
Floh-Seligenthal: Etwas, das bleibt
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Die Kulturagentin Gabriele Bruchlos engagiert sich in Thüringens Süden für nachhaltige Projekte und Kunst-Objekte, die an Schulen bleiben. Auch Lehrer animiert sie zu eigenen kulturellen Aktivitäten.
In Breitungen lebten einmal fast 7.000 Menschen. In den vergangenen Jahrzehnten ist knapp ein Drittel der Bevölkerung fort gezogen, vielleicht wegen einer besseren Arbeit, vielleicht um ihr Leben in einer größeren Stadt zu verbringen. Mehr als 1075 Jahre ist der thüringische Ort alt, durch das Städtchen fließt der Fluss Werra und Petra Möller sagt, es sei ein moderner aufstrebender Ort mit Badestrand, Minigolfanlage und Einkaufsmöglichkeiten.
Möller unterrichtet an der Regelschule im Ort, sie hat in Russland studiert und in Jena gearbeitet. Irgendwann aber wollte sie wieder in ihre Heimat zurück. Sie selbst war einmal Schülerin an der Schule, an der sie nun lehrt. "Bei uns können Schüler reiten, die Handballmannschaften sind erfolgreich, es gibt ein Aktivmuseum und ein kleines Volkstheater", sagt Möller. Und: "Wir sind der Ort der Radfahrer". Möller engagiert sich gern für ihren Ort, ihre Schule und zusätzliche Projekte.
Auch eine Bratwurst ist dabei – das ist Thüringen
In Thüringen sind diejenigen, die bleiben, sehr heimatverbunden, so wie Möller. Die Lehrerin wollte für ihre Schule etwas schaffen, das bleibt. Im Rahmen des Modellprogramms "Kulturagenten für kreative Schulen" hat sie gemeinsam mit der Kulturagentin Gabriele Bruchlos den Bau eines künstlerisch gestalteten Lehmofens für die Schule angeregt. Nun steht sie mit zwei Mädchen und einem Jungen auf dem Schulhof und arbeitet an dem Ofen.
Den Gedanken, einen Lehmofen auf den Schulhof zu setzen, gebe es schon seit einigen Jahren, sagt Petra Möller. Dort soll einmal Brot gebacken werden, Pizza und Kuchen. Die Lehrerin wünscht sich, dass Eltern auf den Schulhof kommen, die Schule offen ist und als kultureller Ort erlebt wird. "Mit dem Ofen geht es los", sagt sie. Und damit auf dem Schulhof mehr als nur ein Ofen entsteht, hat Möller den Kindern aufgetragen, daraus etwas zu machen, das bleibt: ein erzählendes Fries. Jeder Schüler durfte im Kunstunterricht ein bis zwei Kacheln aus Ton gestalten und farbig glasieren. Die Kacheln schmücken nun den Ofen und zeigen Phantasiefiguren, Muster, Blumen – aber auch eine Bratwurst. Das ist Thüringen.
Den Ofen stellten die Jugendlichen im Rahmen des Kulturagentenprogramms zusammen mit dem Künstler und Keramiker Stefan Hasenöhrl her. Der Gutachter für Ofenbau sorgt zudem dafür, dass der Abzug funktioniert, und er schaut, wie groß die Feuerfläche sein kann. Hasenöhrl sagt: "Bei mir haben die Dinge auch immer eine Funktion." Zusammen mit den Kindern hat er den Ton gestampft, mit ihnen über Brandschutz und Feuerflug gesprochen. An diesem Tag ist der Ofen zum ersten Mal in Betrieb. Er muss trockengeheizt werden, bevor man ihn benutzen kann. "Wir hatten ein gutes Jahr Vorplanung", sagt Hasenöhrl. Es sei ja viel zu bedenken. "Der Ofen muss ja auch sicher sein, wenn die Kinder drauf herumspringen wollen." Und Kulturagentin Gabriele Bruchlos sagt, Ziel sei es, ein beseeltes Objekt zu schaffen.
