Sara Burkhardt
Gelingendes Zusammenspiel unterschiedlicher Systemkulturen
Sara Burkhardt

Gelingendes Zusammenspiel unterschiedlicher Systemkulturen

Chance zur Veränderung

Kurzbeschreibung

Workshop 13: System Schule – System Kultur? Von Widersprüchen, Störungspotenzialen und Anerkennungskultur. Das Selbstverständnis und die Funktionsweisen von Schulen und Kulturinstitutionen basieren auf unterschiedlichen Systemen. In Kooperationen stellen diese Unterschiede eine große Herausforderung für die jeweilige Organisationskultur dar. Gemeinsam wollen wir in diesem Workshop herausfinden, wie die dadurch erzeugten Reibungen produktiv genutzt werden können. Auf der Basis systemischer Gesetzmäßigkeiten werden wir daran arbeiten, schwierige Prozesse im Kooperationsalltag besser zu verstehen, um Handlungsalternativen entwickeln zu können.

Wenn so unterschiedliche Institutionen wie Schulen und Kultureinrichtungen miteinander kooperieren, entstehen Reibungsflächen und Widerstände. Doch liegt in diesen Störungen möglicherweise auch ein Potenzial, da sie Veränderungen in Arbeitsweisen und Haltungen herbeiführen. Eine zentrale Fragestellung im Workshop war, wie in der Zusammenarbeit auftretende Reibungen produktiv genutzt werden können. Wie können Handlungsmuster durchbrochen werden? Welchen Anspruch stellt dies an die Beteiligten? Wie kann Kooperation gelingen?

Zwei Praxisbeispiele sowie ein externer Input dienten den Teilnehmenden als Diskussionsgrundlage. Diese werden im Folgenden kurz umrissen, im Anschluss werden Aspekte und Fragen der Diskussion wiedergegeben. Ein abschließender Ausblick benennt weiterführende Fragen und Arbeitsfelder.

Praxisbeispiel 1: Schule und Museum in Aachen

Renate Szatkowski, Museumspädagogin am Suermondt-Ludwig- Museum in Aachen, stellte das Kooperationsprojekt "Kulturwochen" gemeinsam mit Monika Nordhausen, Kulturagentin für die Schulen im Netzwerk "Aachen, Alsdorf", vor. Während die Funktion des städtischen Museums vor allem in der Bewahrung, Pflege und Präsentation von Kunst und Kultur besteht, verfolgt es als Kulturinstitution darüber hinaus einen Bildungsauftrag, der vor allem in der Vermittlung von Kunst und Kultur in der Öffentlichkeit besteht. Die Zusammenarbeit mit Schulen ermöglicht es dem Museum, ein noch breiteres Publikum zu erreichen und schon die Heranwachsenden mit dem Museum vertraut zu machen. Die Vermittlungsprogramme des Museums sind auf Nachhaltigkeit angelegt, die Kooperationen mit den Schulen laufen mehrjährig.

Das Museum kooperiert mit der städtischen Maria-Montessori-Gesamtschule in Aachen, die im Workshop durch die stellvertretende Schulleiterin Petra Cönen und die Kulturbotschafterin Charlotte Struck (Schülerin Jahrgang 10) vertreten wurde. Die Gesamtschule ist sechszügig, etwa 100 Lehrerinnen und Lehrer arbeiten in Jahrgangsteams. Als Besonderheit hat die Schule eine "Werkstatt Kultur" in ihre Schulstruktur integriert, in der Schülerinnen und Schüler, Eltern sowie Lehrpersonen gemeinsam beraten. Ziel ist eine umfassende kulturelle Bildung der Schülerinnen und Schüler, die Entwicklung von Fähigkeiten und der eigenen Persönlichkeit sowie die Sichtbarmachung des Montessori-Profils nach innen und außen im Rahmen des Schulentwicklungsprozesses. Im Rahmen des Kulturagentenprogramms wurde ein Kulturfahrplan entwickelt, der die unterschiedlichen Projekte und Kooperationen zeitlich und organisatorisch strukturiert. In den "Kulturwochen" arbeitet die Schule mit Künstlerinnen und Künstlern, Designerinnen und Designern sowie außerschulischen Institutionen zusammen, so auch mit dem Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen.

