Anja Edelmann
Donatello und das „ÄMM FFAU“
Anja Edelmann

Donatello und das „ÄMM FFAU“

Kurzbeschreibung

Im Rahmen des Kulturagentenprogramms sind das Bode-Museum bzw. die Staatlichen Museen zu Berlin und das Schulnetzwerk aus dem Bezirk Reinickendorf eine intensive Kooperation eingegangen. Zwischen 2011 und 2015 konnte so eine Vielzahl von Projekten erprobt und durchgeführt werden. Dazu zählen das Ausstellungsprojekt „Das Märkische Viertel zu Hause im Bode-Museum“, das Fotoprojekt „Licht und Schatten“, der „Museumskoffer“, zahllose „Peer-to-Peer“ Führungen, das „Museum der Gefühle“ , Museumsprojekttage für Jahrgangsstufen und viele weitere Treffen und Museumsbesuche verschiedener Einzelklassen. Zum Abschluss des Kulturagentenprogramms fand im Frühjahr 2015 auf der Museumsinsel ein interaktiver fächer- und jahrgangsstufenübergreifender Projekttag mit allen fast 1.000 Schülerinnen und Schülern des Thomas-Mann-Gymnasiums statt.

Bundesland

Berlin

Ort

Berlin

Beteiligte Klassenstufen

7 bis 13

Thema

Kooperation zwischen Schule und Museum

Format

Projektwochen, Projekttage, AG, im Unterricht

Beteiligte Schülerinnen und Schüler

ca. 1.500

Projektdauer

2011-2015

Durchführungsorte

In der Schule
im Museum und in der Stadt

Schule und Museum: Gegensätze fruchtbar machen

"Achtung! Horde im Anmarsch!" – eine Schülergruppe der 11. Klasse des Thomas-Mann-Gymnasiums aus dem Märkischen Viertel, dem MV, liebevoll auch "ÄMM FFAU", einer Großwohnsiedlung am nördlichen Stadtrand Berlins, ist auf dem Weg ins Bode-Museum. Gerade schieben sich die letzten Schülerinnen und Schüler durch die schweren Eingangstüren des neobarocken Museumsgebäudes, das die Spitze der Museumsinsel bildet. Während die Dame an der Kasse noch mit der kritischen Prüfung der Anmeldebestätigung beschäftigt ist, kämpft sich ihre Kollegin an der Garderobe gegenüber tapfer durch den stetig wachsenden Anorak- und Rucksackberg, der sich hinter ihrem Tresen aufzutürmen beginnt. Endlich sind die 32 Eintrittskarten verteilt; die Lehrerin erläutert ein weiteres Mal, warum die 1,5-Literflasche Cola und die angebissene Stulle nicht mit in die Ausstellungsräume können und schickt einen kleinen Schülertrupp wieder zurück ins Freie.

Basecaps werden tiefer in die Stirn gezogen, grellpink gefärbte Haarpartien in Form gedrückt, Hosenbünde aus den Kniekehlen zurück auf die Hüften geschoben. Aufgeklebte rot lackierte Fingernägel manövrieren in atemberaubender Taktung auf der Oberfläche von Smartphones; aus einigen Handys ertönen die neuesten Musikentdeckungen des Vorabends. "Die Horde" formiert sich unter stetig wachsendem Lärmpegel in der großen Eingangshalle. Zeitgleich begeben sich die Museumsaufsichten in ihren dunkelblauen Uniformen auf ihre eingespielten Beobachtungs- und Gefechtsposten in Position.

Majestätisch blickt derweil der Große Kurfürst von seinem Ross über die Szenerie hoch zur Empore. Dort steht der Museumsleiter in Anzug und Krawatte und unterhält sich mit gedämpfter Stimme und feinem französischen Akzent mit einem Kurator und dem Chefrestaurator über den Abbau der Sonderausstellung und die Verlegung eines der Zentralwerke Donatellos zurück auf Ebene eins. Eine immer weiter anschwellende Geräuschkulisse breitet sich von unten kraftvoll unter der großen Kuppel aus, und der wachsende Unmut innerhalb der Horde, die noch nicht begriffen zu haben scheint, was sie an diesem Ort verloren hat, ist bis in die Kuppelspitze spürbar.

