Edeltraud Awick
Kulturagenten als Impulsgeber für die kulturelle Profilierung von Schulen
Edeltraud Awick

Kulturagenten als Impulsgeber für die kulturelle Profilierung von Schulen

Heinz Gniostko beschreibt in seinem Beitrag "Dynamische Veränderungen – Systemische Herausforderungen für Schulentwicklung" die veränderten gesellschaftlichen Anforderungen an Schulen. Seine Ausführungen werden für die Praxis der Kulturagentinnen und Kulturagenten besonders dort interessant, wo er in Anlehnung an Hans-Günter Rolff von Schule als lernender Organisation spricht.1 Rolff veranschaulicht die "Architektur" der lernenden Organisation im sogenannten SENGE-Dreieck: Versteht sich eine Schule als lernende Organisation, dann verfügt sie über ein von den Schulbeteiligten ausgehandeltes Schulprogramm, das in gewisser Weise als Zielvereinbarung und Entwicklungsrichtung für die nächsten Jahre verstanden werden kann. Die Innovationen der Infrastruktur (beispielsweise Prozessteuerung) und die Methoden und Werkzeuge (beispielsweise Selbstreflexion) orientieren sich am Schulprogramm. Im Zentrum dieses Geschehens steht die Lernkultur der Schule, deren Kern die Lernfortschritte von Schülerinnen und Schülern sind. Ausgehend von diesem zentralen Bezugspunkt entwickeln sich Organisation, Personal und Unterricht einer Schule ebenso wie deren Kooperationen.

Obwohl die Kulturagentinnen und Kulturagenten keineswegs als Schulentwickler angetreten sind, haben sie in ihrer Arbeitsrealität eindeutig Impulse zur kulturellen Profilierung der Schulen gegeben und so implizit zur Schulentwicklung beigetragen.

Vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen als Kulturagentin stehen für mich – Bezug nehmend auf das Drei-Wege-Modell der Schulentwicklung nach Rolff2 – drei Aspekte im Zentrum:

Was entwickeln Schulen? (Organisationsentwicklung)

Wie entwickeln sich Schulen? (Personalentwicklung)

Wodurch entwickeln sich Schulen? (Unterrichtsentwicklung)

 

1. Was entwickeln Schulen? (Organisationsentwicklung)

Um den gesellschaftlichen Anforderungen an Schulen gerecht zu werden, entwickelt jede Schule ihr Profil, ihr Programm, ihr Leitbild, ihre Kultur und ihr Management. Zur Steuerung der Entwicklung werden Evaluationen, Steuergruppen und Teamentwicklungsmaßnahmen eingesetzt. Eine Schule verändert sich, weil Anstöße von innen oder von außen kommen. Entscheidend ist, ob die Anstöße aufgegriffen werden, ob die Schulbeteiligten zusammenwirken und "als lernende Organisation" ihr schulisches Handeln reflektieren und die Wirksamkeit ihres Handelns gemeinsam überprüfen, um ihre "Organisation", also ihre Schule, gemeinsam weiterzuentwickeln.3

Veränderung muss von der Schule selbst ausgehen

Bereits mit der Erklärung zur Teilnahme am Kulturagentenprogramm hatten die Schulen das Votum der Schulkonferenz eingeholt, langfristige Kooperationen mit Kulturinstitutionen aufzubauen und vier Schuljahre kontinuierlich in einem selbst gesteuerten Prozess einen künstlerischen Schwerpunkt oder ein individuelles künstlerisch-kulturelles Profil zu erarbeiten und umzusetzen.

Eine Befragung meiner Netzwerkschulleiter im vierten Programmjahr nach den Beteiligungsgründen am Modellprogramm ergab, dass man anfangs nur eine Ahnung hatte, wohin die Reise gehen würde. Obgleich im Rahmen der Bewerbung abgefragt wurde, welche Bedeutung kulturelle Bildung habe und welche Kooperationspartner in Frage kommen könnten, waren die potenziellen Auswirkungen auf die Schule als Ganzes in diesem Stadium völlig ungewiss. Oft war einfach nur das Interesse an kultureller Bildung und die finanzielle Absicherung der Projekte Motivation für die Teilnahme am Programm. Engagierte Lehrerinnen aus dem Bereich Kunst sowie Darstellen und Gestalten waren die Initiatorinnen.

