Mona Jas
Wenn ich Ellen Blumenstein wäre
Mona Jas

Wenn ich Ellen Blumenstein wäre

Zur Kooperation der Heinz-Brandt-Schule mit den KW Institute for Contemporary Art und ihrem Potenzial für die Zukunft

Kurzbeschreibung

Die Heinz-Brandt-Schule und die KW Institute for Contemporary Art sind eine langfristige Kooperation eingegangen und haben mehrere gemeinsame Projekte durchgeführt, die fest ins Schulcurriculum integriert wurden. Ein wichtiger Partner in der Projektumsetzung war das Künstlerkollektiv a7.außeneinsatz. Die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler entwickelten eigene performative Vermittlungsformate, die ihnen einen neuen Zugang zum Museum ermöglichten.

Bundesland

Berlin

Ort

Berlin

Beteiligte Klassenstufen

8 bis 9

Thema

langfristige Kooperation von Schule und Kulturinstitution

Format

Im Unterricht (Wahlpflichtkurs „Kulturelle Bildung“), Projekttage

Projektdauer

2013-2015

Durchführungsorte

In der Schule
im Museum und in der Stadt

Beteiligte Lehrkräfte

Jährlich ca. 25
im Theater-Spielprojekt je 7
5

-

Nach ihrem großen Engagement in einzelnen Projekten hatte die Leitungsebene der KW Institute for Contemporary Art in Berlin den Wunsch, langfristig und vor allem auch kontinuierlich mit Kindern und Jugendlichen auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Die KW Institute for Contemporary Art (KW) sind eine Institution von internationalem Rang und ein Ort der Produktion und Präsentation zeitgenössischer Kunst, an dem Fragen unserer Gegenwart formuliert und diskutiert werden. Hier werden die jüngsten Entwicklungen in der nationalen und internationalen zeitgenössischen Kultur vorgestellt und in Kooperation mit Künstlerinnen und Künstlern und Institutionen sowie durch Auftragsarbeiten aktiv weiterentwickelt. Als Institution für zeitgenössische Kunst ohne eigene Sammlung, aber auch ohne den spezifischen Auftrag eines mitgliederbasierten Kunstvereins, verfügen die KW über ein hohes Maß an Flexibilität in der Gestaltung ihrer Programme und in der Ausrichtung auf ihr Publikum. Sie tragen sowohl Sorge für diejenigen Akteurinnen und Akteure, die diesen Ort aktiv gebrauchen, als auch für jene, die an ihm als Besucherinnen und Besucher teilhaben.

Vor Beginn des Modellprogramms "Kulturagenten für kreative Schulen" hatte bereits eine Zusammenarbeit mit der Kulturagentin Mona Jas als Künstlerin und Stipendiatin für Kunstvermittlung der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst (NGBK) stattgefunden.1 Diese bestehende institutionelle Verbindung erlaubte es, direkt mit Beginn des Programms gemeinsame Visionen mit Gabriele Horn, Direktorin der KW, und dem künstlerischen Büro in Bezug auf eine langfristige und nachhaltige Kooperation mit einer Schule zu entwickeln.

In der Ausstellung RELAUNCH mit dem Projekt RAUMSPEKULANTEN. AKTIONEN IN DEN KW
Foto: a7.außeneinsatz

Ausgangslage

Zentral waren dabei die Ressourcen, die durch das Modellprogramm für die kommenden drei Jahre zur Verfügung standen. Zum einen waren dies die personellen Ressourcen mit der Kulturbeauftragten der Heinz-Brandt-Schule, Alexandra Kersten, und der Kulturagentin als Beraterin und intermediäre Akteurin. Zum anderen konnten in Form von Projektgeldern zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Hinzu kamen Einsatzmöglichkeiten zahlreicher systemischer Instrumente, die eine strukturelle Verzahnung von Schule und Ausstellungsort beförderten.

