Constanze Eckert
Überregionale Qualifizierung - Die Akademie
Constanze Eckert

Überregionale Qualifizierung - Die Akademie

Ansprüche und Ziele der Akademie

Die Akademie war die überregionale Qualifizierung, die sich an die Kulturagentinnen und Kulturagenten in allen am Modellprogramm "Kulturagenten für kreative Schulen" beteiligten Bundesländern richtete. Sie war der einzige Ort im Programm, an dem sie alle zusammenkommen konnten, und hatte daher die wichtige Funktion einer länderübergreifenden Austauschplattform. Von Anfang an verstand sie sich als ein Netzwerk zur gegenseitigen Unterstützung und strebte damit eine überregionale Teambildung der Kulturagentinnen und Kulturagenten an. Ziele der Akademie waren neben deren zunehmender Professionalisierung in ihrem Berufsfeld und der Schärfung eines sich neu herausbildenden Berufsprofils die Bildung eines Unterstützungsnetzwerks von reflektierten Praktikern1 sowie die Bündelung und Veröffentlichung der multiperspektivischen Erfahrungen und Arbeitsergebnisse.

Ein weiteres wichtiges Ziel der Akademie war es, die praktische, alltägliche Arbeit im Modellprogramm mit theoretisch-wissenschaftlichen Diskursen und aktuellen kultur- und bildungspolitischen Debatten zu verknüpfen. Hierin unterschied sie sich von den regionalen Fortbildungen, deren vorrangige Aufgabe es war, die Arbeit der Kulturagentinnen und Kulturagenten vor Ort zu begleiten. So war die Akademie für die Kulturagentinnen und Kulturagenten ein Ort der inhaltlichen Vertiefung und Kontextualisierung ihrer Arbeit und gab ihnen Raum, die Komplexität ihres Arbeitsfeldes zu erfassen und zu beschreiben. Dabei orientierte sie sich beständig an den tatsächlich vorhandenen Bedarfen der Kulturagentinnen und Kulturagenten. Sie sollten zu reflektierten Praktikern weitergebildet werden: Die kritische Reflexion, das Befragen der praktischen Arbeit, der relevanten Arbeitskontexte und des Modellprogramms selbst sowie das Generieren von neuen Methoden und Ideen waren Bestandteile der Akademie. Sie wurde daher als Entwicklungsprojekt konzipiert, was implizierte, dass sie sich kontinuierlich mit den Programmstrukturen, den Akteuren und ihren Fortbildungsbedarfen weiterentwickelte. Wichtig war es, den unterschiedlichen Wissens- und Erfahrungsbeständen der Kulturagentinnen und Kulturagenten von Beginn an Rechnung zu tragen, sie wertzuschätzen und vor allem auch zu nutzen.

Bei aller notwendigen Planung und Festlegung von Formaten und Inhalten, erhielt sich die Akademie eine Beweglichkeit und Offenheit und damit eine gewisse "Kunsthaftigkeit". Experimente wurden unternommen, künstlerische Formate und Methoden ausprobiert und auf ihre Eignung im Hinblick auf die Qualifizierung überprüft. Dabei ging es beständig um Neuentwicklung bei gleichzeitigem Rückgriff auf Bewährtes. Für alle Beteiligten galt es, Widersprüche und Ergebnisoffenheit auszuhalten. Eine kollektive Suchbewegung führte zu einem unverwechselbaren Weiterbildungsprofil. Vielschichtiges Wissen und komplexe Erfahrungen wurden generiert (fokussiert, vermittelt, ausgetauscht, verhandelt, ausprobiert) und beschreibbar gemacht. Auf diese Weise wirkte die Akademie kontinuierlich an der Weiterentwicklung des Programms mit.2

