Tom Braun
Impulsgeber für kulturelle Schulentwicklung
Tom Braun

Impulsgeber für kulturelle Schulentwicklung

Wie Kulturagenten Schulen mit Kunst und Kultur unterstützen, sich neu zu erfinden

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Ballett-AG der Anne Frank Gesamtschule Dortmund
Foto: Regina Nizamogullari

Liest man die zu Beginn des Modellprogramms "Kulturagenten für kreative Schulen" von den Schulen in Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen beschriebenen Ziele und Wünsche, so lassen sich vor allem vier Dimensionen erkennen:

  • Teilhabe der Schülerinnen und Schüler am Kunst- und Kulturleben ihrer Region verbessern
  • Ästhetisch-kulturelle Praxis als Form der eigenen Welt- und Selbsterschließung für Schülerinnen und Schüler zugänglich machen
  • Ästhetisch-kulturelle Praxis und Kulturkooperationen regulär im Schulleben verankern
  • Profilierung der Schulidentität und bessere Schulbindung

Mit ihren Zielsetzungen entsprechen die Schulen im Modellprogramm der mittlerweile weitverbreiteten Erkenntnis, dass Bildung eine Koproduktion mehrerer Akteurinnen und Akteure ist. Im Falle der Schulen, die sich auf den Weg zu einem Profil mit ästhetisch-kulturellem Schwerpunkt machen, sind dies neben der Schule Kulturinstitutionen, Einrichtungen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung, freischaffende Künstlerinnen und Künstler sowie Kulturpädagoginnen und -pädagogen. Die tragenden Säulen dieser Profilbildung sind Kooperationen mit außerschulischen Kulturpartnern sowie die Nutzung von Kunst- und Kultureinrichtungen als sogenannten dritten Lernort. Damit ist ein zunehmender Prozess der Öffnung der Schulen zu künstlerischen und ästhetischen Ausdrucks- und Gestaltungsformen wie auch zu Organisationskulturen und Handlungskonzepten verbunden, die sich deutlich von ihren eigenen unterscheiden.1 Umso wichtiger ist es für die schulischen Akteurinnen und Akteure, dass eine Verankerung ästhetisch-kultureller Praxis und Kooperationen mit außerschulischen Kulturpartnern einen sinnhaften, verstehbaren und vor allem auch gestaltbaren Zusammenhang mit ihrem genuinen Selbstverständnis bilden, aus dem heraus sie täglich in ihrer Schule handeln.

In Schulen, die sich auf diesen Weg zu einem umfassenden kulturellen Profil machen, stehen die Verantwortlichen daher vor zahlreichen Herausforderungen. Denn um ein Lernen mit und in den Künsten in allen Bereichen des Schullebens zu ermöglichen, gilt es, die individuellen und institutionellen Routinen in der Unterrichtsgestaltung, in den organisatorischen Rahmenbedingungen und in der professionellen Selbstwahrnehmung der aktiv am Schulleben beteiligten Fachkräfte einer Öffnung hin zu neuen Möglichkeiten auszusetzen. Die Frage, wie es einer Schule gelingen kann, die ästhetisch-kulturelle Dimension und damit die Wahrnehmungs- und Gestaltungsfähigkeit der in einer Schule handelnden Menschen in allen Bereichen des Schullebens in den Mittelpunkt zu stellen, führt nicht nur zu einer Auseinandersetzung mit der "Struktur" und den Rahmenbedingungen der Einzelschule, sondern es ist ihre "Schulkultur", die in den Mittelpunkt rückt.