Der Museumsleiter bewegt sich die Treppe hinunter auf die Horde zu und hebt seine Stimme: "Liebe Schülerinnen und Schüler aus dem Märkischen Viertel, herzlich willkommen im Bode-Museum, ich bin Dr. Chapuis, Leiter der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst, und freue mich sehr, dass Sie heute hier sind. Es ist wichtig, dass Sie hier sind, denn das ist Ihr Museum, und wir brauchen Sie hier. Ich bin neugierig, was Sie uns sagen werden …"

Beziehung zwischen zwei Systemen

Was wie ein "kulturelles Bildungsmärchen" klingt, ist ein Zwischenstand auf dem harten und steinigen Weg, eine ernsthafte Beziehung zwischen zwei Systemen aufzubauen, die zwar oberflächlich gesehen durch ihren gemeinsamen Bildungsauftrag dicht beieinanderliegen, aber gleichzeitig Lichtjahre voneinander getrennt sind. Welches Potenzial verbirgt sich hinter solchen systemischen Gegensätzen? Wie können sie fruchtbar gemacht werden? Und welche Rollen können Kulturagentinnen und Kulturagenten innerhalb dieser Prozesse einnehmen?

Hierzu im Folgenden einige Beobachtungen und Hinweise aus meiner Kulturagentenarbeit mit dem Schulnetzwerk aus dem Märkischen Viertel in Zusammenarbeit mit dem Bode-Museum.

Projektpräsentation "Das Märkische Viertel zu Hause im Bode-Museum" 2013;
Foto: Sigrid Otto

Sommerprojekttage 2013
Foto: Anja Edelmann

Projekt "Licht und Schatten"
Foto: Mona, Schülerin der Bettina-von-Arnim-Schule

Schülerinnen und Schüler der Bettina-von-Arnim-Schule im Projektmodul "Architektur und Performance" 2013
Foto: Klaudia Stoll und Jacqueline Wachall

Projekttag "Architektur und Performance" 2013
Foto: Dagny Schaffran

Willkommensgeste und Ermächtigungsmoment

Das Museum als Ort erschließt sich nicht von selbst. Der Einstieg in die gemeinsame Arbeit spielt deshalb eine zentrale Rolle. Das Beispiel in der Einleitung beschreibt nur andeutungsweise, welche unterschiedlichen Erfahrungshintergründe und Erwartungen bei der Begegnung von Schule und Museum aufeinandertreffen. Für eine nicht zu unterschätzende Anzahl von Schülerinnen und Schülern ist der Museumsbesuch mit der Schule der Erstkontakt mit dieser Art von Kulturinstitution. Sie betreten damit ein für sie fremdes Terrain, auf dem sie sich meist nicht willkommen, ja, oft nicht einmal geduldet fühlen. Diese Unsicherheit, möglicherweise von Generationen überdauernden Vorurteilen gespeist, verstärkt eine latent negative Gruppendynamik, die bei "von Schule" verordneten Zwangsausflügen häufig mitschwingt. Es ist wichtig, diesen Erwartungen und Vorurteilen gleich zu Beginn eine positive "Überraschung" entgegenzusetzen, was Dr. Chapuis mit seinen Worten gelungen ist. Nur so können sich Türen für neue Erfahrungsweisen von Museum und Kultur öffnen.

Bei Projektbeginn haben sowohl das Museum als auch die Schule in einer gemeinsamen Vorbereitung und Abstimmung viel in der Hand, denn hier wird für Schülerinnen und Schüler am schnellsten sichtbar, mit welcher Haltung und Ernsthaftigkeit man ihnen begegnet. In dem Moment, in dem sich alle Beteiligten, also nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Vertreterinnen und Vertreter von Schule und Museum, in eine lernende Haltung begeben, entsteht für alle in der gemeinsamen Arbeit ungeahntes Entwicklungspotenzial. Das Museum ist darauf angewiesen, junge Zielgruppen für sich zu interessieren und durch sie zu lernen. Denn nur so kann es auf ihre Bedürfnisse und damit auf die der Besucherinnen und Besucher der Zukunft eingehen.