Umsetzung der Akademie: Wie wurde gearbeitet? Themen, Formate und Methoden

Im gesamten Programmzeitraum von Herbst 2011 bis Sommer 2015 fanden – in der Regel zweimal jährlich an wechselnden Orten – insgesamt neun überregionale Fortbildungsmodule statt, die sich meistens über fünf Tage erstreckten. Die Ortswechsel wurden unter anderem dazu genutzt, unterschiedliche regionale Gegebenheiten in den beteiligten Bundesländern kennenzulernen. In das 6. Modul im Herbst 2013 war die Halbzeittagung in Dortmund integriert. Hier gab es die Gelegenheit für weitere Akteure aus dem Modellprogramm (vor allem Kulturbeauftragte, Schulleitungen, Leitungen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vermittlungsabteilungen von Kulturinstitutionen, Künstlerinnen und Künstler aus dem Programm), sich überregional zu vernetzen und sich über die Arbeit in den anderen Bundesländern zu informieren und auszutauschen. Im Juni 2015 fand dann die letzte Qualifizierungswoche statt, die in die Abschlusstagung des Kulturagentenprogramms mündete.

Die Akademie setze sich aus mehreren Bausteinen und Formaten zusammen, die sich teilweise überschnitten, also nicht immer eindeutig voneinander abzugrenzen waren. Einige Themen und Formate kamen über die gesamte Programmlaufzeit in allen Modulen vor. Dazu zählten beispielsweise die kritische Auseinandersetzung mit aktueller Kultur- und Bildungspolitik, die fortwährende Weiterentwicklung des Profils "Kulturagent" und dessen Verortung im intermediären Bereich zwischen Kunst- und Bildungssystem, die Diskurse zu kultureller Bildung und Kunstvermittlung, Begriffsarbeit (insbesondere die Auseinandersetzung mit Kunst-, Kultur- und Bildungsbegriffen, mit Migrationspädagogik und Erinnerungskultur) sowie die Reflexion von Ansätzen und Methoden aus der Aktions- und Praxisforschung3 und deren Schnittstellen zu künstlerisch-ästhetischer Forschung.

Durchgängig wurde eine Qualitätsdebatte zu verschiedenen Aspekten geführt. Hier interessierte der Zusammenhang von Bildungsarbeit und Kunstproduktion und in besonderem Maße die Frage, was gute künstlerische Projekte an Schulen kennzeichnet und wie Partizipationsprozesse gestaltet werden können. Andere Themen wurden eher punktuell behandelt. In der Erhebungsphase zu Beginn des Programms waren beispielsweise das Kennenlernen und der Austausch von Ansätzen, die Kunst als kontextbezogene Handlungsform begreifen, oder die Erprobung von künstlerischen Methoden zur Erforschung des Sozialraumes wichtig. In den letzten Akademien verlagerten sich die Inhalte zunehmend in Richtung Ideenfindung zu Verstetigung und Transfer des Modellprogramms und zu Ergebnissicherung in Form von Textarbeit, Dokumentation und Evaluation.

Jedes Modul der Akademie hatte ein Schwerpunktthema, das intensiv bearbeitet wurde. Hierzu wurden Expertinnen und Experten mit Inputs in Form von Vorträgen, Gesprächen und Workshops eingeladen. Die Themensetzungen erfolgten in Anbindung an gegenwärtige Fragestellungen und Praxen kultureller Bildung. Dabei wurden jene Themen ausgewählt, die aus meiner Sicht als Qualifizierungsverantwortliche zum jeweiligen Zeitpunkt besonders relevant für die Arbeit der Kulturagentinnen und Kulturagenten waren. Der Anspruch, die Lücke zwischen Theorie und Praxis zu verringern, war hier leitend. Das Schwerpunktthema zog sich neben anderen Themen durch das gesamte Wochenprogramm und spielte in allen Formaten immer wieder eine wichtige Rolle.

Format "Programm"

Jedes Akademiemodul bot Raum für Mitteilungen, Austausch und Reflexion zu aktuellen, das Kulturagentenprogramm betreffenden Informationen und Entwicklungen. Unter der Bezeichnung "Programminformationen" wurden einzelne Themen und Fragen, die die Umsetzung des Programms betrafen, bearbeitet. Dies war beispielsweise der Raum, in dem die Programmleitung und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle die Kulturagentinnen und Kulturagenten über die neuesten Entwicklungen im Programm informierten und mit ihnen diskutierten. Gemeinsam wurden auch durch das Modellprogramm eingeführte Instrumente weiterentwickelt oder arbeitsrechtliche Fragen besprochen. Auch die Forschungsdesigns der beiden Begleitforschungsprojekte wurden in diesem Rahmen vorgestellt und erörtert.

