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Kooperation wird System: Kultur macht Schule - Bilanz der LKJ Baden-Württemberg
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Die Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (LKJ) Baden-Württemberg ist Träger des Landesbüros Baden-Württemberg "Kulturagenten für kreative Schulen" und als Kooperationspartner für die fachliche Umsetzung und Koordination in Baden-Württemberg verantwortlich. Diese Aufgabe schließt sehr gut an die Arbeitsfelder, die Kompetenzen und die Ziele der LKJ an:
Die LKJ ist Dachverband von 26 landesweiten Organisationen der kulturellen Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen. Das Spektrum umfasst Musik, Theater, Tanz, Rhythmik, Foto, Film, Multimedia, Literatur, Kunst, Zirkus sowie Kinder- und Jugendmuseen. Die weitere Stärkung der kulturellen Bildung als wichtiger Teil der Allgemeinbildung für alle Kinder und Jugendlichen in Baden-Württemberg ist ein zentrales Anliegen der LKJ. Sie wird von Politik und Ministerien im Land immer wieder im Rahmen von Fachbeiräten und landesweiten Arbeitsgruppen in aktuelle Diskurse und Entwicklungen im Kultur- und Bildungsbereich einbezogen. Das Thema der Kooperation zwischen Schulen und außerschulischen Partnern aus dem Bereich von Kunst und Kultur spielte hier in den letzten Jahren eine zunehmend große Rolle. So hat die Kunstkonzeption des Landes Baden-Württemberg "Kultur 2020" aus dem Jahr 2011 die kulturelle Bildung zum Schwerpunktthema gemacht. Ein daraufhin vom Land berufener "Fachbeirat Kulturelle Bildung", in dem auch die LKJ vertreten ist, hat im Jahr 2013 "Empfehlungen zur kulturellen Bildung" veröffentlicht, in denen die Bedeutung von Kooperationen mit Schulen für eine nachhaltige Entwicklung der kulturellen Bildung unterstrichen wird.
Foto: Reiner Pfisterer
Getragen von der Überzeugung, dass kulturelle Bildung ein wichtiger Teil der Allgemeinbildung ist, die in schulischen und außerschulischen, in formellen und informellen Lernkontexten erworben wird, steht das Thema "Schule und Kultur" schon lange auf der Agenda der LKJ. Welche Entwicklungen und Erfahrungen im Feld "Kooperation mit Schule" aktuell vorliegen, zeigte die LKJ zuletzt mit zwei großen Fachtagungen, bei denen Expertinnen und Experten aus Theorie und Praxis zum Thema "Schule und Kultur" ihre Arbeit vorstellten. Das LKJ-Internetportal "Kooperationskompass Kulturelle Bildung" bietet Know-how für kreative Partnerschaften von Schulen und Kulturschaffenden und stellt Best-practice-Beispiele vor. Mit dem Schülermentorenprogramm "Kulturstarter" werden Schülerinnen und Schüler aus Baden-Württemberg qualifiziert und motiviert, das kulturelle Leben an ihrer Schule aktiv mitzugestalten.
Vor dem Hintergrund dieses Engagements war die Beteiligung an der Umsetzung des Modellprogramms "Kulturagenten für kreative Schulen" in Baden-Württemberg für die LKJ vielversprechend. Anknüpfungspunkt war dabei die auch von vielen anderen Akteuren immer wieder bestätigte Erfahrung, dass es mittlerweile vielfältige Kooperationen mit Schulen im Feld der kulturellen Bildung gibt, die aber oft punktuell, temporär und singulär bleiben und als Angebote nicht in das System Schule integriert sind. Diese Kooperationen kommen häufig durch persönliche Netzwerke und durch das besondere und zusätzliche Engagement einzelner Lehrerinnen und Lehrer zustande und beziehen sich auf ihre jeweiligen Klassen. Sie sind oft Highlights und Ausnahmen zugleich und selten mit dem Schulunterricht und dessen Themen verknüpft. Aus systemischer Sicht bleiben diese Kooperationen oft "am Rande" des Bildungssystems Schule und sind nicht in das Kerngeschäft schulischer Allgemeinbildung integriert. Diese "Randlage" bedingt auch, dass sich die durchaus verschiedenen Lernkulturen der Kooperationspartner eher nicht befruchten oder gemeinsam weiterentwickeln können. Die Kooperationspartner empfinden diese Situation häufig als "ungleich", sie drücken dies mit dem von beiden Seiten formulierten Wunsch nach einer "Kooperation auf Augenhöhe" aus.