Dies bereichert nicht nur Schülerinnen und Schüler. Es dient ganz entscheidend auch dem Museum, zukunftsfähig zu bleiben, sowie der Schule, das Bildungs- und Vermittlungsniveau ihrer Arbeit zu heben. Wenn Unterrichtsinhalte nicht nur durch Lehrervortrag, Bücher, Lehrfilme und Internetrecherche vermittelt werden, sondern die Erzählkraft von Originalen und der klug konstruierte Kontext von anspruchsvollen Ausstellungskonzeptionen ergänzend zur Schule ein anschauliches und erlebbares Lernumfeld bilden, dann können ganz neue Bezüge innerhalb unterschiedlicher Wissensfelder sichtbar gemacht und komplexes Lernen ermöglicht werden. Zudem kann es für die Routinen an der Schule eine enorme Bereicherung darstellen, wenn Lehrkräfte ihr meist unangetastetes Wissensmonopol innerhalb des Klassenraums aufgeben, um sich – zusammen mit ihren Schülerinnen und Schülern – selbst neues Wissen an außerschulischen Lernorten anzueignen. Allein die Erfahrung für Lehrkräfte, selbst wieder Wissen "vermittelt" zu bekommen, kann für den eigenen Unterrichtsstil ein enorm wirksamer Spiegel sein.

Museum im Austausch mit Schule

Ist das Museum ebenfalls bereit, sich im Austausch mit den Schulen in einen Reflexions- und Lernprozess zu begeben und zum Beispiel damit auch den eigenen Umgang mit Deutungshoheiten zu hinterfragen, kann das Museum tatsächlich zum lebendigen Lernraum für alle werden. Eine echte Zusammenarbeit zwischen den Institutionen Schule und Museum erfordert daher immer eine grundlegende Verständigung über einen gemeinsam zu entwickelnden Bildungsbegriff und ein Bewusstsein für das Selbstverständnis des Partners.

Die Arbeit am Bode-Museum hat gezeigt, dass ein Museum Schülerinnen und Schülern nicht allein die Einladung, sondern ausdrücklich die "Ermächtigung" erteilen muss, sich dieses auch als "ihren" Ort anzueignen und zu ihrem Museum zu machen. Eine Begegnung auf Augenhöhe macht eine Schülergruppe zu einem innovativen Partner. Gelingt es dem Museum, Neugier und wirkliches Interesse an dieser Zielgruppe zu entwickeln und auch sichtbar zu machen, holt es sich mit Schulklassen zugleich eine Expertise darüber ins Haus, wie man in sein zukünftiges Publikum investiert. Das Museum kann hier durch eine Öffnung viel in Bewegung bringen. Es ist diejenige Seite, die effizient in Vorleistung gehen kann und so bei den Schülerinnen und Schülern die Voraussetzung für die Bereitschaft schafft, sich auf das neue Terrain einzulassen.

Unsicherheit als kraftvoller Einstieg

Neben den Willkommens- und Ermächtigungsgesten spielt die Fähigkeit (sowohl aufseiten des Museums als auch aufseiten der Lehrerinnen und Lehrer) eine entscheidende Rolle, die sich oft zu Beginn einstellende Überforderung zuzulassen und auszuhalten. Das Museum in seiner Andersartigkeit, Größe und Unübersichtlichkeit kann ungeübte Besucherinnen und Besucher verunsichern und überwältigen, weil es oft schwer ist, einen Weg zu finden, wie es sich erschließen lässt. Für viele Schülerinnen und Schüler ist das Museum zudem ein veralteter, quasi unangenehm "analoger" Ort, an dem nichts konsumiert werden kann und eine "benutzerfreundliche, intuitive Bedienungsführung" schmerzlich vermisst wird. Das Museum kann mehr als unbequem sein. Gelingt es ihm aber, die junge Generation für seine Erzählkraft und die unverwechselbare Ausstrahlung der Objekte zu begeistern, kann gerade sie eine ganze Menge gewinnen. Denn hier sind durch die sinnlich-direkte Begegnung mit den Originalen genau die unmittelbaren Erfahrungen möglich, die in der Alltagswelt der "Online-Generation" immer weiter abhandenkommen. Wird die anfängliche Orientierungslosigkeit und Unsicherheit im Museumsraum zugelassen und ausgehalten, kann dies ein sehr kraftvoller Einstieg in eine tatsächliche Annäherung an das Universum "Museum" werden. Es passiert leider immer noch viel zu häufig, dass Schülerinnen und Schüler von Erwachsenen vorverdaute Informationshäppchen in einem meist anderthalbstündigen, monologisch geführten Ritt durch die Sammlung zwangsverabreicht bekommen und es dann viel zu wenig Gelegenheit gibt, das Museum als "anderen" Raum wahrzunehmen, den es durch Neugier und eigenes Forschen selbst zu erobern gilt.