Die KW ihrerseits konnten den Gruppen räumliche und personelle Ressourcen zur Verfügung stellen, ohne dabei inhaltlich einzugreifen. Ihr eigenes inhaltliches Konzept wollte die Institution für Deutungen und Interpretationen aller öffnen. Ein Raum für Experimente war gegeben, experimentelles und auch kritisches Arbeiten ausdrücklich erwünscht. Dazu boten die KW mit ihrer Lage in Berlins Mitte, einem begrünten Innenhof und dem verspiegelten Café Bravo des Künstlers Dan Graham an sich bereits eine hohe ästhetische Qualität, die einladend ist und neue ästhetische Erfahrungen vermittelte.

Grundsätzlich ging es um einen Perspektivenwechsel, denn die Ausstellungsräume der KW wurden erstmalig von der neuen Chefkuratorin Ellen Blumenstein bespielt. Diese ließ die Räume der KW zu Beginn der Ausstellung "Relaunch" – mit der Arbeit "Markierung" des Künstlers Nedko Solakov in Form von Kommentaren und Zeichnungen an Wänden und Böden sowie dem Performanceprojekt "Insistere #7" von Ulf Aminde und Sabine Reinfeld – weitgehend frei.2 "Die Räume sind einerseits leer, weil es noch keine Ausstellung gibt, aber andererseits auch richtig voll, weil das, was wir so an Ideen haben, bereits überall zu sehen ist. Ich wollte am Anfang mal einen Schritt zurückgehen und schauen, was können die KW, was sind sie, um dann zu entwickeln, was sein wird."3 

In dieser Situation öffneten die KW ihre Tore für die Schülerinnen und Schüler und ihre Ideen. Im Rahmen der ersten Projekte, die das Künstler- und Kunstvermittlerteam a7.außeneinsatz4 begleitete, nahmen sie selbst die Rolle von Kunstvermittlerinnen und Kunstvermittlern ein und begriffen die Kulturinstitution als Imaginationsraum.

Die Heinz-Brandt-Schule ist seit dem Schuljahr 2011/12 eine integrierte Sekundarschule (ISS) und hat dadurch eine Schülerschaft, die wenig homogen ist. Die neue Schulform bietet andere Chancen, stellt aber auch neue Anforderungen an das Kollegium. So kommt es, dass die Schule fachübergreifende, individualisierende Lernmethoden durchführt; der Frontalunterricht "ist abgeschafft", und auch herkömmliche Fächer sind wenig auszumachen. Stattdessen werden beispielsweise "Themenzentrierter Unterricht", "Bewegte Pausen" oder "Lernbüros" angeboten. Die Schule arbeitet an einem innovativen Schulprofil, das sich in die Bereiche "Duales Lernen" und "Kulturelle Bildung" teilt. Ziel ist es, auf die Bedürfnisse der Schülerschaft möglichst differenziert und umfassend eingehen zu können.

Für die Heinz-Brandt-Schule war und ist die Einbindung externer Künstlerinnen und Künstler und einer Kulturinstitution in ihr kulturelles Profil das zentrale Moment der Zusammenarbeit mit den KW – insbesondere durch die zusätzlich zum Musik- und Kunstunterricht erfolgte curriculare Einbettung in die Wahlpflichtunterrichtsschiene "Kulturelle Bildung" in Form von Teamteaching und Nutzung alternativer Lernorte. Daraus entwickelte sich das Anliegen, eine nachhaltige Kooperation mit den KW und a7.außeneinsatz aufzubauen. Die dann innerhalb eines Jahres durchgeführten Projekte "Raumspekulanten", "Rahmenräumung" und "Echte Gefühle" stellten den Beginn einer nachhaltigen und zentralen Kooperation dar, welche die außerschulischen Partnerinnen aus dem Kulturbereich als feste Satelliten einband. Die Inhalte und das Wissen der Kulturinstitution flossen in die Unterrichtsinhalte und umgekehrt erhielten die Schulforschung zu den Ausstellungsvorhaben und zu den kuratorischen Konzepten Eingang in die Kulturinstitution. Die gemeinsame Bearbeitung von Ausstellungsthemen mit den Schülerinnen und Schülern und a7.außeneinsatz prägte so das kulturelle Profil der Schule und bildeten ein bewegliches und zentrales Moment für transformatorische Prozesse.