Dass das Modellprogramm ganz eindeutig auf die Entwicklung von nachhaltigen Strukturen für kulturelle Bildung abzielte, stand zwar in den Konzepten, erschloss sich den Akteuren aber erst durch die Arbeit an und in Projekten. Schritt für Schritt wurde die Dimension der Anforderung deutlich, die über diese Projektarbeit hinausging.

Beispielsweise konnten die Anregungen aus dem Modellprogramm an der Thüringer Regelschule Gräfinau-Angstedt durch meine Mitwirkung als Kulturagentin in Form einer verbindenden Lernkultur, eines gemeinsamen Leitbildes sowie des Kulturfahrplans 2017 umgesetzt werden.4 Charakteristisch für das Gelingen dieses Entwicklungsprozesses war die diskursive und achtsame Einbindung aller beteiligten Gruppen mit all ihren Differenzen. Nur so war es möglich, ein gemeinsam tragfähiges Wertesystem zu schaffen, das in die Zukunft reicht. Um den Entwicklungsprozess zu sichern, wurden im Rahmen des Kulturfahrplans vier Stationen eingerichtet: Visionsprüfung, Kulturfahrplankontrolle, Maßnahmewartung sowie Prozessreflexion. Auf diese Weise wird die Schule im besten Sinne zu einer lernenden Organisation.

Zur Umsetzung der Programmziele hatten die Programminitiatoren zwei "Werkzeuge" zur Verfügung gestellt, die Projektfinanzierung durch das Kunstgeld und die künstlerische Beratung und Prozessbegleitung durch die Kulturagentin beziehungsweise den Kulturagenten.

Kulturelle Schwerpunktsetzung mit Kunstgeld (und Kulturfahrplan)

Das Kunstgeld, das von den Schulen jedes Jahr für die Realisierung der künstlerischen Projekte beantragt werden konnte, diente der Verwirklichung der Programmziele. Die Schulen durften bereits im ersten Programmjahr recht unbürokratisch über ein Startgeld als Auftakt für die Kunstprojekte verfügen. Gleichzeitig mussten sie eine Ist-Analyse (Standortbeschreibung) vorlegen.

Als anschließend jede Schule eine Vision zu den Bildern entwickeln sollte, die in den Köpfen der Akteure in Hinblick auf Kunst und Kultur in ihrer Schule entstehen, zeigten sich Irritation und Unmut in den Lehrerzimmern. Man konnte nicht nachvollziehen, wofür diese Vision notwendig war. Hier ging es insbesondere darum, die Schulbeteiligten in einen individuellen Prozess einzubeziehen, in dem sie nachdenken konnten, wie sie an ihren Traum von einer kreativen Schule und die Wirklichkeit herangehen. So wurde im zweiten Programmjahr die Genehmigung von Kunstgeldanträgen folgerichtig an das Vorhandensein eines Kulturfahrplans geknüpft. Das Kulturagentenprogramm stattete die Beteiligten mit zielführenden Arbeitshilfen zu Visionen, Zielen, Maßnahmen und Reflexion aus, um die Prozesse an den Schulen zu strukturieren und voranzutreiben. Die Erstellung des Kulturfahrplans beanspruchte die Beteiligten sowohl inhaltlich als auch zeitlich in besonderem Maße. Spätestens hier verdeutlichte sich, dass die vorangegangenen Arbeitsschritte Veränderungsprozesse provozierten, was die Kulturagentinnen und Kulturagenten in besonderem Maße forderte.

