeinwohls und als Gestalter des kommunalen Sozialraums verstehen, sollten sich daher zukünftig noch stärker als bisher als soziale Lernorte begreifen. Der Stellenwert der Vermittlung innerhalb der Häuser muss sich folglich erhöhen, um nicht nur die gesellschaftliche Legitimierung der Einrichtung zu sichern, sondern auch Veränderungsprozesse innerhalb der Institutionen zu initiieren, die sie in Zeiten der Globalisierung, der Digitalisierung und des demografischen Wandels zukunftsfähig machen.

Nicht erst seit der Einführung der Ganztagsschulen arbeiten Kulturinstitutionen und kulturpädagogische Einrichtungen immer enger mit Schulen und anderen Bildungseinrichtungen zusammen. Aber es ist für die Institutionen nicht immer leicht, geeignete Ansprechpartner in den Schulen zu finden oder Angebote kultureller Bildung zu entwickeln, die sowohl zur jeweiligen Kultur- als auch zur Bildungseinrichtung passen. Das führt dazu, dass kulturelle Bildungsprojekte nicht immer die angestrebte Resonanz erfahren. Eine grundlegende Erfahrung aus dem Kulturagentenprogramm zeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Kultureinrichtungen dann funktioniert, wenn zwischen den Anliegen und Interessen aller Beteiligten vermittelt wird und genügend Zeit bleibt, um diese auszuhandeln. Das Ziel der Kulturagentin/des Kulturagenten ist es, als Ansprechpartner zwischen beiden Systemen zu vermitteln und die jeweiligen Potenziale der beiden Systeme zu erkennen und zusammenzubringen. Damit wird eine Brücke gebaut, die für ein umfassendes Bildungsverständnis unabdingbar ist.

5. Bildung und Kultur zusammen denken

Die Erfahrungen aus dem Kulturagentenprogramm zeigen: Schulen und Kultureinrichtungen ergänzen sich hervorragend im Hinblick auf den jeweiligen (Bildungs-)Auftrag und im Hinblick auf die Angebotsentwicklung kultureller Bildung. Dafür ist es notwendig, dass die Kultureinrichtungen die Interessen und Arbeitsweisen der Schulen kennen und umgekehrt. Das setzt aber sowohl zeitliche und räumliche als auch personelle Ressourcen voraus, die sowohl von den Kultureinrichtungen als auch von den Schulen zur Verfügung gestellt werden müssen, um eine Kommunikation auf Augenhöhe und eine erfolgreiche Realisierung gemeinsamer Vorhaben zu gewährleisten.

Auch hier hat sich die Vermittlerrolle der Kulturagentinnen und Kulturagenten bewährt: Sie stehen den Schulen als feste Partner über einen längeren Zeitraum hinweg zur Verfügung. Dies ist der Erkenntnis geschuldet, dass Verlässlichkeit, Kontinuität und Langfristigkeit konstituierende Voraussetzungen für das Gelingen von Kooperationen zwischen Schulen und kulturellen Partnern sind.

Berlin, 22. September 2014

Unterzeichner:

Tom Braun, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung

Dr. Anja Durdel, Geschäftsbereichsleiterin Programme & Kommunikation der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung

Prof. Dr. Peter Fauser, Vorsitzender der Imaginata e. V., Jena

Yvonne Fietz, Geschäftsführerin der conecco UG – Management städtischer Kultur Hamburg

Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, Kulturstaatssekretär in der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen a. D.

Prof. Dr. habil. Birgit Mandel, Leiterin des Bereichs Kulturmanagement und Kulturvermittlung im Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim

Barbara Mundel, Intendantin des Theaters Freiburg

Ulrike Kegler, Schulleiterin an der Staatlichen Montessori-Oberschule in Potsdam

Alex Pfeiffer, Geschäftsführer der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Baden-Württemberg

Diemut Schilling, Künstlerin/Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft

Albert Schmitt, Managing Director der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen

1 Kulturinstitution meint im Folgenden u. a. Museen, Theater, Bibliotheken, Opern- und Konzerthäuser, Kulturvereine, kultur- und medienpädagogische Einrichtungen und Kulturzentren.

2 Den Zielen des Modellprogramms liegt ein weiter Kulturbegriff zugrunde, der Hierarchien hinterfragt, gesellschaftliche und kulturelle Diversität berücksichtigt und in Schulen ebenso wie in Kultureinrichtungen von Partizipation, Diversitätsoffenheit und hoher künstlerischer Qualität geprägt ist. Vgl. Erklärung von Mexiko-City über Kulturpolitik der UNESCO, Mexiko-City 1982.

3 Dem Beirat gehören Expertinnen und Experten aus Kunst, Kultur, Wissenschaft und Politik sowie Vertreterinnen und Vertreter der beteiligten Kultusministerien und Kooperationspartner an. Der Beirat berät den Programmträger, die gemeinnützige Forum K&B GmbH, bei der länderübergreifenden Umsetzung des Programms und ist beratend an der Vergabe der programmeigenen Projektmittel (dem sogenannten Kunstgeld) beteiligt.

4 Die Themen und Handlungsfelder des vorliegenden Textes wurden vom Beirat zusammengetragen und unter der Mitarbeit von Prof. Dr. Mandel und Prof. Dr. Fauser von Kristin Bäßler und Sybille Linke verschriftlicht.