Praxisbeispiel 2: Schule und Theater in Grünau

Die Kulturagentin Carolin Berendts und Grundstufenleiter Dirk Retzlaff von der Grünauer Gemeinschaftsschule in Berlin stellten das Projekt "Grünau macht Theater" vor. Die Grünauer Gemeinschaftsschule und das Schlossplatztheater Köpenick, eine freie Bühne für zeitgenössisches Musiktheater mit viel Erfahrung in der Kooperation mit Schulen, stehen noch am Anfang ihrer Zusammenarbeit.1

Im Theater wurde im Rahmen der Einführungstage mit den siebten Klassen ein praktischer Workshoptag durchgeführt, eine Präsentation der Ergebnisse vor den anderen Klassen in der Schule fand statt, und die Hauptprobe des neuen Stückes "Parzival SK8" wurde besucht. Das Schlossplatztheater wirkte am Sommerfest der Schule mit, und ein Regisseur und Autor des Theaters leitete die traditionelle Weihnachtsaufführung der Schule. Im April 2014 fand schließlich ein Studientag des gesamten Kollegiums (72 Lehrpersonen und Erziehende) im Theater statt. Von dort aus wurden neue Formate geplant.

Leider konnte aufgrund einer Premiere kein Vertreter des Theaters am Workshop teilnehmen. Um der Sichtweise der Kulturinstitution im Workshop trotzdem Raum zu geben, wurde ein Video gezeigt, welches ein im Vorfeld der Tagung aufgezeichnetes Gespräch mit Birgit Grimm und Kai Schubert vom Schlossplatztheater Köpenick zum Inhalt hatte. Die Gesprächspartner verdeutlichten aus ihrer langjährigen Zusammenarbeit mit verschiedenen Berliner Schülerinnen und Schülern, dass Kultur in Schulen häufig als Störfaktor gesehen werde, der das System Schule durcheinanderbringe. Eine Herausforderung stelle die Kommunikation zwischen den beiden Systemen und ihren Anforderungen dar, unter anderem auch deshalb, weil Theaterschaffende an Schulen inzwischen gern gesehene Dienstleister seien, ihre professionelle Herangehensweise aber oft von Lehrerinnen und Lehrern nicht als solche auf Augenhöhe anerkannt werde.

System Schule versus System Kultur?

Einen Input zur Unterschiedlichkeit der Systeme Schule und Kulturinstitution gab Stephan Bock vom Landesbüro "Kulturagenten für kreative Schulen" Hamburg, systemischer Supervisor, Kulturmanager und Lehrer. Er lenkte den Blick vor allem auf die weiteren an den Kooperationen beteiligten Systeme und ihre Beziehungen untereinander.

Anhand der Darstellung erläuterte Bock die systemischen Prinzipien im Zusammenspiel der einzelnen Programmbeteiligten. So funktioniert jede Institution als einzelnes System für sich. Sobald aber unterschiedliche Institutionen – oder Systeme – aufeinandertreffen, muss innerhalb der Überschneidungen gearbeitet werden. Hier gibt es Störungspotenzial, aber eben auch die Chance auf Veränderung. Diese wirkt auf das jeweilige System zurück.

Wenn ein System als eine geschlossene Einheit mit festgelegten Prinzipien gesehen werden kann, fragt Stephan Bock danach, was passiert, wenn innerhalb dieses Systems eine Störung vorliegt. Und was passiert, wenn zwei Systeme miteinander kooperieren sollen, die sich grundlegend voneinander unterscheiden? Diese müssten, so Bock, in sich stabil sein, um dann miteinander kooperieren zu können. Sie müssten sich im Klaren über ihre eigenen Werte sein und über den Mehrwert, den sie von einer Kooperation erwarten.