a7.ausseneinsatz entwickelt Formate der performativen Kunstvermittlung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer arbeiten dabei mit dem Einbezug von Raum, Körper(n) und sinnlicher Wahrnehmung. Ausgehend von Kunst und Ort entstehen Aktionen und Performances, welche die Kunst kommentieren, weiterführen oder dekonstruieren und die Ausstellung zum Aktionsraum werden lassen. Der "Außeneinsatz" ist nicht nur Name, sondern auch Prinzip: Als freies, unabhängiges Kollektiv begibt sich die Gruppe temporär in verschiedene institutionelle Zusammenhänge, ist Sandkorn im Getriebe der institutionellen Routinen und zugleich Motor einer Zusammenarbeit zwischen Ausstellungshäusern, Akademien und Schulen.

a7.außeneinsatz bildete neben der Kultur- und Bildungsinstitution mit ihren Akteurinnen und Akteuren sowie der Kulturagentin ein weiteres wichtiges Element. Das Kollektiv setzt sich aus Künstlerinnen sowie Kunstvermittlerinnen und Kunstvermittlern verschiedener künstlerischer Professionen aus dem Umfeld der Universität Hildesheim zusammen und arbeitet seit Jahren auf dem Gebiet der künstlerischen Kunstvermittlung. Performative Formate werden experimentell weiterentwickelt, und die Vielzahl der Beteiligten bedingt eine große Pluralität an künstlerischen Herangehensweisen. a7.außeneinsatz bereicherte daher sowohl die Kooperation im Ganzen wie auch die Kultur- und die Bildungsinstitution im Einzelnen durch eine professionelle und kritisch-künstlerische Praxis. Bereits in Vorgesprächen war deutlich geworden, dass die Gruppe sehr gut mit und in Schule agieren kann.

In der Ausstellung PAINTING FOREVER! KEILRAHMEN mit dem Projekt RAHMENRÄUMUNG
Foto: Mona Jas

Was gemeinsam entwickelt wurde

Die Ausstellung "Relaunch" wurde zum Ausgangspunkt für die Entwicklung performativer Vermittlungsformate. Das Besondere dieser Ausstellung lag darin, dass sie keine Exponate im herkömmlichen Sinne präsentierte. Die leeren Räume mit Markierungen von Solakov machten den Ort selbst zum Inhalt der Ausstellung und bildeten einen idealen Spielplatz für die erste Begegnung der Schülerinnen und Schüler des Wahlpflichtkurses "Kulturelle Bildung" von Alexandra Kersten mit den KW. Begleitet durch a7.außeneinsatz erforschten die Schülerinnen und Schüler in der ersten Phase die Ausstellung und den Museumsraum auf ihrer Erfahrungs- und Wahrnehmungsebene. Im Zuge gemeinsamer Übungen zu Körperpräsenz, Raumwahrnehmung und in Interaktion mit der Kunst, ging es um ein tieferes Verstehen und ein Sich-in-Beziehung-Setzen mit der Kunst. In der zweiten Phase führten die Schülerinnen und Schüler die entwickelten Performances öffentlich vor Publikum in den Ausstellungsräumen der KW durch. Dies waren die konkreten Handlungssequenzen:

Boden-Imagination

Die vielen Auf- und Abbauten hatten Spuren auf dem Boden des Ausstellungsraums hinterlassen. In Bezug auf die Arbeit "Markierung" von Nedko Solakov suchten sich die Schülerinnen und Schüler Stellen, wo der Boden besonders interessant aussah, klebten diese mit Klebeband ab und fotografierten sie. Alle überlegten sich, was hier zu sehen war beziehungsweise was hier passiert sein könnte: "New York von oben, ein verrotteter Regenschirm, ein tödlicher Anruf …" Im Rahmen einer Performance Lecture präsentierten sie ihre Forschung öffentlich in den Ausstellungsräumen.