Die Ausschreibung als Kulturagentin hatte sie damals, 2011, sofort angesprochen. Zuvor hatte sie zwei Mal in der Woche Kunst an einer Regelschule unterrichtet. Sie sei nicht nur Kunsterzieherin, sondern auch künstlerisch tätig, sagt sie. Bruchlos konzipiert zum Beispiel Ausstellungen. In ihren Beruf konnte sie viele Kontakte zu Kultureinrichtungen, Kulturschaffenden und Künstlern knüpfen und mitbringen. Ihre Arbeit begleitet die Kulturagentin stets und ständig. Sie fährt mit offenen Augen durch die Region und überlegt sich, welche künstlerischen Projekte sie anschieben kann. In Bushaltestellen etwa sieht sie Leinwände, die Schüler bemalen könnten. "Selbst im Urlaub kommen mir die tollsten Ideen für Projekte." Zur Arbeit gehört es aber auch, Anträge zu schreiben, Verwendungsnachweise zu formulieren, Projekte zu erläutern und zu schauen, ob das beantragte Geld angekommen ist. Doch am wichtigsten sei das Kommunizieren. "Man ist immer Ansprechpartner, wenn mal etwas nicht funktioniert, sagt Bruchlos. Als Kulturagentin gebe es halt immer viel zu tun. Doch sie sagt, je mehr Kinder an Projekten beteiligt seien, desto mehr freue sie sich. "Wenn ich die Freude der Schüler sehe und erkenne, dass ich sie für Kunst und Kultur begeistern kann, dann entschädigt mich das für die Arbeit."
Das Schneeballprinzip von Gabriele Bruchlos
Die drei Schulen, an denen Gabriele Bruchlos als Kulturagentin tätig ist, sind fest im Programm verankert. Es machen zwar nicht alle Lehrer bei den Projekten mit. Aber das sei auch nicht ihr Anspruch gewesen, sagt die Kulturagentin. "Wenn es Zuwachs gibt, wenn ich merke, dass der eine oder andere bereit ist, sich zu beteiligen, dann ist das für mich schon ein Erfolg." Sie sagt, wenn drei oder vier Lehrer an einer Schule mitmachen, dann erzählen sie den Kollegen von den Projekten und manchmal werde das dann zum Selbstläufer. Wichtig sei es, dass es einen festen Stamm an Mitstreitern an der Schule gibt, der die Kulturagenten-Projekte unterstütze. Diesen habe sie an jeder ihrer drei Schulen gefunden. Denn nicht nur die Schüler versucht Bruchlos für kulturelle Projekte zu begeistern. Auch mit Lehrern macht sie Workshops. So holt Bruchlos etwa eine Theaterpädagogin an die Schule, die mit den Lehrern nachmittags Theater spielt und ihnen Übungen zeigt, mit denen ihre Kreativität angeregt werden soll. Auch hier greift wieder das Schneeballprinzip der Kulturagentin. Wenn die Lehrer im Theaterworkshop lernen, zu Mathematik oder Deutsch zu improvisieren, dann können sie dies für ihren Unterricht nutzen.
Nun, ein Jahr nachdem der Lehmofen an der Regelschule in Floh-Seligenthal gebaut wurde, hat er sich zum festen Bestandteil des Schulhofes entwickelt. "Er wird rege genutzt, nicht nur zum Brennen von selbstgestalteten Kacheln, sondern zum Beispiel auch zum Backen von Zwiebelkuchen", sagt Bruchlos. Und die Schüler freuen sich, dass sie etwas schaffen können, dass über Jahrzehnte an ihrer Schule bleibt. Das hat sie fasziniert und zusammengeschweißt. "Ich habe gelernt, wie man Kacheln anbringt, wie man einen Ofen heizt und wie so ein Ofen funktioniert.", sagt der 13 Jahre alte Schüler Maximilian Zimmermann. Genau so war es geplant, und genauso soll es sein. Er ist zu einem Treffpunkt geworden, der bleibt.