Gemeinsam mit den Teilnehmenden wurde diskutiert, welchen Einfluss die unterschiedlichen Wertesysteme und Leitbilder der beteiligten Systeme auf die Zusammenarbeit haben. Wie wirken sich zudem personelle Veränderungen – vor allem bei den Kulturbeauftragten, Schulleitungen oder Akteuren der Kulturinstitutionen – auf Kooperationen aus? Was passiert, wenn die Leitungsebene – sowohl in den Schulen als auch bei den Kulturpartnern – die Ziele und Maßnahmen möglicherweise nicht mitträgt oder unterstützt? Wie reagiert das System bei scheinbaren "Bedrohungen" von außen?

Wenn es beispielsweise personelle Veränderungen gibt, die neue Schwerpunktsetzungen nach sich ziehen? Hier wurde deutlich, dass vor allem geklärt werden muss, wer wofür Verantwortung trägt. Die Teilnehmenden wiesen darauf hin, dass Machtstrukturen transparent sein, dass Entscheidungen gemeinsam getroffen werden sollten und dass der Wille zur Selbstveränderung bei allen Partnern gegeben sein müsse. Dazu gehöre auch eine gegenseitige Anerkennungskultur, die für das Gelingen von Kooperationen unerlässlich sei.

Im Workshop wurde diskutiert, ob die beiden Systeme möglicherweise nicht zusammenpassen, da sie das jeweils andere System stören und erprobte Abläufe gehörig durcheinanderbringen, wie es die Vertreterinnen und Vertreter des Theaters im Video beschrieben hatten. Ist das System Schule mit seinen starren Abläufen unflexibel, und sind Kulturangebote einfach nicht schulkompatibel? Eine Schulvertreterin sagte: "Ich könnte auch Künstler in unsere Steuergruppe einladen, dann würde ich die Irritation einladen." Eine Möglichkeit, diese Inkompatibilität zu verringern, sei beispielsweise, gemeinsame Weiterbildungen für Museums- und Lehrpersonen zu initiieren sowie im Vorfeld einer Kooperation vertieft über die Gelingensbedingungen nachzudenken.

Foto: Roland Baege/Forum K&B

Die Kulturagentinnen und Kulturagenten fungierten hier laut Bock als eine Art "Protein". Sie docken an den jeweiligen Institutionen an und sollten die Potenziale der jeweiligen Systeme nutzen, um Kooperationen anzuregen. Ihre Aufgabe sei es, das jeweilige Rollenverständnis abzufragen und mögliche Bildungsaufträge aufzuzeigen. Auch ökonomische Aspekte müssten bedacht und besprochen werden, Ziele klar formuliert und der Nutzen, den der jeweilige Partner aus der Kooperation zieht, geklärt werden.

Trotz unterschiedlicher Systeme – Wie gelingt Kooperation? In der Diskussion wurden Fragen gesammelt, die bereits im Vorfeld einer Kooperation geklärt werden sollten: Welche Ressourcen sind vorhanden? Was können Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler im Museum oder im Theater machen? Was brauchen diese Institutionen, damit sie mit der Schule kooperieren können?

Die Teilnehmenden waren sich einig, dass Lehrpersonen und Schülerschaft für eine Kooperation entflammt werden müssen. Auch die beteiligten Kulturvermittlerinnen und -vermittler müssen für ein geplantes Projekt begeistert werden, sodass ein kollektiver Rückhalt entsteht. Stephan Bock wies darauf hin, dass eine gelungene Kooperation von einem "Ausgleich von Geben und Nehmen" geprägt sei. Zu klären sei: Ist es eine Kooperation auf Augenhöhe? Welcher Nutzen der Kooperation ergibt sich für die Schule? Welcher für die jeweilige Institution?

Zentraler Aspekt einer gelungenen Kooperation ist auch die Gremienbildung als Raum für die notwendige Kommunikation. Während der Kooperation muss ein Prozess des Reflektierens und Hinterfragens stattfinden: Jede Institution braucht konkrete Ansprechpartner zur Verhandlung und zur Lösung von Problemen. Häufig würden Schulleitung und Leitungsebene der Kulturpartner nur zum Teil oder zu spät in die Planung der Projekte einbezogen, so eine Teilnehmerin. Eine Kooperation zwischen der jeweiligen Leitung samt Verträgen führe zur Entspannung. Es zeigte sich im Gespräch, dass das Wissen um die Unterschiede und die Anerkennung der jeweils anderen Wirklichkeit eine Grundvoraussetzung für die funktionierende Zusammenarbeit unterschiedlicher Systeme ist.