Wenn ich Ellen Blumenstein wäre …

Die Schülerinnen und Schüler sammelten zunächst schriftlich Ideen, was sie in den KW tun und veranstalten, wen sie einladen würden, wenn sie an Stelle der Kuratorin Ellen Blumenstein wären. Aus den Texten entstand ein Chor, der im Call-and-Response-Prinzip von der Gruppe öffentlich gesprochen wurde. Eine Sprecherin/ein Sprecher ging jeweils zum Mikrofon und sagte den Satz "Wenn ich Ellen Blumenstein wäre …" und ergänzte individuell beispielsweise: " … würde ich hier ein Heim für Tiere einrichten". Der Chor, versteckt im Gewölbe der angrenzenden großen Halle, wiederholte die Antwort: "…würde ich hier ein Heim für Tiere einrichten."

Farbe-Raum-Körper

In der leeren Ausstellungshalle wurden Bögen mit bunten Papieren ausgelegt. Die Schülerinnen und Schüler platzierten die Farben zunächst spontan nacheinander und entwickelten eine eigene Dramaturgie für die Präsentation: Als Erweiterung sollten sich Gruppen zusammenzufinden, die nicht nur die Papiere, sondern ihre Körper im Verhältnis zum Papier, zur Farbe und zum Raum platzierten, um ein Gruppenbild im Raum mit Farbe zu erhalten. Ausgehend von dieser Übung schlug eine Schülerin vor, sich für die Präsentation in eben der gewählten Papierfarbe als Gruppe zu kleiden. Diese Anregung wurde dann vor Publikum umgesetzt. Im beinah leeren, weißen Ausstellungsraum positionierten sich die Gruppen als Farbpunkte im Raum. Sie legten zunächst die farbigen Papierbögen auf den Boden oder hielten sie vor die Wand und platzierten sich dann als Gruppe. Ihre Positionen hielten sie, bis alle Schülerinnen und Schüler den Raum betreten hatten und das "Bild" aus verschiedenen Farbkörpern komplett war.

Barometer

Die Schülerinnen und Schüler hatten in einer Schreibübung ihre Meinungen und Ideen zum Museum gesammelt. Daraus entwickelte sich eine weitere Performance vor Publikum: Eine Schülerin las die Sätze vor, die anderen standen in einer Reihe zunächst nebeneinander. Bei Zustimmung gingen sie einen Schritt nach vorne, bei Ablehnung drehten sie sich nach hinten. "Ich war noch nie in den KW", "Ich würde am liebsten hier einziehen", "Wenn ich hier wohnen würde, würde ich die Wände rot streichen". Mit Sätzen wie diesen bewegten sie sich Schritt für Schritt von einer Seite des Raums zur anderen. Durch die Bewegung im Raum entstanden immer neue Gruppenformationen, ein visuell erfahrbares Stimmungs- und Meinungsbild. Die Schülerinnen und Schüler hatten Gelegenheit, sich mit eigener Stimme zu äußern, ohne sich dabei einzeln exponieren zu müssen.

Ästhetische Forschung, Performance, Lecture Performance, Darstellendes Spiel/Dramaturgie, Zeichnung, Fotografie, Rauminstallation – das waren die Sparten, mit denen den Schülerinnen und Schülern geeignete Mittel an die Hand gegeben wurden, um die zuvor erforschten Räume unter neuer Perspektive zu vermitteln sowie auch ihre grundsätzlichen Überlegungen zu Räumen und Personen rund um Kunst auszudrücken.

Performance in der Ausstellung PAINTING FOREVER! KEILRAHMEN mit dem Projekt RAHMENRÄUMUNG
Foto: a7.außeneinsatz

Der weitere Verlauf

Im Anschluss arbeiteten die Schülerinnen und Schüler zur Ausstellung "Painting Forever! Keilrahmen"5. Am Anfang des Projekts "Rahmenräumung"6 mit a7.außeinsatz standen eine Annäherung an das Genre der Malerei und die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen künstlerischen Positionen. Ein weiterer Fokus wurde auf das Kennenlernen von Kunstbetrieb und Institution gelegt. Der Kurs besuchte die Ausstellungseröffnung und ging dabei ersten Beobachtungsaufgaben nach. Darüber hinaus kamen die Schülerinnen und Schüler während des Projekts mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der KW ins Gespräch. Sie erkundeten die Ausstellung in den KW und entwickelten eigene Fragestellungen zur Kunst und deren Präsentation. Ihre individuellen Interessen und Ideen wurden zum Ausgangspunkt für die weitere Auseinandersetzung mit inhaltlichen und formalen Aspekten der Kunstwerke. Im Anschluss ging es um die Reflexion des Vermittlungsformats "Führung". Die Schülerinnen und Schüler überlegten sich, was sich in einer Führung über das Sprechen über Kunst "vermitteln" ließe, und arbeiteten an experimentellen Alternativen. Leitend war die Frage: Wie lassen sich Bilder in performative Ereignisse übersetzen?