Format "Andere Programme"

Um das Programm "Kulturagenten für kreative Schulen" in der Modellprojektlandschaft verorten zu können, wurden vor allem in den ersten Modulen Referentinnen und Referenten eingeladen, die (Modell-)Programme und -projekte im Feld der kulturellen Bildung und Schule vorstellten und mit den Kulturagentinnen und Kulturagenten diskutierten. Vorläuferprojekte wie beispielsweise das englandweite Modellprogramm "Creative Partnerships", das brandenburgische Modellprogramm "Artus – Kunst unseren Schulen" oder auch die "Überlebenskunst.Schule" sowie aktuelle Programme wie "Tusch", "Tanzzeit", "Kultur.Forscher!" oder "Kultur macht Schule" wurden kritisch beleuchtet und dahingehend befragt, in welcher Weise die Konzepte und Erfahrungen dieser Programme für die Arbeit im Modellprogramm "Kulturagenten für kreative Schulen" genutzt werden könnten.

Format: "Außerschulische Partner/Kulturinstitutionen"

Dieses Format stellte Kulturinstitutionen vor, die bereits mit Schule(n) kooperieren und intensiv an der Öffnung ihres Hauses für junge Leute aus allen Bevölkerungsgruppen arbeiten. Meistens wurde in diesem Rahmen ein regionaler Bezug hergestellt. Entweder wurden Vertreterinnen und Vertreter der Kulturinstitutionen in die Akademie eingeladen oder vor Ort besucht. Vor allem die Vermittlerinnen und Vermittler der jeweiligen Institutionen sowie auch in einigen Fällen Kuratorinnen und Kuratoren beziehungsweise Intendantinnen und Intendanten gaben Einblicke in die Arbeit mit Schulen. Hier wurden die Bedingungen für erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Schule und Kulturpartnern sowie die Hindernisse und Schwierigkeiten besprochen. Manches Mal hatten wir auch Gäste aus anderen Bundesländern wie etwa Vertreterinnen und Vertreter des aufgrund seiner "Stadtteiloper" überregional bekannten Zukunftslabors der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Eingeladen war auch eine Kuratorin und Vermittlerin vom Wilhelm Hack Museum in Ludwigshafen, das in den letzten Jahren sehr konsequent neue Wege im Bereich Bildung und Vermittlung entwickelt hat und inzwischen über umfangreiche Erfahrungen mit langfristigen Kooperationen verfügt.

Format: "Projektebasar"

Im "Projektebasar" wurden Praxisbeispiele künstlerisch-edukativer Projekte an und mit Schulen, Partizipationskunst, Kunst im öffentlichen Raum, künstlerische Strategien und Arbeitsweisen spartenübergreifend vorgestellt und diskutiert. Dazu wurden vor allem in den ersten Akademiemodulen Künstlerinnen und Künstler eingeladen, die Einblicke in ihre Projekte und Strategien gaben sowie Werkstätten/Workshops mit ihren Arbeitsweisen durchführten. Im weiteren Verlauf der Akademie wurde dieses Format zunehmend durch Atelierangebote ersetzt, die den Kulturagenteninnen und Kulturagenten konkretes Handwerkszeug vermittelten. Hier wurden beispielsweise das Graphic Recording als Reflexionstool vorgestellt und als Instrument zur Entwicklung einer Praxisforschungsfrage erprobt, das Thema Dokumentation mit professioneller Hilfe unter verschiedenen Gesichtspunkten angegangen oder eine Schreib- und eine Debattierwerkstatt angeboten.

