Susanne Rehm
Auf- und Ausbau von Kooperationen
Susanne Rehm

Auf- und Ausbau von Kooperationen

Kinder und Jugendliche für Kunst und Kultur zu begeistern, indem sie selbst künstlerisch aktiv werden, ist eines der Ziele des Kulturagentenprogramms. Dies soll durch künstlerische Projekte in der Zusammenarbeit mit Kulturpartnern erreicht werden. Der Auf- und Ausbau von Kooperationen zwischen Akteuren der Schulen und der künstlerischen und kulturellen Produktion beziehungsweise Repräsentation ist also einer der Haupttätigkeitsbereiche der Kulturagentinnen und Kulturagenten vor Ort.

Mit dem Kultur- und dem Schulbereich treffen jedoch zwei grundsätzlich unterschiedliche und unabhängige Systeme aufeinander, deren Akteure gemeinsam ein neues Terrain betreten. Neben positiven Impulsen und Neuerungen, waren diese entstehenden Prozesse auch mit Störungen und Unterbrechungen gewohnter Abläufe, mit Konflikten und Widerständen verbunden. Dies erforderte von beiden Seiten, sich für Veränderungsprozesse zu öffnen und miteinander neue Herangehensweisen und ungewohnte Problemlösungsstrategien zu entwickeln. Diesen Prozess zu initiieren, zu organisieren und zu begleiten, ist der Dreh- und Angelpunkt beim Auf- und Ausbau von Kooperationen. Die regionalen Qualifizierungen der Länderbüros boten den Kulturagentinnen und Kulturagenten für diese Arbeit ein wichtiges Unterstützungssystem.

In Baden-Württemberg ist das Landesbüro des Kulturagentenprogramms bei der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (LKJ) Baden-Württemberg angesiedelt. Die LKJ ist Dachverband von zahlreichen Organisationen der kulturellen Jugendbildung, Initiatorin von Modellvorhaben und führt selbst seit Jahren verschiedene Kulturprojekte an Schulen und in außerschulischen Einrichtungen durch. Die Erfahrungen ihrer Fachkräfte hat das Landesbüro als besondere Expertise in das Kulturagentenprogramm eingebracht und konnte so zum wichtigen Reflexionspartner werden.

Spezifische Systemkenntnis

Um Kooperationen von Schulen mit Kulturpartnern aufzubauen, braucht es neben zündenden künstlerischen Ideen sowohl Kenntnisse über formale Rahmenbedingungen wie auch ein grundlegendes Verständnis für Arbeitsweisen, Interessen und Zielvorstellungen des jeweiligen Gegenübers. Kenntnisse über Profile, Angebote, Vermittlungskonzepte von Kulturinstitutionen sind genauso wichtig wie Kenntnisse über den Sozialraum der Schulen, ihre unmittelbare Nachbarschaft, den Stadtteil, die Kommune und Region.

Das Landesbüro Baden-Württemberg folgte dabei der Maxime, dass der einzelne Akteur immer in einem bestimmten institutionellen System wirkt, das eigene Regeln und Organisationskulturen hat. Diese bestimmen die aktuellen Möglichkeiten und Grenzen des Handelns. Kurz: Nur wer das System Schule und das System Kultur kennt und versteht, kann an den richtigen Stellen darauf einwirken und neue Räume für die kulturelle Bildung öffnen.

Bei der Auswahl der Kulturagentinnen und Kulturagenten wurde deshalb auf ein fundiertes Vorwissen und auf praktische Erfahrungen im Bereich von Kunst- und Kulturvermittlung geachtet. So waren den Bewerbungsunterlagen auch Exposés von eigenen künstlerischen und kulturvermittelnden Projekten beizulegen – in allen Länderteams waren also verschiedenste künstlerische und kulturvermittelnde Professionen vertreten. Viele grundlegende Informationen über die Arbeitsweisen in Kulturbetrieben oder das systemische Wissen über die Arbeit im Bereich der Kulturproduktion und -vermittlung brachten die Kulturagenteninnen und Kulturagenten demnach bereits mit. Andere Kenntnisse, wie beispielsweise ein professionelles Prozessmanagement oder detaillierte Diskurskenntnis in allen künstlerischen Sparten, konnten nicht bei allen vorausgesetzt werden. Die bedarfsorientierte Qualifizierung war daher das zentrale Anliegen, um den Kulturagentinnen und Kulturagenten zu Beginn und im Verlauf des Kulturagentenprogramms so viel Orientierung und Unterstützung wie möglich in diesem komplexen Feld der Kooperation zu geben.