Zielgruppe

Zielgruppe von kooperativen Kulturprojekten, dies wurde in der Diskussion deutlich, sollten nicht die Lehrpersonen, sondern die Schülerinnen und Schüler sein. Charlotte Struck, Schülerin des 10. Jahrgangs und Kulturbotschafterin an der Maria-Montessri-Gesamtschule, berichtete im Workshop von einem aus den vorgestellten Kulturwochen im nachfolgenden Jahr entwickelten Kulturprojekt, in dem die Schülerinnen und Schüler zum Thema "Ordnung im Chaos" arbeiteten. In ihrer Reflexion des Projekts wies sie darauf hin, dass sich die Kommunikation zwischen Lehrpersonen und Schülerschaft verbessern müsse.

Das Kulturprojekt wurde inhaltlich und strukturell von den Schülerinnen und Schülern mitentworfen, so wurde sichergestellt, dass ihre Interessen Berücksichtigung fanden. Charlotte Struck stellte fest, dass es ein häufig auftretendes schulisches Problem sei, dass an den Schülerinnen und Schülern vorbeigeplant werde. Die Pläne sollten stärker auf ihre Bedürfnisse und Interessen zugeschnitten werden. Schon eine Formulierung der eigenen Bedürfnisse trage zur Bildung der Persönlichkeit bei, daher sei die gemeinsame Planung so wichtig.

Schulen und Kulturinstitutionen sollten demnach den Blick immer wieder auf die Schülerschaft richten und sie gegebenenfalls zurück in den Mittelpunkt des Projekts bringen. Wenn die Schülerinnen und Schüler in Projekten von Anfang an Rückmeldungen geben können und Mitspracherecht haben, können Störungen und Widerstände möglicherweise viel eher erkannt und bearbeitet werden.

Störungen und Widerstände

"Störung muss sein!", sagte eine Teilnehmerin des Workshops zu Beginn und benannte damit einen wichtigen Aspekt von Kooperation in all seiner Ambivalenz. In der Diskussion zeigte sich zum einen die Wichtigkeit von Störungen, da sie immer auf etwas hindeuten, was in der Kooperation nicht läuft. Gleichzeitig führen Störungen zu Kräfteverlust und Mehrarbeit.

Als konkrete Störungen im Prozess der Kooperation nannte Renate Szatkowski Widerstände im eigenen System, die Entscheidungsabläufe betreffen. Besonders die geringere Wertschätzung anderer Bereiche des Museums gegenüber der Kunstvermittlung sei ein Problem. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob das System Kultur mehr in das System Schule integriert werden müsse, um Reibungen zu vermeiden. Im Verlauf der Diskussion wurde jedoch deutlich, dass eher das Gegenteil der Fall sein sollte: Je unterschiedlicher die Systeme sind, desto mehr kann es "knallen". Haben die Kooperationspartner mit Schwierigkeiten zu kämpfen, kann darin durchaus Potenzial stecken. Gerade wenn Erwartungshaltungen nicht erfüllt werden, werden Störprozesse produktiv nutzbar. Die Schule hat einen Auftrag und stellt Erwartungen an ein Kooperationsprojekt, doch eventuell erfüllen die beteiligten Künstlerinnen und Künstler diese Erwartungen nicht. Vielleicht sei aber der Raum dazwischen "fruchtbar", so eine Teilnehmerin, denn gerade wenn Frustration entsteht, birgt dies ein Potenzial des Dialogs.