Veränderung braucht Unterstützer

"Kulturagent? Kulturagentin? – Was ist das denn?" Diese Frage begleitete in den ersten Monaten unsere Tätigkeit. Die Kulturagentinnen und Kulturagenten sollten gemeinsam mit den Schulen, Künstlerinnen und Künstlern und Kulturinstitutionen ein umfassendes, fächerübergreifendes Angebot der kulturellen Bildung entwickeln, beim Aufbau von Kooperationen und der Entwicklung künstlerischer Projekte und deren Beantragung etc. helfen sowie den Schulen als feste Partner zur Verfügung stehen. Es ist die Grundidee des Modellprogramms, den Schulen die Kulturagentinnen und Kulturagenten als Unterstützer zur Seite zu stellen. Schulen brauchen die Perspektive von außen, den externen Berater, der die internen Probleme kennt, der weiß, wovon er spricht und genau die Tipps gibt, die man sich selbst nicht geben kann, weil sie für Beteiligte unsichtbar oder auch unbequem sind.

Die oben beschriebenen Impulse zur Ist-Analyse, Visions- und Kulturfahrplanerstellung stellten die Ausgangspunkte meiner Tätigkeit als Kulturagentin dar. Diese Phase des Modellprogramms war für mich besonders interessant, da sich Bezüge zur nachhaltigen Schulentwicklung direkt zeigten. Probleme und Hindernisse blieben dabei nicht aus. Es galt, die mehr oder weniger offensichtlichen Widerstände in den Schulen zu bewältigen. Dies gelang, indem ich ein breites Umgangsspektrum mit Konflikten in den Schulen entwickelte. Es reichte vom Konfrontieren, über das Vermitteln bis zum Aushalten bestimmter Situationen, die sich beispielsweise aus der Diskrepanz zwischen der Erstellung eines Kulturfahrplans und der Schulwirklichkeit, in der ein permanenter Zeitmangel vorherrscht, ergaben. So war ich als Agentin Beteiligte, außen stehende Vermittlerin und Coach zugleich. Dabei entstanden immer wieder Missverhältnisse zwischen ideellem Anspruch an eine von Kultur geprägte Schule und dem realen Schulalltag: Da waren die überaus interessierten, begeisterten und begeisterungsfähigen Lehrkräfte, die für kulturelle Bildung neue Wege eröffnen. Ihnen standen zum Widerstand bereite Kollegen gegenüber, die kleine, besitzstandswahrende Abgrenzungen um ihre Fächer errichteten und sich von den Möglichkeiten der Kultur für diese Fachbereiche distanzierten. Wo sich einerseits neue Möglichkeiten erschlossen, türmten sich andererseits Gegenargumente. Was kann man in dieser Situation tun?

 

2. Wie entwickeln sich Schulen? (Personalentwicklung)

Die Institution Schule hat in erster Linie Bildungs- und Erziehungsziele, die von den mitwirkenden Personen getragen und gestaltet werden sollten. Im Zentrum der Schule stehen Schülerinnen und Schüler und das Lehrpersonal. Da im Bildungs- und Erziehungsprozess die Lehrkräfte von entscheidender Bedeutung sind, ist die Entwicklung einer Schule ganz wesentlich von ihrer Qualifikation und Motivation abhängig. Insofern muss die Personalentwicklung ein unabdingbarer Bestandteil von Schulentwicklung sein und kann nicht losgelöst von der Organisationsentwicklung betrachtet werden. Da sich keine Schule ohne ihre Leitung und die autorisierten und berufenen Gremien, wie beispielsweise Steuergruppen, entwickelt, kommt ihnen eine tragende Rolle zu. Ihre Visionskraft ist das Maß für die Möglichkeiten der Schulentwicklung.