Individueller Zugang und eigene Gefühle als Schlüssel

"Was hat das mit mir zu tun?" ist die berechtigte kritische Hinterfragung des Sinns einer meist von oben verordneten Lernerfahrung. Ein subjektiver, persönlicher Einstieg ist entscheidend für das Anknüpfen an die eigenen Wahrnehmungen, Empfindungen und Lebenserfahrungen und somit für einen erfolgreichen Museumsbesuch. Große Kunstwerke in einem klug konstruierten Kontext sind Ausdruck von Lebensgefühl, Weltsicht und Weisheit. Sie sind, wenn man gelernt hat, ihnen zuzuhören, per se die kraftvollsten und effizientesten Vermittler – ungeachtet des jeweiligen Bildungshintergrunds des Betrachters.

Entsteht am Anfang eines Museumsbesuchs ein lebendiges und bewusst wahrgenommenes Gefühl und macht daraus die Klammer für die darauffolgenden Lernerfahrungen; so entsteht eine deutlich tiefere Verbindung zu dem neu Erfahrenen, dem Dazugelernten, im Prinzip zu jeder neu ins individuelle Wahrnehmungssystem eingehenden Information. Denn eine "innere Bewegtheit" in Form eines emotionalen Ausschlags, am besten natürlich zu einem positiven Gefühl, ist laut Gerald Hüther1, Neurobiologe, die zentrale Grundbedingung für Lernprozesse. Nur darüber entscheidet sich, ob das jeweilige individuelle System neue Informationen aufnehmen und nachhaltig speichern will. Gerade in der Auseinandersetzung mit Kunstwerken kann dieser Moment besonders intensiv genutzt werden.

Das Geltenlassen der eigenen Gefühle, der eigenen Lebenserfahrungen und der damit verbundenen Gefühlswelten als Erfahrung neben der wissenschaftlichen Expertise kann der Schlüssel zur Aneignung werden. Wird diese Form der Expertise anerkannt, kann sie der Zugang zu weiteren Formen des Wissens werden. Wenn beispielsweise Schülerinnen und Schüler ermächtigt werden, selbst durch eine Sammlung zu führen, signalisiert das Museum damit Vertrauen in ihre Fähigkeiten und ihre Kompetenz und gibt damit zugleich ein Stück weit Deutungshoheit ab. Als "Experte" zu gelten, fördert wiederum das Entstehen einer intrinsischen Motivation, sich weiteres Wissen erschließen und aneignen zu wollen. Dabei entsteht auf einmal eine Umkehrung verbreiteter negativer Dynamiken, indem Schülerinnen und Schüler in Eigeninitiative weitere Quellen und das Wissen von anderen Experten heranziehen wollen.

Eigene Ausdrucksmöglichkeiten

"Wo komme ich hier vor?" "Kann ich mich in den Museumsbezügen als Vergangenem sowie im Aktuellen, Zukünftigen verorten?" – Oftmals wird das Museum von Schülerinnen und Schülern als ein "zu Ende definierter Raum" wahrgenommen, in dem kein Platz für das eigene Vorkommen ist. Gibt es dafür keinen Raum, so ist man bereits zu Beginn am Ende der Aufmerksamkeit angekommen. Räume für den eigenen Ausdruck, für das eigene Vorkommen sind daher nicht nur zwingend für eine gelungene Lernerfahrung von Schülerinnen und Schülern wichtig, sondern auch für die Relevanz von Museen überhaupt.