"Schule macht nicht Theater. Theater macht nicht Schule." lautete die provokante These des Grünauer Projektteams. Künstlerische Projekte gelängen am besten, wenn jede Seite ihre Professionalität einbringen kann und nicht versucht, die andere zu übernehmen. Der inhaltliche Widerspruch sei gewollt, so Berendts, durch diese Reibung in den Herangehensweisen der unterschiedlichen Institutionen würde die Zusammenarbeit produktiv und interessant, und beide Seiten können dazulernen. Die organisatorische Reibung sei jedoch nicht gewollt. Eine Schule könne beispielsweise über fünf Jahre planen – ein freies Theater nicht. Der Umgang mit diesen Unterschieden in der Organisationsstruktur und vor allem mit den Unsicherheiten in der Finanzierung außerhalb eines Programms wie dem der Kulturagenten kostet Kraft, so Berendts, die dann eben nicht bei der Schülerschaft ankommt.

Die Schlussfolgerung ist, dass Institutionen wie das Schlossplatztheater, das als freies Theater aus Überzeugung viel Mühe und Kraft in die schulische Bildungsarbeit steckt, eine verlässliche finanzielle Förderung (jenseits der Projektförderung) benötigen. Gerade diese Organismen reagieren zunehmend verärgert auf immer neue Förderprogramme, in denen noch mehr Antragsarbeit und Verwaltung anfällt. Die großen staatlichen Institutionen haben wenigstens ein kleines, aber festes Budget für Vermittlungsarbeit. Freie Institutionen – egal ob Theater oder andere Einrichtungen – müssen diese selbst einwerben. Das Theater hat drei feste Mitarbeiter: die künstlerische Leiterin Birgit Grimm, die neben ihren Inszenierungen noch alle Anträge stellt und abrechnet, den Sänger, Schauspieler und Technischen Koordinator Ingo Volkmer und einen halbtags beschäftigten Technischen Leiter.

In der Diskussion wurde deutlich, dass bestehende Missstände innerhalb des Systems Schule wahrscheinlich nicht durch eine Kulturagentin oder einen Kulturagenten gelöst werden können. Sollte diese/dieser, wenn beispielsweise ein kommunikatives Problem zwischen Schulleitung und Kollegium vorliegt, aber nicht trotzdem zu klärenden Gesprächen mit eingeladen werden? Liegt vielleicht genau in der möglichen Vermittlung durch eine Kulturagentin/einen Kulturagenten – als dem System Schule nicht zugehörig – auch ein Potenzial? Es wurde klar, dass eine gelungene Kooperation unbedingt der Klärung der unterschiedlichen Rollenverständnisse bedarf.

Rollenverständnis

Aus Sicht der stellvertretenden Schulleiterin Petra Cönen sind Probleme bei der Kooperation nicht "Widerstände", sie bezeichnete sie lieber als "Ängste" oder "Unsicherheiten". Diese betreffen auch die jeweils eigene Rolle. In jedem Projekt müsse gemeinsam geklärt und transparent gemacht werden, wer welche Rolle innehat, auch um Missverständnisse zu vermeiden. So erwarteten Kunstschaffende mitunter von den Lehrpersonen, dass sie Ruhe in den Unterricht bringen und die Lernenden disziplinieren. Gleichzeitig wollten die Lehrpersonen nicht, dass die Kunstschaffenden die Lehrerrolle übernehmen.

In der Diskussion wurde deutlich, dass Künstlerinnen und Künstler zwar für einen gewissen Zeitraum in das System Schule geholt und Teil des Systems werden können, dass aber das Potenzial des Nicht-Schulischen, das Kunstschaffende mitbringen, genutzt werden sollte. Sie sollten dann eben gerade nicht pädagogisch qualifiziert sein, um dezidiert eine andere Rolle als die der Lehrerin oder des Lehrers einnehmen zu können. Sie sind aber auch gleichberechtigte Partnerinnen und Partner und erbringen nicht lediglich eine Dienstleistung.

Um dieses jeweilige Rollenverständnis zu klären, bedarf es der Kommunikation untereinander. Alle waren sich einig, dass sich die Beteiligten über die Bilder, die sie voneinander haben, austauschen müssen, auch um Klischees entgegenzuwirken. Zu klären ist: Welche Bilder des Alltags von Lehrpersonen und Kunstschaffenden existieren? Was machen Lehrerinnen und Lehrer heutzutage? Wie leben und arbeiten Künstlerinnen und Künstler? Die Beteiligten sollten sich kennenlernen und ein Verständnis füreinander entwickeln, um eine Basis für wirkliche Zusammenarbeit zu schaffen. Dazu gehört, etwas über die Kompetenzen des jeweils anderen zu wissen und über den Arbeitsalltag jenseits des Kooperationsprojekts.