Schulkultur kann verstanden werden als das gelebte Selbstverständnis der an einer Schule beteiligten Menschen, das einerseits von deren Aktionen geschaffen wird und das andererseits bildend auf die Persönlichkeiten und die Strukturen zurückwirkt.2 Die Kultur einer Einzelschule ist zugleich ein Produkt des Umgangs mit dem sie umschreibenden gesellschaftlichen Auftrag zur Sozialisation, Qualifikation und Selektion. Wie sich dieser Bewältigungsprozess jedoch vollzieht und zu welchen schulkulturellen Produkten er führt, ist von den Akteurinnen und Akteuren, ihren (legitimen) Interessen und der Art und Weise ihres Miteinanders abhängig.3 Schulkultur bedeutet in diesem Sinne einen offenen, fortlaufenden Aushandlungsprozess, der zu unterschiedlichen "Produkten" führt, wie etwa zur Organisation des Stundenplans, den eingerichteten Gremien oder den formalen Wegen der Mitbestimmung von Eltern und Schülerschaft. Produkte der Schulkultur sind aber gleichermaßen auch Haltungen, Werte und alltägliche Rituale. Schulkultur bedeutet eine fortlaufende und im Zusammenspiel von organisierter Ordnung, akteursgruppenspezifischen Interessen, individuellen Interessenlagen, dem sozialräumlichen und dem architektonischen Setting sowie der (tradierten) Schulidentität  in der Regel unbewusste Form der Organisationsentwicklung einer Schule.

Bedarfe und Voraussetzungen

Vor diesem Hintergrund standen im Modellprogramm "Kulturagenten für kreative Schulen" vor allem die von den Schulleitungen mit der Koordinierung eines Prozesses zur ästhetisch-kulturellen Schwerpunktsetzung beauftragten Lehrenden vor zahlreichen Fragen. Als Kooperationspartner des Modellprogramms konnte die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) im Rahmen der regionalen Qualifizierung der Kulturagentinnen und Kulturagenten sowie der kulturbeauftragten Lehrkräfte mehrere Werkstatt-Tagungen durchführen. Im Mittelpunkt dieser Werkstätten stand neben der Prozessreflexion der beteiligten Akteure vor allem die Identifizierung konkreter institutioneller Entwicklungsanforderungen, die sich sowohl vor dem Hintergrund allgemeiner schulischer Rahmenbedingen als auch schulpädagogischer Ansprüche ergaben. Aus den Berichten der schulischen Fachkräfte im Rahmen der Werkstatt-Tagungen in Nordrhein-Westfalen lassen sich beispielsweise für die Profilentwicklung folgende Kernfragen ableiten.

  • Wie lässt sich der Prozess der kulturellen Profilentwicklung mit der bestehenden strukturellen und organisatorischen Ordnung unserer Schule verbinden?
  • Welche Konsequenzen ergeben sich für die Unterrichtspraxis der Lehrenden, und wie kann die Unterrichtsqualität gesichert werden?
  • Welche Konsequenzen ergeben sich vor dem Hintergrund der verbindlichen Rahmenbedingungen des schulischen Lehrbetriebs, wie beispielsweise Fächerorientierung, Curriculum, Benotung oder Vergleichsarbeiten, für das Vorhaben einer verstärkten Verankerung künstlerischer Prozesse und Zielvorstellungen?
  • Wie kann ästhetisch-kulturelle Praxis zur Entwicklung überfachlicher Lernkompetenzen der Schülerinnen und Schüler beitragen?
  • Welche Aspekte im Arbeitsalltag der Lehrenden bieten Anknüpfungspunkte für ästhetisch-kulturelle Praxis?
  • Wie lässt sich die Vision eines kulturellen Profils mit dem bereits bestehenden Selbstverständnis unserer Schule verbinden beziehungsweise wie kann und soll sie zu dessen Weiterentwicklung beitragen?

Für die mit der Verankerung ästhetisch-kultureller Praxis und Kulturkooperationen verbundenen Veränderungs- und Entwicklungsprozesse werden aus den Berichten der Schulleitungen und Lehrenden Bedarfe sichtbar, die für die Annehmbarkeit des Vorhabens als wesentlich und unverzichtbare Gelingensbedingungen betrachtet werden können. Mit Bastian lassen sich demnach vor allem fünf Voraussetzungen benennen:4

  • Anschlussfähigkeit: Für die Fachkräfte ist ein konkreter Nutzen für ihre pädagogische Arbeit erkennbar.
  • Fachspezifik: Qualitäten und Prozesse ästhetisch-kultureller Praxis sind für die unterschiedlichen Fächer als praxisleitend adaptierbar.
  • Überfachlichkeit: Überfachliche Lernkompetenzen von Schülerinnen und Schülern werden systematisch durch ästhetisch-kulturelle Praxis gefördert.
  • Professionalisierung: Die Lehrkräfte erfahren durch ästhetisch-kulturelle Praxis eine Unterstützung und Erweiterung ihrer Möglichkeiten, individuelle Lernprozesse zu begleiten.
  • Steuerung: Unterstützende und steuernde Personen schaffen Voraussetzungen für eine Verknüpfung ästhetisch-kultureller Praxis und außerschulischer Kulturkooperationen mit der bestehenden strukturellen und organisatorischen Ordnung der Schule.