Mit künstlerischen Mitteln gaben die Schülerinnen und Schüler Kommentare zur Kunst und entwickelten ausgehend von den Werken eigene performative Formate. Sie führten Aspekte aus, die in der Kunst angelegt waren, und arbeiteten mit persönlichen Assoziationen. Die Aktionen wurden der Öffentlichkeit abschließend im Rahmen eines performativen Rundgangs durch die Ausstellung präsentiert. Erneut wurden die Jugendlichen dabei selbst zu Vermittelnden und führten ihre Mitschülerinnen und Mitschüler sowie ihre Familien durch die Ausstellung.
Die sich anschließende Ausstellung in den KW "Echte Gefühle: Denken im Film"7 war der Ausgangspunkt für die Schülerinnen und Schüler, sich zusammen mit a7.außeneinsatz mit Emotionen und deren Herstellung durch filmkünstlerische Mittel zu beschäftigen. Nach eingehender Erkundung des Archivs der Gefühle im Erdgeschoss der KW, das exemplarisch Darstellungen von Emotionen im Kino versammelte, wurden Gefühle aufgelistet, beschrieben und durch performative Übungen erforscht.

Im zweiten Schritt ging es um eine Übertragung von Film in den Alltagskontext. Die Schülerinnen und Schüler reenacteten ihre filmischen Lieblingsszenen in der Realität des Schulkontexts: "Batman auf dem Schulhausdach, ein Duell im Pausenhof …". Mit den zuvor untersuchten filmischen Mitteln wurden Fotoserien erstellt.

Und das sind die Folgen

Die Projekte sind mit dem Curriculum der Schulen verzahnt worden. Das war die Voraussetzung dafür, dass die Durchführung der Projekte kultureller Bildung Alltag werden konnte, denn sie gehören nun wie selbstverständlich dazu. Die Kommunikation mit externen Kooperationspartnern wird auf allen Ebenen geführt und ist nicht mehr abhängig von einzelnen Personen, da die Planung und Durchführung stets das Schulganze einbindet. Eine ansprechende und gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern gestaltete Visualisierung, die für alle zugängig ist, ermöglicht eine weitere Identifikationsebene. Das Vorhaben findet sich im Kulturfahrplan der Schule wieder. Durch die weiterlaufende Kooperation mit den KW und a7.außeneinsatz im Rahmen des Wahlpflichtunterrichtkurses "Kulturelle Bildung" ebenso wie durch gemeinsame Besuche von Ausstellungseröffnungen und Präsentationen der Ergebnisse zu allen schulischen Gelegenheiten wird das Projekt dauerhaft sichtbar.

Durch die räumlichen Bewegungen, also die Fahrten zu den KW und wieder zurück in den heimatlichen Bezirk Pankow, verändern und erweitern sich die inneren Landkarten der Schülerinnen und Schüler. Die KW sind durch die kontinuierlichen Besuche Teil der Schul- und der Schülerbiografien geworden. Auch die Repräsentation der KW hat sich verändert. Hier gehen nun regelmäßig Schülerinnen und Schüler aus Pankow ein und aus und verändern so die Zusammensetzung des Publikums. Die Webseite der KW präsentiert die Schulprojekte, und zwar auf gleicher Ebene mit den anderen Projekten. Das künstlerische Büro der KW setzt sich intensiv mit den Ideen und Präsentationen der Schülerinnen und Schüler auseinander und bezieht diese in weitere Konzeptionen mit ein.