Kulturagentinnen und Kulturagenten sitzen häufig zwischen den Stühlen und müssen vermittelnd tätig sein. Sie zeichnet aus, so betonte es Stephan Bock, dass sie in keinem der bestehenden Systeme verankert sind. Wie lassen sich die Kulturagentinnen und Kulturagenten in die Systeme einordnen? Wo sind sie formal zugeordnet? Wo ordnen sie sich selbst zu? Auch dies muss im Rahmen von Kooperationen immer wieder neu geklärt werden, da die Positionierungen in den jeweiligen Projekten durchaus unterschiedlich sein können. So begreifen sich manche Kulturagentinnen und Kulturagenten zumindest zeitweise als Teil des Systems Schule und kennen auch die Innensicht aus eigener Berufserfahrung, während andere dezidiert eine Außensicht anstreben. Sie müssen jedoch, das wurde in der Diskussion betont, auch die Bedürfnisse der Kulturinstitutionen im Blick haben. Hier bietet sich beispielsweise die Möglichkeit, mit der Kunst- und Kulturvermittlung eines Museums an einem Strang zu ziehen und zu überlegen, welchen Beitrag diese leisten kann.

Ausblick

Wenn sich Rollenverständnisse im Zuge von Kooperationen verändern, beeinflusst dies die einzelnen Systeme. Wenn Schülerinnen und Schüler Chancen zur Teilhabe und Mitbestimmung erhalten, trägt dies zu einer veränderten Schulkultur bei. Von Kulturagentinnen und Kulturagenten initiierte Projekte können dazu beitragen, dass sich Schule weiterentwickelt, indem sie Impulse für kulturelle Bildungsarbeit liefern.

Veränderungen seien häufig nicht sofort sichtbar, sondern es könne eine Zeitverzögerung zwischen "Säen" und "Ernten" auftreten, so eine Teilnehmerin. Es gilt, für kleine Fortschritte sensibel zu werden, den Prozess wertzuschätzen und gemeinsame Erfolge zu feiern. Häufig werden Veränderungen nicht sofort sichtbar, die Projekte erreichen eher eine langfristige Weiterentwicklung der Beteiligten und der Institutionen in ihrer jeweiligen Haltung und gegenseitigen Wertschätzung.

Wichtig war den Teilnehmenden, dass im System Schule und im System Kultur eine Weiterqualifizierung der Beteiligten stattfindet und dass aus den Erfahrungen gelernt wird. Die betrifft auch die Entwicklung von Qualitätskriterien und Strukturen für Kommunikation. Die Entwicklungen und Erkenntnisse müssen diskutiert und weiter verbreitet werden, denn nach Beendigung des Kulturagentenprogramms müssen Lehrpersonen und Kooperationspartner möglicherweise direkt kooperieren, ohne die Vermittlung von Kulturagentinnen und Kulturagenten.

Für die zukunftsträchtige Zusammenarbeit von Schule und Kultureinrichtungen wünschten sich die Teilnehmenden vor allem den offenen Umgang mit Konflikten, durchgängige Kommunikation untereinander und Reflexion der Prozesse, die Übernahme von gegenseitiger Verantwortung sowie die klare Formulierung des gemeinsamen Anliegens, und das von Anfang an. So kann ein produktiver Umgang mit Störfaktoren ermöglicht werden – denn sie sind dann wichtige Elemente des Projekts, die zur Weiterentwicklung und Reflexion beitragen.

 

1 An der Grünauer Gemeinschaftsschule lernen 750 Schülerinnen und Schüler in den Klassen 1 bis 10, ab 2015 bis Klasse 13. Daher verankert die Schule Kooperationen mit verschiedenen Formaten an unterschiedlichen Punkten der Schule.