Format: "Praxisreflexion"

Anhand von konkreten Fallbeispielen berichteten die Kulturagentinnen und Kulturagenten   aus ihrer Praxis und bearbeiteten gemeinsam vertiefend unterschiedliche praxisrelevante Themen. Beispielsweise wurden parallele Tischwerkstätten durchgeführt, die von einzelnen Kulturagentinnen und Kulturagenten vorbereitet wurden. In der Anfangsphase des Programms ging es dabei um Ideen und Erfahrungen zum Ankommen in den Schulen sowie um kreative Erhebungsmethoden. Später wurden beispielsweise die unterschiedlichen Ideen zur Implementierung des Kulturfahrplans diskutiert. Im 7. Akademiemodul zum Schwerpunktthema "Reflexion" wurde ein Reflexionsparcours mit mehreren Stationen zu verschiedenen Themen ("Qualität", "Profil Kulturagent", "Reflexionsmethoden und -räume", "Kunst-, Kultur- und Bildungsbegriffe" und "Prozesse") eingerichtet. Dort konnten die Kulturagentinnen und Kulturagenten zu zweit oder in kleinen Gruppen selbstorganisiert arbeiten.

Format: "Lupe"

Die "Lupe" war das Instrument zur Fokussierung von programmrelevanten Themen und Herausforderungen sowie zur vertiefenden Begriffsarbeit. Hierzu zählten beispielsweise die insgesamt vier Reflexionstreffen, die in der zweiten Programmhälfte neben den neun Akademiemodulen zur intensiven Textarbeit für interessierte Kulturagentinnen und Kulturagenten eingerichtet wurden. Diese Arbeit floss wiederum in die Akademien ein, indem die Kulturagenten und Kulturagentinnen dort theoriebasierte Tischwerkstätten zur Praxisreflexion für alle anboten. Die "Lupe" war auch die Grundlage für die Texterstellung in Modul 3 dieser Publikation, das die vertiefende Begriffsarbeit und die Theorie-Praxisverbindung in der Akademie abbildet.4

Format: "Joker"

Joker waren Bausteine der Akademie, die von den Kulturagentinnen und Kulturagenten eigenständig konzipiert und durchgeführt wurden. Es konnte sich dabei um kleine Zeiteinheiten (30 bis 90 min) bis hin zu ganztägigen Veranstaltungen handeln. Das Ziel war auch hier, die umfangreichen Erfahrungen und Kenntnisse der Kulturagentinnen und Kulturagenten in den Qualifizierungsprozess einzubinden. Dieses Format bewährte sich vor allem bei lokal spezifischen Angeboten, die von dem jeweiligen Kulturagententeam vor Ort vorbereitet wurden. Beispielsweise lud eine Kulturagentin ihre Kolleginnen und Kollegen zu einem Besuch in eine ihrer Netzwerkschulen oder in eine am Programm beteiligte Kulturinstitution ein und stellte ihnen ihren Arbeitskontext und die Projektarbeit gemeinsam mit beteiligten Lehrern, Künstlern oder Vermittlern vor.

Format: Warm-ups

Kurze Wachmacher (5 bis 15 min) – Körperübungen, stimmliche Experimente, bildkünstlerische Übungen und so weiter – dienten zur Entspannung, Lockerung oder auch als Konzentrationsübung zu Tagesbeginn oder immer wieder zwischendurch und wurden von den Gästen der Akademie oder den Kulturagentinnen und Kulturagenten selbst angeleitet.

Immer wieder wurden bewährte Methoden zur bedarfsorientierten Arbeit in großen Gruppen eingesetzt. Für einige Kulturagentinnen und Kulturagenten waren Formate wie "Open Space" oder "World Café" noch neu und hatten damit gleichzeitig die Funktion einer Schulung in Großgruppenmoderation. Um der Heterogenität der Gruppe gerecht zu werden, wurde vor allem im "Open Space"-Format mehrfach gearbeitet, wobei es jeweils situativ modifiziert beziehungsweise im Akademieverlauf weiterentwickelt wurde. Im neunten und letzten Akademiemodul hieß es dann beispielsweise "Open Tafeln", das das Prinzip der Selbstorganisation und des eigenverantwortlichen Arbeitens mit Aspekten von geselligem Beisammensein und Feierlichkeit vereinte.