Fotoarbeit zur Ausstellung ECHTE GEFÜHLE: DENKEN IM FILM
Foto: a7.außeneinsatz und Schülerinnen und Schüler

Resümee

"Komplizenschaft stellt sich vor allem dann ein, wenn kreativ mit Strukturen umgegangen wird, wenn diese verändert, adaptiert oder gar neu erfunden werden."8

In diesem Sinne könnte auch die Zusammenarbeit unter dem Aspekt der Komplizenschaft gesehen werden, da genau dies passiert ist. In unserem Fall waren die Ziele der Beteiligten klar und im Vorfeld aufeinander abgestimmt, die handelnden Personen waren im guten Austausch miteinander, die räumlichen Bedingungen waren professionell. Die Haltungen der Beteiligten entscheiden wesentlich über das Gelingen einer Komplizenschaft. Hier passten und passen alle zueinander: Die Kulturinstitution hatte das Anliegen, für alle offen zu sein; die Schule vertrat die Ansicht, dass gerade komplexe zeitgenössische künstlerische Positionen Raum für ihre Schülerschaft böte, die bislang wahrscheinlich nicht in Berührung mit Gegenwartskunst gekommen war. Die Leitungsebenen beider Institutionen wollten dieses Projekt und darüber hinaus eine Verstetigung der Zusammenarbeit. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Ebenen waren neugierig auf die Zusammenarbeit und unterstützten diese engagiert. Die Beteiligten wollten etwas Neues erproben, experimentieren und bewusst auf Routinen und herkömmliche Vermittlungsstrukturen verzichten.

Die Schülerinnen und Schüler waren und sind in den KW willkommen und spüren das auch. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Kunstinstitution, ihrem Ausstellungskonzept, ihrer Geschichte, ihrer Haltung und ihren kuratorischen Prinzipien ist eine der wichtigsten Grundlagen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Die "Dritten im Bunde" – das Kollektiv a7.außeneinsatz – ermöglichten als Scharnier, Kaleidoskop und Transformator eine innovative und bewegliche Projektdurchführung gerade, weil sie zwischen den beteiligten Institutionen standen.
Diese Kooperation geht über eine punktuelle Zusammenarbeit hinaus – Veränderung auf kuratorischer Ebene, die inhaltliche Auseinandersetzung mit Schule und eine innovative und experimentelle Haltung der Beteiligten als Komplizinnen und Komplizen auf Augenhöhe ermöglichten die gemeinsame Deutungshoheit über Inhalte und die Entwicklung neuer Strukturen des Dialogs.

Noch einmal im Überblick – Warum es so gut lief und läuft

Es geht nicht um große Projekte, sondern darum, in übersichtlichen und für alle verträglichen Schritten eine Art neue "neuronale" Verbindung aufzubauen. Die positiven Prozesse, Ergebnisse und die Gestaltung der weiteren Zusammenarbeit verdanken sich – neben Spirit, Flow, Glück, Zufall und Schicksal – vor allem den folgenden Strategien und Instrumenten:

  1. Mit dem Wahlpflichtunterrichtexperiment "Kulturelle Bildung" zusätzlich zu dem bereits bestehenden Musik- und Kunstunterricht kann die Kooperation langfristig in das Schulcurriculum implementiert werden. Dieses Projekt sowie alle bereits durchgeführten und weiterhin geplanten Projekte sind Bestandteil des Schulfachs "Kulturelle Bildung" – verankert im Rahmen des Wahlpflichtunterrichts der Schule, dessen Kern es ist, dass Schülerinnen und Schüler selbst Methoden der Vermittlung entwickeln und so Impulse zu transformatorischen Prozessen in verschiedene Richtungen setzen. Die Kooperation mit einer Kulturinstitution ist damit prägender Bestandteil des Schulprofils.
  1. Durch die regelmäßige öffentliche Präsentation der Ergebnisse werden das Kollegium, die Eltern, die Schulleitung und die Schülerschaft auf einem hohen repräsentativen Niveau eingebunden.
  1. Die thematisch-konzeptionelle Zusammenarbeit im Vorfeld der Ausstellung in engem Austausch mit der Kuratorin ist die Voraussetzung für eine Einbettung der Ausstellungsthemen in den Unterricht.
  1. Die KW ermöglichen den Schülerinnen und Schülern jederzeit (auch außerhalb der Öffnungszeiten) Zugang zu ihren Räumen und Ausstellungsexponaten. Sie erhalten einen eigenen Raum im Gebäude für ihre Vorbereitungen sowie für Präsentationen und werden in ihren Anliegen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterstützt.
  1. Durch die kontinuierliche Nutzung dieser Angebote werden die KW zum Bestandteil des Alltags und auch der Biografie der Teilnehmenden.
  1. Durch die Zusammenarbeit mit externen Kunstvermittlerinnen/Kunstvermittlern und Künstlerinnen/Künstlern können gemeinsam innovative Experimente durchgeführt werden, die den Beteiligten neue Impulse geben und ein hohes künstlerisches Niveau generieren.
  1. Durch die durchlässig gestalteten Hierarchien der Kulturinstitution wird der Ausstellungsort für die Beteiligten zu einem Forschungsfeld. Die Deutungshoheit ist offen für die Schülerinnen und Schüler. Erst dadurch kann überhaupt von einer gesellschaftlichen Teilhabe gesprochen werden. Entscheidend ist hier die Offenheit der Kulturinstitution gegenüber der Schule.
  1. Durch die gemeinsame Wissenssicherung (Handreichung, Dokumentation) und Evaluation entsteht die Möglichkeit nachhaltiger Nutzung der generierten Methoden, Kommunikationswege und Strategien. Wissen kann auch anders als unter herkömmlichen schulischen Bedingungen entstehen und wird aktiv neu gestaltet.
  1. Durch die Sichtbarkeit der durchgeführten Schülerprojekte im Newsletter und auf der Webseite der Kulturinstitution wird einer Abkopplung der Kooperation von der Repräsentation der KW vorgebeugt; die Projekte werden als wichtiger Bestandteil im Selbstverständnis der Institution vermittelt. Der Stellenwert des Beitrags der Schülerinnen und Schüler wird den Beteiligten und der Öffentlichkeit vermittelt und kann neben den Beiträgen der Künstlerinnen und Künstler wahrgenommen werden.

Daraus folgt – auch für andere Kooperationen …

  1. Wichtiger als die Finanzierung ist zunächst ein Konsens in Bezug auf die gemeinsamen – durchaus auch politisch zu verstehenden – Ziele.
  1. Die Basis liegt in der Zusammenarbeit aller Hierarchieebenen beider Institutionen.
  1. Beide Kooperationspartner müssen bereit für die Änderung ihrer jeweiligen Curricula sein.
  1. Beide Institutionen müssen offen für Experimente und ungewohnte Herangehensweisen sein.
  1. Das Hinzuziehen weiterer externer Expertinnen und Experten sollte nicht als Konkurrenz, sondern als Bereicherung erfahren werden.
  1. Für die professionelle Einbettung der Expertinnen und Experten sowie für eine professionelle und nachhaltige Wissenssicherung ist die Akquise zusätzlicher finanzieller Mittel erforderlich. Diese wurde im Rahmen des Kulturagentenprogramms durch die Kulturagentin erleichtert. Grundsätzlich sollten daher weiterhin Expertinnen und Experten finanziert werden, die als intermediäre Akteurinnen und Akteure auch diese Aufgabe wahrnehmen können.

Hurra

Die im Rahmen des Kulturagentenprogramms begonnene Kooperation der Heinz-Brandt-Schule mit den KW kann für mindestens weitere drei Jahre bis 2017 fortgesetzt werden. Denn seit November 2014 läuft das von "Künste öffnen Welten" der Bundesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung in voller Höhe geförderte dreijährige Projekt "When Education turns to Art". Es wurde gemeinsam von der Kulturbeauftragten, der Leiterin der Jugendkunstschule Pankow und der Kulturagentin auf den Weg gebracht. Träger des Projekts "When Education turns to Art" ist die Jugendkunstschule Pankow im Kooperationsbündnis mit den Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) Berlin, der Kunsthochschule Berlin Weißensee und den KW. Die KW stellen in ihrem Gebäudekomplex für die Arbeit in den Workshops und mit den Schülerinnen und Schülern einen eigenen Raum zur Verfügung. a7.außeneinsatz wird neue Workshops begleiten, diesmal im außerunterrichtlichen Bereich.