Die Stärke des Kulturagentenprogramms liegt darin, dass es durch sein Setting und durch die damit verbundenen personellen und finanziellen Ressourcen interessierte Schulen dabei unterstützt, ihre Strukturen und Konzepte so zu gestalten, dass eine "Kooperation auf Augenhöhe" kontinuierlich und nachhaltig umgesetzt werden kann. Dabei wird mehr entwickelt als eine weitere Abfolge einzelner Kooperationsprojekte. Alle Aktivitäten zielen darauf, ein von den Schulen selbst formuliertes Konzept der kulturellen Bildung zu erproben und umzusetzen und ein entsprechendes Profil zu entwickeln, das aktuell und zukünftig handlungsleitend für alle Akteure im jeweiligen System Schule und für die Kooperationspartner ist. Die Kulturagentinnen und Kulturagenten haben in diesen Prozessen eine zentrale Rolle: Sie sind Experten, Vermittler, Aktivatoren und Prozessbegleiter für die Entwicklung von tragfähigen und verlässlichen Kooperationen zwischen Schule und Kulturinstitution sowie Kulturschaffenden. Dadurch werden die Schulen befähigt, ihre Wünsche und Bedarfe zu formulieren, und die Kulturpartner müssen abwägen, ob sie diesen Wünschen nachkommen wollen und können. Die Steuerung und aktive Begleitung dieser Schnittstelle ist eine neue Funktion im Feld von Kooperationen und eröffnet die Möglichkeit, auf beide Systeme (Schule und Kultur) einzuwirken und ihre Bildungspotenziale zu integrieren.
In diesem konzeptionellen Setting sieht die LKJ eine große Chance, kulturelle Bildung in der Schule über stabile Kooperationsstrukturen zu etablieren, aufzubauen und zu verankern. Das Kulturagentenprogramm stärkt das Feld der kulturellen Bildung auch landesweit. Die vielfältigen positiven Entwicklungen an den 24 beteiligten Schulen in Baden-Württemberg werden in den Kommunen und auf Landesebene von Politik, Verwaltung und Fachöffentlichkeit mit Interesse wahrgenommen. So hat das Kultusministerium im Jahr 2013 damit begonnen, Kulturbeauftragte in den Lehrerkollegien einzurichten; inzwischen sind über 1.000 Schulen in Baden-Württemberg mit Kulturbeauftragten registriert.
Zentrale Erkenntnis des Kulturagentenprogramms ist bereits jetzt, dass die Qualität dieser Entwicklungsprozesse durch zwei wichtige Faktoren beeinflusst wurden: durch Aktivierung und durch Erfahrungsaustausch. Beides leisteten die Kulturagentinnen und Kulturagenten vor Ort. Beides leistete auch das Landesbüro Baden-Württemberg "Kulturagenten für kreative Schulen" mit kontinuierlichen Weiterbildungen und der fachlichen Begleitung aller Akteure im Land. Mit regelmäßigen Veranstaltungen für die teilnehmenden Leitungen und die Kulturbeauftragten der Schulen sowie mit einer Reihe von Transferveranstaltungen vor Ort etablierte das Landesbüro Formen des Erfahrungsaustauschs und der gegenseitigen Beratung zwischen Schulen und Kulturschaffenden, die lokale und regionale Besonderheiten berücksichtigten. Für den Blick über den Tellerrad organisierte das Landesbüro Inputs und Inspirationen durch die Begegnung mit Fachleuten aus Baden-Württemberg und dem gesamten Bundesgebiet sowie international führenden Expertinnen und Experten aus dem Bereich der kulturellen Bildung.
Durch das Kulturagentenprogramm ist mittlerweile ein umfangreiches Erfahrungs- und Handlungswissen für die verlässliche und qualitätsvolle Gestaltung von Kooperationen zwischen Schule und Kultur entstanden. Durch den Transfer dieses Wissens ist es möglich, "aus Erfahrungen zu lernen" und Entwicklungsprozesse für interessierte neue Akteure abzukürzen. Eine zentrale Aufgabe für die Zukunft wird es sein, dieses Erfahrungs- und Wissenskapital aktivierend und motivierend an interessierte Schulen und Kooperationspartner weiterzugeben. Mit dem Signal zur Fortsetzung des Kulturagentenprogramms über das Jahr 2015 hinaus ist bereits ein weiterer wichtiger Schritt getan.
Nach Programmende kann eine solche aktivierende Funktion aus Sicht der LKJ durch eine landesweite Koordinationsstelle "Kultur und Schule" erfüllt werden, die berät, aktiviert, coacht und mit regelmäßigen Veranstaltungen einen produktiven Erfahrungsaustausch im Land gewährleistet. Das Landesbüro Baden-Württemberg "Kulturagenten für kreative Schulen" könnte nach Programmende zu einer solchen Fachstelle ausgebaut werden.
Das Kulturagentenprogramm bestätigt eindrücklich, was die LKJ und ihre Mitgliedverbände bereits 2005 in einem Positionspapier formuliert haben: Kooperationen entstehen nicht von allein. Sie müssen angeregt, qualifiziert und auch finanziell gefördert werden. "Von Projekten zu Strukturen", das Motto, das die Grundlage der Arbeit der Kulturagentinnen und Kulturagenten in der Schule war, lässt sich aus Sicht der LKJ als Forderung auch an die Bildungs-, Kultur- und Jugendpolitik in Baden Württemberg formulieren.