Einen transparenten Prozess gestalten

Auf dem Weg zu einer Verankerung ästhetisch-kultureller Praxis und der systematischen Kooperation mit außerschulischen Kulturpartnern stellt sich den Schulen somit ein komplexes Anforderungsprofil, das deutlich über eine Integration ergänzender künstlerischer Angebote hinausgeht. Im Mittelpunkt steht die Anforderung, durch Kunst und Kultur neue Lernarrangements für die Schülerinnen und Schüler zu schaffen. Ausgehend von dem Ziel eines gelingenden Lernens mit Kunst und Kultur ergibt sich die Notwendigkeit, einen transparenten Veränderungsprozess zu gestalten, in dem die beteiligten Fachkräfte die von ihnen benannten Notwendigkeiten berücksichtigt finden. Zugleich muss dieser Veränderungsprozess so angelegt sein, dass er für die Fachkräfte konkrete Beteiligungserfahrungen vorsieht, von denen aus eine Aneignung ästhetisch-kultureller Praxis und von Kulturkooperationen im Sinne der von Bastian formulierten Prämissen von Anschlussfähigkeit, Fachspezifik, Überfachlichkeit und Professionalisierung möglich wird.

Dieser Verankerungsprozess verlangt, dass sich eine Schule in einen Prozess begibt, der die Partizipation und Verantwortung aller intensiviert. Zugleich bedarf es einer klaren Steuerung und Moderation dieses Prozesses durch die Schulleitung beziehungsweise durch die von ihr eingesetzte Steuerungsgruppe. Schulen, die ein umfassendes kulturelles Profil entwickeln wollen, können dies nur nachhaltig und erfolgreich umsetzen, wenn sie die Anforderungen der Schulpolitik ihres Landes, die Entwicklungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten der Organisation der Einzelschule sowie die Bedürfnisse und Ressourcen der Akteurinnen und Akteure gleichermaßen berücksichtigen. In einem geplanten und moderierten Entwicklungsprozess gilt es deshalb alle Ebenen zu beforschen: Welchen Beitrag können die unterschiedlichen Ebenen und Akteure zur Umsetzung ästhetisch-kulturellen Lernens in der Schule leisten? Und welche Ansprüche formulieren sie aus ihrer Sicht jeweils dazu?

Reflexions- und Experimentierräume als Handlungsfelder von Kulturagentinnen und Kulturagenten

Die Kulturagentinnen und Kulturagenten sind aufgrund ihrer Querschnittskompetenz für ästhetisch-kulturelle Prozesse, für die Möglichkeiten von Kultureinrichtungen und für die Bedarfe von Schulen in der Lage, einen entsprechenden Entwicklungsprozess zu begleiten.

Für das professionelle Handeln von Kulturagentinnen und Kulturagenten stellt es eine Grundhaltung dar, von der Schulkultur der von ihnen begleiteten Einzelschule auszugehen. Sie bemühen sich daher, gemeinsam mit der Schulleitung die Akteurinnen und Akteure in der Schule für einen gemeinsamen, ressourcenorientierten Prozess zu gewinnen, in dem sie die Potenziale und Bedarfe der Schulgemeinschaft im Rahmen der institutionellen Voraussetzungen ermitteln. Hierfür nutzen sie sowohl die regulären Wege der Schulgremien wie beispielsweise Steuergruppen, Fach- oder Lehrerkonferenzen als auch neue Formen, indem sie ästhetisch-kulturelle Situationen inszenieren, in denen die Schulgemeinschaft sich als ein Handlungsfeld kreativer Akteure erfährt, dem zahlreiche bisher unergriffene Möglichkeiten zur Verfügung stehen.5 Ziel der Kulturagentinnen und Kulturagenten ist es, in den Blick zu rücken, dass die Schulrealität täglich durch die sich in ihr bewegenden Menschen hervorgebracht wird. Sowohl die Prozesse, die zu den formalen Produkten der Schulkultur führen, als auch die Prozesse, welche die informellen Produkte bedingen, werden von ihnen sichtbar gemacht. Hierzu nutzen die Kulturagentinnen und Kulturagenten neben künstlerischen Formen der Dokumentation ebenfalls Analysetools, wie sie beispielsweise vom Kulturagentenprogramm oder in der "Werkzeugbox Kulturelle Schulentwicklung"6 der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) bereitgestellt werden. Die Analyse der identifizierten schulkulturellen Produkte wird im Rahmen des Moratoriums den funktionsgebundenen und individuellen Ressourcen und Bedürfnissen der unterschiedlichen Akteursgruppen und Akteure gegenübergestellt. Welchen Beitrag können sie zur Umsetzung ästhetisch-kulturellen Lernens in der Schule leisten? Und welche Ansprüche formulieren sie dazu jeweils aus ihrer Sicht?