Motivierte Kulturbeauftragte

Wie bereits bemerkt, waren es motivierte Lehrerinnen und Lehrer, die das Wirken der Schule im Bereich der kulturellen Bildung in besonderer Weise beförderten. Häufig sind sie diejenigen gewesen, die die Teilnahme am Modellprogramm initiiert hatten. Sie legten den Grundstein für die Arbeit und bereiteten den Weg zur Profilierung vor. So stellte sich beispielsweise im Rahmen der Ist-Analyse an der Regelschule Ludwig Bechstein in Arnstadt heraus, dass Kunst und Kultur sowohl im Schulgebäude als auch im Unterricht und in der Vernetzung mit den Kulturinstitutionen der Stadt im Schulalltag bereits verwirklicht waren. Ganz offensichtlich gab es an der Schule mehr als eine Lehrperson, die die Vorzüge der Arbeit mit Externen kennen und schätzen gelernt hatte, die neugierig und ständig auf der Suche nach neuen Möglichkeiten war, die Kinder und Jugendlichen zu begeistern und ihnen umfassende Lernangebote zu machen. Insofern verfügte die Schule über die Ressource, die unersetzbar ist: Die engagierte Lehrerpersönlichkeit, die Berufung empfindet, die andere ansteckt, mitreißt und in neue Dimensionen des Lernens und Lehrens trägt, die häufig die Funktion der Kulturbeauftragten übernahm und damit der direkte Partner aus der Schule im Projektmanagement wurde. Die sogenannten Kulturbeauftragten kamen aus dem Lehrerkollegium und waren Expertinnen und Experten für die spezifische schulische Perspektive, offen für kulturelle Bildung und Garanten für die Entwicklung partizipativer Projekte und Nachhaltigkeit.

Für meine Tätigkeit als Kulturagentin waren die Kulturbeauftragten von großer Bedeutung. Sie bereiteten meinen Weg in das System der jeweiligen Schule, stellten die Weichen für die erfolgreiche Projektdurchführung und brachten sich mit besonderem Engagement und zusätzlichem Zeitaufwand ein. Ihre tragende Bedeutung zeigte sich ganz besonders dort, wo sie aus den unterschiedlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung standen. Deshalb versuchte ich an den Schulen unter den Lehrenden mehrere Mitstreiter und Gleichgesinnte zu finden, sodass sich zumindest ein "Kulturtandem" oder am besten eine Steuergruppe "Kultur" etablierte. Meine Vermittlungsarbeit fiel auf fruchtbaren Boden, wenn sie von der Mehrheit der Lehrerschaft mitgetragen wurde. Nur so kann eine Schule nach und nach ihr Kulturprofil entwickeln.

Neue Wege brauchen Zeit und Raum

Aus lockeren Runden zur Kultur, denen meist Fachlehrerinnen und Fachlehrer des musischen Bereiches und selten "fachfremde" Kollegen angehörten, in deren Köpfen die eine oder andere Projektidee kursierte, formierten sich unter günstigen Voraussetzungen Kultursteuergruppen oder vergleichbare Gremien. Gemeinsam mit den Kulturagentinnen und Kulturagenten bestimmten sie konkrete Entwicklungsziele für kulturelle Bildung an der Schule und stellten die Beteiligung der Schulgemeinschaft an den Prozessen sicher.

Sollen bestimmte Entwicklungsprozesse befördert werden, lässt sich dies aus der Organisationsstruktur und den dafür fest eingeplanten Zeitressourcen einer Schule ablesen. Anders ausgedrückt: "Schulen haben Schwierigkeiten zu ,lernen", da in der Organisation Schule keine Zeiten dafür vorgesehen sind."5 Wer Schule ernsthaft entwickeln will, muss hier ansetzen und für engagierte Mitwirkende Zeiten und Freiräume zur Verfügung stellen. Hierfür waren die Akzeptanz dieser Gruppe durch die Schulleitung und die Legitimation durch das Lehrerkollegium ganz wesentliche Voraussetzungen. Insbesondere der Schulleitung kam eine Schlüsselrolle zu, indem sie die Ideen der kulturellen Profilierung aktiv unterstützte und den Kulturbeauftragten und der Kultursteuergruppe gemeinsame Freiräume für regelmäßiges Arbeiten zur Verfügung stellte. Außerdem sollte das gesamte Kollegium in die Kulturarbeit involviert werden, beispielsweise durch die obligatorische Thematisierung von kultureller Bildung in Dienstberatungen.