Es gibt viele Möglichkeiten, wie ein Museum Raum für den Ausdruck seiner Besucherinnen und Besucher schaffen kann: Performance, Zeichnen, Schreiben, Diskutieren, Modellieren, Fotografieren, Filmen, interdisziplinäre Ansätze und so weiter. Ziel sollte es sein, eine Balance zwischen kognitiven und künstlerisch-praktischen Aktivitäten zu finden. Eigene Gedanken, Gefühle, Argumente, Fragen, Wünsche und Diskurse müssen zumindest stellenweise sichtbar werden, und zwar idealerweise innerhalb des jeweiligen Museumskontexts. Durch die vorangegangene intensive Zusammenarbeit war das Vertrauen vonseiten des Bode-Museums in eine fundierte Zusammenarbeit mit dem Schulnetzwerk so gewachsen, dass das Museum den Schülerinnen und Schülern beim Projekt "Das Märkische Viertel zu Hause im Bode-Museum"2 die Möglichkeit eingeräumt hat, in den Museumsräumen in direktem Kontext der Originale ihre Projektergebnisse bei einer Präsentation der Öffentlichkeit vorzustellen. Dies ist von den Schülerinnen und Schülern als sehr wertschätzende Geste verstanden worden, die zugleich die Möglichkeit sichtbar gemacht hat, in der Kooperation neue Vermittlungswege zu beschreiten.

Gegenseitige Öffnung

Zur Entwicklung von Projekten werden idealerweise heterogene Teams aus Lehrerinnen und Lehrern, Kunstvermittlerinnen und -vermittlern, Kunstschaffenden, externen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie den Schülerinnen und Schülern gebildet. Diese verschiedenen Ansätze und Herangehensweisen bei der Entwicklung mit Vermittlungsprojekten im Museum zu nutzen, inspiriert alle Beteiligte und bereichert jedes Projekt.

Wenn darüber hinaus nicht nur Schülerinnen und Schüler im Museum vorkommen, sondern auch das Museum in der Schule sichtbar wird, dann entsteht eine neue Dimension der Kooperationsbeziehung. Museumsvertreterinnen und -vertreter erfahren Schule vor Ort. Sie sind damit für die Schülerinnen und Schüler an ihrem Lernort präsent, während die Museumsvertreterinnen und -vertreter Schule von innen heraus erfahren und verstehen lernen. So entsteht eine gegenseitige Beziehung auf Augenhöhe. Im Falle der Kooperation zwischen den Netzwerkschulen aus dem Märkischen Viertel und dem Bode-Museum beziehungsweise der Berliner Museumsinsel finden solche Besuche der Museumsexpertinnen und -experten in der Schule, auch innerhalb des Unterrichts und bei Gesamtkonferenzen des Kollegiums, immer wieder statt. Zum Beispiel haben sich der Direktor des Bode-Museums und eine wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung "Bildung und Vermittlung" gleich zu Programmbeginn selbst ein Bild vom Lernumfeld an den Schulen gemacht und mit den Schulleitungen, Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern des Schulnetzwerks erste Ideen für eine Zusammenarbeit diskutiert. Ein unerwartetes Geschenk entstand daraus, dass im gemeinsamen Austausch deutlich wurde, dass es an den Schulen an Material für Ausstellungen der Schülerarbeiten fehlt, woraufhin das Bode-Museum spontan dem Schulnetzwerk die gesamten Vitrinen der Sonderausstellung "Gesichter der Renaissance" geschenkt hat. Ein anderes Beispiel ist die Zusammenarbeit zwischen der Mitarbeiterin der Abteilung "Bildung und Vermittlung", die für die Museumsinsel zuständig ist, und der Lehrerin des Zusatzkurses "Museum" der 11. Klasse des Thomas-Mann-Gymnasiums. Gemeinsam haben sie Unterrichtsinhalte für das neue Kursangebot der Schule entwickelt. Ein weiteres Beispiel sind die engagierten Museumsexperten und -guides, die nach ihren Schülerworkshops am Museum ein halbes Jahr später zu den Präsentationen der Semesterarbeiten an die Schule kamen, um zu sehen, wie sich die ersten Ergebnisse aus dem Workshop weiterentwickelt haben, und um Feedback zu den Ergebnissen zu geben.