Aktions- und Praxisforschung5

Ein wesentlicher Baustein auf dem Weg zum reflektierten Praktiker war das Kennenlernen und Erproben von Ansätzen der Aktions- beziehungsweise Praxisforschung. Hiermit wurde der Versuch unternommen, die von Praktikern oft als getrennt wahrgenommen Bereiche – die künstlerische, die pädagogische und die forschende/theoretische Perspektive – miteinander zu vereinen. Vor allem ging es um die Erarbeitung einer forschenden Haltung und damit einer spezifischen Reflexivität dem eigenen Tun gegenüber. Hierzu wurden die Methoden der qualitativen Sozialforschung in Anlehnung an künstlerische Forschung (art based research) um performative und künstlerische Ansätze erweitert. Es ging dabei auch um die Möglichkeit, sich zwischenzeitlich aus der Rolle der Kulturagentin/des Kulturagenten und der Involviertheit in vermeintliche Sachzwänge ein Stück weit zu lösen, den Berufsalltag mit Abstand betrachten zu können und dafür Instrumente an die Hand zu bekommen.

Digitale Akademie

Die digitale Akademie war eine programminterne Lernplattform (Materialpool), die den Kulturagentinnen und Kulturagenten ab Juni 2012 zur Verfügung stand. Die dort eingestellten Materialien (Texte, Links, Protokolle, Fotos …) dienten zur Vor- und Nachbereitung sowie zur Dokumentation und Ergebnissicherung der einzelnen Module.

 

Reflexion – Erkenntnisse

Die Akademie ermöglichte den Kulturagentinnen und Kulturagenten durch den räumlichen Abstand zu ihrem Arbeitsalltag und die Einspielungen der programmexternen Referenten einen Blick über den Tellerrand und damit die immer wieder notwendige Distanznahme zu ihrer täglichen Arbeit. Sie fungierte als ein Raum für die kritische Reflexion der eigenen Arbeit und des Spannungsfelds, in dem sie stattfand, der Rahmenbedingungen, der häufig unterschiedlichen Interessenslagen im Programm sowie der Programmziele.

Von zentraler Bedeutung war der fachliche Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bundesländern – das Lernen von- und miteinander. Durch den länderübergreifenden Vergleich konnte der Horizont erweitert, konnten Problemlagen verdeutlicht und neue Ideen generiert werden. Der Anspruch, multiperspektivisch die vielfältigen Sachverhalte zu betrachten, Diversität zuzulassen und unterschiedliche Herangehensweisen wertfrei nebeneinander stehen zu lassen, war allerdings nicht immer leicht einzulösen. Die (im Text zur Qualifizierung) beschriebene Heterogenität stellte auch für die Akademie eine große Herausforderung dar. Es war aufgrund der individuellen Voraussetzungen der Kulturagentinnen und Kulturagenten, der Ungleichzeitigkeit der Abläufe in den Schulnetzwerken und der unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den fünf Bundesländern nicht immer möglich, allen Kulturagentinnen und Kulturagenten zu dem für sie richtigen Zeitpunkt das richtige Angebot zu machen. Die Kulturagentinnen und Kulturagenten wollten an der Konzipierung und Ausgestaltung ihrer Weiterbildung von Anfang an beteiligt werden. Das bedeutete, dass die Inhalte und Methoden, was auf welche Art und Weise gelernt werden sollte, regelmäßig neu verhandelt wurden und damit eine Metareflexion zur Qualifizierung im Modellprogramm stattfand.