Qualifikation schafft Austausch und Sicherheit

Gerade die Fachlehrerschaft aus den naturwissenschaftlichen Fächern zeigte sich distanziert gegenüber der kulturellen Bildung mit der Begründung, dass Kultur und Kunst nicht ihre Baustelle sei. Gleichzeitig liegen in den Künsten besondere Potenziale, wenn es um die Entwicklung von Unterricht und der Kultur des Lernens geht. Hier muss daran erinnert werden, dass Lernen eben nicht einfach Informationsaufnahme und -wiedergabe ist, sondern ein Prozess, der den Lernenden ihre eigene Kompetenz, ihre Selbstwirksamkeit und ihre Eingebundenheit in eine Gemeinschaft erleben lässt.6 Diese Aspekte können durch das Lernen in den Künsten und von den Künsten in besonderer Weise gefördert werden. Dazu gab es im Rahmen von Kunstgeldprojekten in beschränktem Umfang die Möglichkeit, Mittel für künstlerische Workshops der Kollegien bereitzustellen. So konnten die Lehrer eigene Erkenntnisse, Erfahrungen und Anregungen aus der künstlerischen Praxis für ihren Unterricht gewinnen.

3. Wodurch entwickeln sich Schulen? (Unterrichtsentwicklung)

Der Unterricht ist unumstritten das Kernstück des schulischen Miteinanders. Als ausgebildete Lehrerin, gleichermaßen als Lehrerin-Kulturagentin, entdeckte ich interessante Gemeinsamkeiten von gutem Unterricht und unseren künstlerischen Projekten. Beispielsweise bereiten aus der Schüler- und Lehrerperspektive praktisches und experimentell-forschendes Arbeiten mit neuen Materialien, selbstbestimmtes und interessenbezogenes Handeln, anregende Lernumgebungen den Kindern im Unterricht Freude und nahmen in den Projekten ebenfalls einen großen Raum ein. Da Freude, wie die Hirnforschung bestätigt, eine gute Basis für das Lernen überhaupt ist, begünstigt sie den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler und kann eben durchaus als Indikator für gelingenden Unterricht stehen.

Kunstgeldprojekte wirken auf Schule und Unterricht

Sechs Monate vor dem Ende der Programmlaufzeit resümierten die Schulleiter meines Netzwerkes, dass es durch die künstlerischen Projekte entscheidende Schritte zur Öffnung für Partner von außen, für neue Ideen, für Beteiligung und neue Strukturen gegeben hat. Die künstlerisch-kulturellen Projekte mischten sich ein, irritierten und beteiligten.

Durch die Kommunikation mit den Kulturpartnern und die gemeinsame Entwicklung von Arbeitskonzepten wurden individuelle Denkprozesse über Mitbestimmung, Abläufe und Ergebnisse von Projekten angestoßen. Hierzu gehörten Fragen der Qualitätsdefinition, Überlegungen zur Ablaufplanung und die Festlegung von Gelingensbedingungen für die Projekte. Das nachhaltige Potenzial der Projekte offenbarte sich erst mit zeitlichem Abstand. Zunächst urteilten jedoch die Beteiligten, ob ein Projekt gelungen war oder nicht: Ein Projekt ist gelungen, wenn beispielsweise eine Fünftklässlerin am letzten Tag ihrer Freundin erzählt, wie cool jetzt die Schule aussieht; wenn Lehrkräfte feststellen, dass sie ihre Schülerinnen und Schüler noch nie so engagiert erlebt haben; oder wenn sich nach dem Projekt die überwiegende Mehrheit der Beteiligten eine Fortsetzung oder Neuauflage wünscht. Ein besonderer Hinweis für das Gelingen eines Projekts ist, wenn ein Schulvertreter einem Journalisten erklären kann, dass im Rahmen der Projektwoche im Vergleich zum konventionellen Schulbetrieb viel intensiver, direkter, praktischer, auf einer ganz anderen Ebene, nämlich der Erfahrungsebene, gelernt wurde.