Zugänge schaffen

Die Kulturagentinnen und Kulturagenten fungieren in diesem Zusammenhang als Katalysatoren. Sie sind als Unabhängige zwischen den Beteiligten wirksam, als Ermöglicher, Brückenbauer, Moderatoren, Dolmetscher und Beziehungspfleger. Mit ihrer Empathie für beide Lebenswelten und deren Werte findet sie/er die richtigen Personen und Themen und erschafft als "Bildungskuratorin" den Kontext für fruchtbare und nachhaltige Vermittlung – sowohl in Schule als auch im Museum.

Im Rahmen des Kulturagentenprogramms konnten im Schulnetzwerk "Reinickendorf" zwischen 2011 und 2015 eine Vielzahl von Projekten erprobt und durchgeführt werden, die den innovativen Geist der hier angesprochenen Aspekte in die Praxis umsetzten. Dazu zählen beispielsweise das Ausstellungsprojekt "Das Märkische Viertel zu Hause im Bode-Museum" sowie die unterschiedlichen, einander ergänzenden Projektmodule für die Oberstufe als Vorbereitung auf die Semesterschwerpunkte im Fachbereich "Kunst" des Folgeschuljahrs oder ein fester Exkursionstag "Museum" für den ganzen 7. Jahrgang.3 Ein Höhepunkt war ein interaktiver fächer- und jahrgangsstufenübergreifender Projekttag mit fast allen 1.000 Schülerinnen und Schülern des Thomas-Mann-Gymnasiums auf der Museumsinsel.

All diese Aktivitäten haben nicht nur zu einer Fülle an neuen Erkenntnissen geführt und den Staatlichen Museen zu Berlin beziehungsweise dem Bode-Museum viele neue Fans zugeführt, sondern vor allem für unzählige Schülerinnen und Schüler den reichen und tiefen Erfahrungsschatz des Bode-Museums, der Museumsinsel und von Museen schlechthin zugänglich gemachtEin Höhepunkt war ein interaktiver fächer- und jahrgangsstufenübergreifender Projekttag mit fast allen 1.000 Schülerinnen und Schülern des Thomas-Mann-Gymnasiums auf der Museumsinsel.

1 Vgl. unter anderem http://www.youtube.com/watch?v=SEa21m5IAKY [6:02], [27.02.2015].

2 Das Kooperationsprojekt "Das Märkische Viertel zu Hause im Bode-Museum" fand im Sommer 2013 statt. Im Rahmen des Modellprogramms "Kulturagenten für kreative Schulen" haben sich Schülerinnen und Schüler des Thomas-Mann-Gymnasiums und der Bettina-von-Arnim-Schule vom Märkischen Viertel auf den Weg nach Berlin-Mitte ins Bode-Museum begeben, um den Fragen nachzuspüren: "Wie funktioniert ein Museum? Was wird dort gezeigt und wie wird es präsentiert? Und was hat das mit mir zu tun?" In verschiedenen Workshops zu den Themen "Museumskoffer", "Museum und Fotografie" und "Gefühle" haben sie in Zusammenarbeit mit der Museumsleitung des Bode-Museums, den Besucherdiensten der Staatlichen Museen zu Berlin und Künstlerinnen und Künstlern Vermittlungsmaterialien wie Postkarten, Broschüren und Lernmaterial entwickelt, die auch anderen Berliner Schulen zugänglich gemacht werden sollen.

3 Die Bettina-von-Arnim-Schule macht die Staatlichen Museen zu Berlin zum außerschulischen (Kultur-)Lernort, indem sie den Besuch des größten Universalmuseum Deutschlands und seiner Sammlungen von der Vor- und Frühgeschichte bis in die Neuzeit für den 7. Jahrgang im Schulcurriculum des Kunstunterrichts strukturell verankert. Derzeit entwickelt der Fachbereich Kunst zusammen mit den Museen Lernmaterialien für die Gemäldegalerie, das Kunstgewerbemuseum, für die Sammlung Scharf-Gerstenberg sowie das Bode-Museum. Damit entsteht für die Schule eine hochwertige Unterrichtsmaterialsammlung für einige der zentralen Kunstsammlungen der SMB, die langfristig und ohne weitere Kosten erzeugt und von allen Lehrkräften der Schule unter Anleitung des Kunstteams genutzt werden kann.