Mit der zentralen Frage, was Kunst für Jugendliche heute alles sein könne, haben die Schülerinnen und Schüler der Heinz-Brandt-Schule als "Art Scouts" die Möglichkeit, zu zwei laufenden Ausstellungen thematische Workshops mit den Künstlerinnen und Künstlern und den Studierenden der Kunsthochschule zu entwickeln. Diese werden dann allen Schülerinnen und Schülern ganzer Jahrgänge der Heinz-Brandt-Schule angeboten. Entlang der von ihnen entwickelten Themen finden in der Jugendkunstschule Pankow Workshopangebote statt, und Werkstätten der Kunsthochschule können miteinbezogen werden. Die Ergebnisse können in den Räumen der KW, im Schülerclub und in der Kunsthochschule präsentiert werden. Ziel ist eine künstlerische Verortung der Teilnehmenden in der Gegenwartskunst und damit verbunden eine neue, positive Erfahrung mit Kunst und Museum. Diese kann durch einen generations- und sozialraumübergreifenden Austausch, die Suche nach persönlichen Bezügen und die kreative Äußerung über die eigene Stimme erfolgen. Die professionelle Umgebung zeitgenössischer Kunst wird so zu einem Ort, der authentische Erfahrungen ermöglicht und nicht Erlebnisse simuliert. Es findet ein Dialog in beide Richtungen statt – das Wissen der Institutionen soll aktiv gemeinsam neu gestaltet werden. Das Projekt richtet sich an alle Schülerinnen und Schüler der Schule.

Labor für (Ver-)Mittlung/Lab for Art Education

Als großen Erfolg der Kooperation zwischen Schule, Kulturinstitution und Kulturagentin kann das Projekt "Labor für (Ver-)Mittlung/Lab for Art Education" gewertet werden. Es wurde in enger Zusammenarbeit mit der Kulturagentin und dem künstlerischen Büro der KW entwickelt und ist mittlerweile fest in der Programm- und Vermittlungskonzeption der KW verankert. Sein Ziel ist es, in Kooperation mit verschiedenen Bildungseinrichtungen und sozialen Institutionen neue Konstellationen experimentell zu erproben, um Grenzen und Hierarchien zu hinterfragen und tradierte Auffassungen einer Ausstellung in beweglichen Rückkoppelungsprozessen neu zu denken. In enger Zusammenarbeit mit dem künstlerischen Büro der KW entwickelt die Kulturagentin und Künstlerin Mona Jas im Rahmen der wechselnden Ausstellungen vielfältige Vermittlungsformate. Ihr "Lab for Art Education" ist mittlerweile fest im Programmkonzept und in den Entwicklungsphasen der KW verankert. Die KW haben bekanntgegeben, dass ab September 2014 außerdem ein permanenter Raum eingerichtet wird, in dem die Ergebnisse aus der Kooperation mit der Heinz-Brandt-Schule gezeigt werden können.9

 

1 Für die Vermittlung der 6. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst entwickelte Mona Jas im Team mit Judith Boegner, Jeanette Gogoll und Dr. Silke Feldhoff – beraten und unterstützt von der Bundeszentrale für Politische Bildung und Dr. Sabine Dengel – die Veranstaltung Rückkopplungen, siehe: www.rueckkopplungen.de/ [28.11.2014].

2 www.kw-berlin.de/de/institution/site_specific_artworks [28.11.2014].

3www.artberlin.de/sammlung/kunstwerke-berlin/ [28.11.2014].

4www.a7-ausseneinsatz.de/ [28.11.2014].

5www.kw-berlin.de/de/exhibitions/523_painting_forever_keilrahmen_46 [1.12.2014].

6www.a7-ausseneinsatz.de/index.php/project/rahmenraeumung/ [28.11.2014].

7www.a7-ausseneinsatz.de/index.php/project/echte-gefuehle/ [28.11.2014].

8Ziemer, Gesa: Komplizenschaft. Neue Perspektiven auf Kollektivität, Bielefeld 2013, S. 12.

9www.kw-berlin.de/de/institution/education [28.11.2014].