Ausgehend von den Interessen der Akteurinnen und Akteure und den Notwendigkeiten des Schulbetriebs unterstützen die Kulturagentinnen und Kulturagenten die Arbeit der Steuerungsgruppe Kultur, die alle am Modellprogramm teilnehmenden Schulen eingerichtet haben, indem sie ermitteln, welche Interessen für ihre Schule und ihre Akteure im Vordergrund stehen. Welche Formate eignen sich für eine wirksame Umsetzung? Geht es der Schule vor allem darum, die Kinder und Jugendlichen in ihren Schlüsselkompetenzen zu stärken, sie künstlerisch zu befähigen, als Publikum der Kultureinrichtungen zu qualifizieren, oder geht es um eine kulturelle Schulentwicklung? Neigungsklassen, ästhetisches Forschen im nichtkünstlerischen Unterricht, Kooperationen mit Kulturpartnern und die Einrichtung von Steuerungsgruppen für Kultur et cetera implizieren jeweils unterschiedliche Wirkungsabsichten. Aufgabe der Kulturagentinnen und Kulturagenten kann es im Rahmen dieses Klärungsprozesses sein, bisher unbekannte Möglichkeiten einzubringen und geeignete Kulturpartner und Kontakte zu anderen Schulen zu vermitteln, die sich bereits auf den Weg zu einem Kulturprofil begeben haben.

Kulturagentinnen und Kulturagenten als Schnittstellen

Die nach Bastian vor dem Hintergrund des Kulturagentenprogramms beschriebenen Prämissen für gelingende Prozesse der Schulentwicklung (Anschlussfähigkeit, Fachspezifik, Überfachlichkeit, Professionalisierung, Steuerung) haben verdeutlicht, dass eine Verankerung ästhetisch-kultureller Praxis im Kern des Schulalltags vor allem dann erfolgreich umgesetzt werden kann, wenn sie sich nicht auf unverbundene Einzelmaßnahmen reduzieren. Stattdessen gilt es, in der Schule und mit ihren unterschiedlichen Akteursgruppen ein kreatives, lernendes Feld7 zu initiieren und zu unterstützen. Gerade in der Verankerung neuer, für Schulen in der Regel untypischer künstlerischer und ästhetischer Handlungsprinzipien bedarf es jedoch besonderer Unterstützungsformen, die über die Anforderungen einer inneren Schulentwicklung hinausgehen. Die Entwicklungskapazitäten der Einzelschulen können vor allem durch die Initiierung eines kreativen Feldes, das über die institutionellen Grenzen der Einzelschule hinaus erweitert wird, gestärkt werden.8 In der Schulentwicklungstheorie werden von Fullan9 sowie unter anderem von Barber, Chijioke und Mourshed10 regionale Vernetzungen zwischen mehreren Schulen als Grundvoraussetzung für ein Lernen der Institution Schule und eine Anpassung ihrer organisierten und strukturellen Handlungsordnungen beschrieben. Gerade im Falle einer Verankerung von zunächst als exterritorial empfundenen Lern- und Lehrwegen erleichtert ein Abgleich der eigenen Überlegungen und Entwicklungsschritte mit denen anderer Schulkollegien sowohl das Erkennen und Beurteilen bisher ungenutzter schulischer Möglichkeiten und ästhetisch-kultureller Potenziale als auch die Etablierung nachhaltig belastbarer Struktur- und Praxismodelle. Schulnetzwerke stellen in diesem Sinne eine zentrale Entwicklungsressource für die Gestaltung von Schulentwicklungsprozessen dar, weil sie innerschulische Begründungszusammenhänge etablieren und legitimieren sowie schulische Umsetzungsmodelle absichern.