Der Schulleiter der Hertz-Schule in Ilmenau konstatierte, dass die Schul- und Unterrichtsentwicklung durch die Zusammenarbeit mit den richtigen Partnern beschleunigt wurde, das heißt, Künstler, die sich durch künstlerische Professionalität und Vermittlungsfähigkeit auszeichnen, waren hier besonders wirksam.

Schule öffnet sich für das Umfeld

In Bezug auf Öffnung brachte das Modellprogramm den Schulen neue Ansatzpunkte und Möglichkeiten. Bereits mit ihrer Teilnahme öffneten sie externen Partnern, den Kulturagenten, die Tür. Durch sie wurde geprüft, welche Projektideen und Bedürfnisse der Schule mit wem am besten verwirklicht werden konnten. Er machte sich auf den Weg, initiierte Partnerschaften, vermittelte, entwickelte die Projekte mit den Beteiligten und regte Verstetigungsmöglichkeiten an, immer vor dem Hintergrund der individuellen Bedingungen. Das bedeutet, dass mit dem "Einzug" der Kulturagentinnen und Kulturagenten sich auch die Schulen für Kulturpartner in einem völlig neuen Ausmaß öffneten.

Immer wieder zeigte sich: Schulen können einerseits stark in sich geschlossene und andererseits auch sehr offene Systeme sein. Ob eine Schule eher offen oder geschlossen agiert, hängt von ganz unterschiedlichen Voraussetzungen ab. Traditionen, Räumlichkeiten und regionale Lage sind hierbei wesentliche Einflussfaktoren. Das Spektrum schulischen Alltags in Deutschland reicht von den überschaubaren Regelschulen im Thüringer Wald bis hin zu den Hamburger Stadtteilschulen, die vom Miteinander eines städtischen Ballungsraumes geprägt sind. Für eine Schule auf dem Land kann der Besuch einer Kunstausstellung oder eines Theaterstücks zu einer organisatorischen Herausforderung werden. Der ländliche Raum birgt in Bezug auf kulturelle Bildung durch das vergleichsweise schmale Angebot an Kulturpartnern und -institutionen einerseits Risiken, andererseits bietet er Chancen durch die Nähe und Erreichbarkeit der Menschen, weil man sich hier persönlich kennt. So konnten in der Region die kommunalen Vertreter – von den Bürgermeistern bis zur Landrätin – an der Arbeit im Modellprogramm Anteil nehmen, deren Wirkung erkennen und als Mitstreiter für kulturelle Bildung gewonnen werden.

Schulen öffnen sich für Schulen im Netzwerk

Jede Schule ist für sich gesehen bereits ein vielschichtiges Konstrukt, das im Alltag kaum den Blick für die Außenwelt hat. Insofern war das regionale Netzwerk von drei Schulen eine Besonderheit des Modellprogramms. Obgleich diese Netzwerke in den einzelnen Regionen ganz unterschiedlich gelebt wurden, bargen sie jedoch ein ganz eigenes Potenzial. Schulen, die sich im Bereich der kulturellen Bildung profilieren wollten, bot sich der Austausch in Bezug auf Inhalte, Formate, Kulturpartner, Kooperationen etc. Damit öffneten sie sich füreinander und lernten voneinander, immer unter Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten, Besonderheiten und Anforderungen.

Diese Verbindung schuf beispielsweise in der Region "Ilmenau" Vertrauen, neue Stärke und konnte Entwicklungen befördern. In unserem Netzwerk besuchten sich die Schulen gegenseitig in den Projekten, sie fotografierten, filmten und fingen Impressionen ein. Die Abschlussveranstaltung in der Region, in der die Ergebnisse gezeigt wurden, sollte vernetzen und Auftakt für Neues sein. Mitstreiter für Kultur und Bildung aus Wirtschaft, Politik, Schule, Kultur und Vereinen in der Region wurden gesucht, um eine Fortsetzung der kulturellen Bildung zu unterstützen.