Die Akademie war kein Ort der Antworten. Vielmehr stand hier die tägliche Praxis auf dem Prüfstein und wurde in ihrer gesamten Komplexität beleuchtet. Es konnten auch unbequeme Fragen gestellt und die Zielsetzungen und Umsetzungsvorstellungen im Kulturagentenprogramm eingehend diskutiert werden. Hieraus ergab sich für die Qualifizierung ein nicht aufzulösender Widerspruch zwischen dem Anspruch, die Kulturagentinnen und Kulturagenten einerseits bestmöglich bei der Umsetzung der Programmziele zu unterstützen und sie bei der Verfolgung ihrer Arbeitsaufgaben zu stärken und ihnen andererseits einen Raum zu öffnen, um diese Ziele kritisch zu reflektieren. Das Aushalten von Widersprüchen und offenen Lernprozessen wurde von den Kulturagentinnen und Kulturagenten als Herausforderung, mitunter auch als Überforderung wahrgenommen, die ihnen ihren ohnehin nicht leicht zu bewältigenden Arbeitsalltag mitunter noch erschwerte. Trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb) lässt sich zusammenfassend sagen: Die Akademie des Modellprogramms "Kulturagenten für kreative Schulen" hat über einen Zeitraum von vier Jahren durch kontinuierliche Qualifizierung und intensiven Austausch die Kulturagentinnen und Kulturagenten zu einem überregionalen Team verbunden und sie in ihrem Selbstverständnis in dem neu geschaffenen Berufsbild gestärkt. Sie hat dazu beigetragen, dass gegenseitiges Vertrauen und kollegiale Solidarität entstehen konnten, die die Akteure auch über schwierige Prozesse hinweg getragen haben. Sie hat zur Professionalisierung der Kulturagentinnen und Kulturagenten einen unverzichtbaren Teil beigetragen und war in ihrem Umfang, ihren Inhalten, den gewählten Formaten und in ihrem konsequenten Festhalten an der Konzeption als Reflexionsraum einzigartig im Feld der kulturellen Bildung. Der überregionale Austausch und die Anbindung der Praxis an den wissenschaftlichen Diskurs sollten in der Phase des Programmtransfers in die Länder unbedingt erhalten werden.

 

1 Basierend auf Schön, Donald: The Reflective Practitioner: How Professionals think in Action, London 1983.

2 Um aus dem Team heraus ein detailliertes Feedback zu erhalten, wurde neben Feedbackrunden für jede Akademie ein umfangreicher Feedbackbogen erstellt und zur weiteren Planung ausgewertet. Mit den Feedbackbögen wurde die gesamte Modulwoche auf ihre Inhalte, Formate und Methoden, die Arbeitsatmosphäre, die Veranstaltungsorganisation sowie auf Lerneffekte und auf Verbesserungsvorschläge hin abgeklopft.

3 "Aktionsforschung ist die systematische Untersuchung beruflicher Situationen, die von Lehrern selbst durchgeführt wird, in der Absicht, diese zu verbessern." Altrichter, H. / Posch, P. : Lehrerinnen und Lehrer erforschen ihren Unterricht. Unterrichtsentwicklung und Unterrichtsevaluation durch Aktionsforschung, 4. überarbeitete und erweiterte Auflage, Bad Heilbrunn 2007, S. 13.
Im Vergleich zur Aktionsforschung ist die Praxisforschung umfassender. Praxisforscher beziehen sich neben der Aktionsforschung auch auf die Ansätze der qualitativen Sozialforschung und die Arbeiten Donald Schöns zur "reflective practice": "When someone reflects in action, he becomes a researcher in the practice context. He is not dependent on the categories of established theory and technique, but constructs a new theory of the unique case … he does not separate thinking from doing, ratiocinating his way to a decision which he must later convert to action. Because his experimenting is a kind of action, implementation is built into his enquiry." Schön, D., zitiert bei: Altrichter, H. / Posch, P. / Somekh, B.: Teachers Investigate Their Work. An Introduction to the Methods of Action Research, London/New York 1993, S. 203.
 

4 Siehe Modul 3: "Reflexion – zwischen Theorie und Praxis".

5 Siehe hierzu unter www.publikation.kulturagenten-programm.de/akademie.html den Artikel von Anna Chrusciel zur Praxisforschung in der Qualifizierung von Kulturagentinnen und Kulturagenten.