Nicht zuletzt deshalb liegt eine Aufgabe von Kulturagentinnen und Kulturagenten darin, Schnittstelle und Moderierende zu sein. Ihre Aufgabe und Möglichkeit ist es, Schulen in ihrer regionalen Vernetzung zu unterstützen. Dies ist vor allem deshalb besonders wichtig, da im Falle der Verankerung ästhetisch-kultureller Praxis und von Kooperationen mit außerschulischen Kulturpartnern eine Erweiterung dieses interschulischen Entwicklungsnetzwerkes um regionale Kulturpartner notwendig ist. Aufgabe der Kulturagentinnen und Kulturagenten ist es daher besonders, Begegnungen zwischen schulischen Akteurinnen und Akteuren sowie Kulturpartnern zu initiieren. Um eine Verankerung von Kooperationen und ästhetisch-kultureller Praxis durch die Begegnung mit Kulturpartnern unterstützen zu können, gilt es, die Begegnungen von Kultur und Schule dahingehend zu moderieren, dass die Unterschiedlichkeit ihrer Handlungslogiken mit einem besonderen Aufforderungscharakter verbunden werden kann. Dies gelingt vor allem, indem Kulturagentinnen und Kulturagenten Begegnungen zwischen Schulen und Kulturpartnern initiieren und begleiten, die auf ein gemeinsames Vorhaben und ein gemeinsames Handeln orientiert sind. Die praktische Erkenntnis, dass die eigenen begrenzten schulischen Entwicklungskapazitäten durch die Öffnung zu Kulturpartnern eine Erweiterung erfahren, stellt eine unverzichtbare Voraussetzung dar, innerschulische Entwicklungsprozesse anzuregen und fortzuschreiben. Die Initiierung und Moderation gemeinsamer Kulturprojekte von Schulen und Kultureinrichtungen durch Kulturagentinnen und Kulturagenten stellen in diesem Sinne weit mehr als Angebote ästhetisch-kultureller Praxis mit der beziehungsweise für die Schülerschaft dar: Ihre Funktion liegt aus Sicht der Schulentwicklung auch darin, Entwicklungskapazitäten einer äußeren Schulentwicklung zu erschließen, indem sie ein anregendes regionales Netzwerk schaffen. Es liegt in der besonderen Rolle von Kulturagentinnen und Kulturagenten begründet, dass sie in der Lage sind, innerschulische Entwicklungskapazitäten, wie Steuergruppen, Fachkonferenzen, unter anderem mit außerschulischen Kapazitäten der Kulturpartner in Kontakt und Kooperation zu bringen. Es ist durchgängig ihre Aufgabe, die in Kooperationen mit den außerschulischen Partnern gewonnenen ästhetischen, künstlerischen wie auch organisatorischen und individuellen Erfahrungen der Schule und ihrer Akteurinnen und Akteure für Prozesse einer Rekontextualisierung,11 das heißt für eine Weiterentwicklung in Bezug auf den individuellen Kontext der Einzelschule, zu nutzen.

In der Begegnung sowohl mit der ungewohnten Perspektive einer Kulturagentin/eines Kulturagenten, aber auch in der Diskussion mit den Vertreterinnen und Vertretern anderer Schulen und nicht zuletzt mit den abweichenden Handlungs- und Organisationslogiken außerschulischer Kulturpartner erhalten Schulen die Möglichkeit, ihrer eigenen Vision von einer Verankerung ästhetisch-kultureller Praxis in ihrer eigenen Lern- und Lehrkultur auf die Spur zu kommen. Von den durch die Vermittlungsarbeit der Kulturagentinnen und Kulturagenten initiierten Anstöße für Akteurinnen und Akteure anderer Schulen und für Kulturpartner, die gleichermaßen außerhalb der individuellen Schulkultur der Einzelschule stehen, gehen Impulse aus, etwas Eigenes zu gestalten. Das heißt, Kulturagentinnen und Kulturagenten unterstützen Schulen darin, ihre Schulpraxis wie auch ihr regionales Umfeld als Kontext zu erschließen, aus dem heraus eine fortwährende Weiterentwicklung für ein Lernen und Leben mit Kunst und Kultur möglich wird. Die Mission von Kulturagentinnen und Kulturagenten ist es, kurz gesagt, die Akteurinnen und Akteure einer Schule mit Kunst und Kultur dabei zu unterstützen, ihre Schule neu zu erfinden.