Empfehlungen aus der Praxis

Der momentan gültige Koalitionsvertrag der Bundesregierung bescheinigt und fordert: "Kulturelle Bildung erschließt neue Welten und trägt maßgeblich zur Persönlichkeitsbildung bei. Alle Kinder und Jugendlichen müssen deshalb Zugang zu kultureller Bildung haben."7 Schulen müssen sich dieser Forderung stellen, indem sie zu agierenden Subjekten werden und mit den Schulbeteiligten entscheiden, in welche Richtung die Entwicklung, der Ausbau, die Entfaltung gehen soll, oder wie Heinz Gniostko feststellt: "Versteht Schule diese Herausforderungen als Chance und greift sie als lernende Organisation in einem systemischen Schulentwicklungsprozess auf, so wird in dessen Mittelpunkt letztlich die gemeinsam gefundene Lernkultur stehen."8

Die Erfahrungen aus der Kulturagentenpraxis zeigen, dass sich Schulen verändern können. Dafür ist es notwendig, ein gemeinsames Leitbild zu entwickeln und laufend zu überprüfen. Außerdem wird ein Planungs- und Steuerungsinstrument wie der Kulturfahrplan gebraucht, mit dem Ziele und Maßnahmen reflektiert werden können.

Hierbei sind externe Unterstützer wichtig, da sie wertvolle neue Impulse setzen. Den internen Akteuren müssen dazu feste Besprechungszeiten und -räume zur Verfügung gestellt werden. Es lohnt sich in jedem Fall, die Beteiligten zu qualifizieren und zu würdigen. In diesem Zusammenhang sollten sich die Schulen mit ihrem regionalen und kulturellen Umfeld vernetzen.

Doch vor allem sind Geduld und Ausdauer wesentliche Voraussetzungen dafür, dass sich Schulen verändern. Aus meiner persönlichen Erfahrung als Kulturagentin und Lehrerin möchte ich die Beteiligten, die ihre Schule zu einer Kulturschule machen beziehungsweise für ihre Schule ein kulturelles Profil entstehen lassen wollen, darin bestärken, neue Wege zu gehen, Partner zu finden, kreative Lösungen zu suchen, Experimente zu wagen und so ihre eigene kulturelle Identität zu entdecken und zu entwickeln.

 

1 Vgl. Gniostko, Heinz: "Dynamische Veränderungen – Systemische Herausforderungen für Schulentwicklung", in: Mission Kulturagenten – Onlinepublikation des Modellprogramms "Kulturagenten für kreative Schulen 2011–2015", Berlin 2015.

2 H.-G. Rolff erfasst hier die Wechselwirkung von Personal-, Organisations- und Unterrichtsentwicklung einer Schule und dem schulischen Umfeld.

3 Vgl. bildungsserver.berlin-brandenburg.de/organisationsentwicklung.html [26.06.2015].

4 Der Kulturfahrplan war als Steuerungs- und Planungsinstrument ein wesentlicher Baustein, um die Schulen dabei zu unterstützen, noch mehr Kunst und Kultur in den Schulalltag zu integrieren.

5 Braun, Tom; Fuchs, Max; Kelb, Viola: Auf dem Weg zur Kulturschule, München 2013, S. 81.

6 Vgl. Fauser, Peter: "Kulturelle Bildung – Bemerkungen aus der Sicht einer pädagogischen Lerntheorie", in: Mission Kulturagenten - Onlinepublikation des Modellprogramms "Kulturagenten für kreative Schulen 2011–2015", Berlin 2015.

7 Vgl. www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf [26.06.2015], S. 22.

8 Vgl. Gniostko, H., a. a. O.