Literatur

Braun, Tom; Fuchs, Max; Kelb, Viola; Schorn, Brigitte (Hg.): Auf dem Weg zur Kulturschule II. Weitere Bausteine zu Theorie und Praxis der kulturellen Schulentwicklung, München 2013.

Ders.: "Kulturelle Schulentwicklung", in: Bockhorst, Hildegard; Reinwand, Vanessa; Zacharias, Wolfgang (Hg.): Handbuch Kulturelle Bildung, München 2012, S. 722–727.

Ders.: "Inklusion als systematischer Ansatz für eine kulturelle Schulentwicklung", in: Stutz, Ulrike (Hg.): Kunstpädagogik im Kontext von Ganztagsbildung und Sozialraumorientierung. Zu einer strukturellen Partizipation in der kunstpädagogischen Praxis, München 2012, S. 196–214.

Ders., Fuchs, Max; Kelb,Viola: Auf dem Weg zur Kulturschule I. Bausteine zu Theorie und Praxis der kulturellen Schulentwicklung, München 2010.

Fuchs, Max: Die Kulturschule. Konzept und theoretische Grundlagen, München 2012.

1 Vgl. Braun, Tom: "Kulturschule und Schulkultur. Raum schaffen für ästhetisches Lernen", in: Kulturelle Bildung, Nr. 10, 2013b, S. 16–19.

2 Vgl. Fuchs, Max/ Braun, Tom: "Zur Konzeption und Gestaltung einer kulturellen Schulentwicklung", in: Braun, Tom (Hg.): Lebenskunst lernen in der Schule. Mehr Chancen durch kulturelle Schulentwicklung, München 2011, S. 228–260, hier: S. 249ff.

3 Vgl. Braun, Tom (2013b), a. a. O.

4 Bastian, Johannes: "Kulturelle Bildung – ein Motor für kulturelle Schulentwicklung. Fragen an das Konzept einer ,Kulturellen Schulentwicklung"", in: Fuchs, Max; Braun, Tom (Hg.): Die Kulturschule und kulturelle Schulentwicklung. Grundlagen, Analysen, Kritik, Bd. I, Weinheim/Basel 2015.

5 Vgl. Braun, Tom: "Kulturelle Schulentwicklung auf der Schwelle zwischen Kunst und Schulalltag", in: Braun, Tom (Hg.): Lebenskunst lernen in der Schule. Mehr Chancen durch kulturelle Schulentwicklung, München 2011, S. 261–284, hier: 261ff.

6 www.kultur-macht-schule.de [25.01.2015].

7 Vgl. Burow, Olaf-Axel: Organisation als kreatives Feld, Kassel 2005.

8 Vgl. Buhren, Claus G.; Rolff, Hans-Günter (Hg.): Handbuch Schulentwicklung und Schulentwicklungsberatung, Weinheim, Basel 2012, S. 37.

9 Fullan, M.: All Systems Go – The Change Imperative for Whole System Reform, London 2010, S. 35ff.

10 Barber, M.; Chijioke, C.; Mourshed, M.: "How the World"s most improved School Systems keep getting Better", 2010, S. 14ff, online: www.learningteacher.eu/news/2011/01/how-worlds-most-improved-school-systems-keep-getting-better?page=5 [25.01.2015].

11 Vgl. Fend, Helmuth: "Gute Schulen – Schlechte Schulen. Die einzelne Schule als pädagogische Handlungseinheit", in: Die Deutsche Schule 78 (3), 1986, S. 275–293, hier: S. 275f.