Die Zusammensetzung des Teams führte immer wieder zu einem wertvollen Austausch, bei dem sich der Blick über die Spartengrenzen hinaus öffnete. In Baden-Württemberg wie auch in den anderen Bundesländern war auch das Landesbüro mit Fachkräften besetzt, die aus der kulturellen und kulturvermittelnden Praxis kamen und so zur wichtigen Reflexionsfläche für die Kulturagentinnen und Kulturagenten wurden.

Diskurskenntnis

Um das Wissen über gegenwärtige Kunst- und Kunstvermittlungsdiskurse regelmäßig zu aktualisieren, haben die regionalen Qualifizierungen immer wieder Einblicke in aktuelle Entwicklungen und bestehende Vermittlungsformate von Kulturinstitutionen gegeben. Dies geschah beim Landesbüro Baden-Württemberg beispielsweise mit einem gemeinsamen Besuch von Kulturinstitutionen, wie dem Theater Freiburg, der Christoph Merian Stiftung in Basel oder des Literaturmuseums im Hebelhaus Hausen, sowie über den fachlichen Austausch mit den Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Sparten. Das Team aus Baden-Württemberg war außerdem auf der dOCUMENTA (13), um sich mit dem dort entwickelten Vermittlungskonzept des "worldly companion" auseinanderzusetzen. Bei diesen Besuchen wurden viele gemeinsame Interessen und Ziele von Kulturinstitutionen und Schulen hinsichtlich gelingender Kooperationen identifiziert. Dies bot immer wieder eine gute Rückversicherung und fachliche Verortung des eigenen Handels für die Kulturagentinnen und Kulturagenten.

Inhaltliche und organisatorisch-prozesshafte Seite

Das Thema Kooperation stand daher allen Länderteams regelmäßig auf der Agenda. Um die inhaltliche und organisatorisch-prozesshafte Seite der Kooperationen anzugehen, wurden in den fünf Länderteams die Auseinandersetzung mit den grundlegenden Gelingensbedingungen von Kooperationen sowie die Rollen, die in guten Kooperationen von den verschiedenen Akteuren ausgefüllt werden, beleuchtet.

Was macht eine gute Kooperation aus? In allen regionalen Qualifizierungen wurden daher folgende Kriterien für gelingende Kooperationen diskutiert:

  • Koexistenz der Partner (siehe Deutsche Kammerphilharmonie Bremen und Gesamtschule Bremen-Ost) bzw. räumliche Nähe
  • Gemeinsames Interesse
  • Anknüpfungspunkte in beiden Institutionen
  • Gemeinsame Perspektive
  • Verbindlichkeit für beide Seiten
  • Offenheit für eine gemeinsame Entwicklung
  • Langfristige Bindung aneinander
  • Themen gemeinsam identifizieren; aufeinander eingehen
  • Strukturelle Verankerung in beiden Institutionen
  • Künstlerische Arbeit mit jungen Menschen als Kernbestandteil des künstlerischen Selbstverständnisses

 

Zur Vertiefung des Themas wurden spezifische Qualifizierungen zum Thema "Gelingensbedingungen von Kooperationen" angeboten und hierbei zum Beispiel das im Rahmen des BKJ-Netzwerkes "Kultur macht Schule" erstellte Papier für Qualitätsbereiche für Kooperationen vorgestellt. Auch das Kulturagentenprogramm hat eine Reihe von Arbeitshilfen zum Thema Kooperationen aufgelegt, die in der Onlinepublikation "Mission Kulturagenten" hier abzurufen sind. Zudem findet man dort eine Literaturliste mit hilfreichen Hinweisen auf weiterführende Literatur.

Kooperationen – was heißt das?

Dass Schulen und Kulturschaffende gemeinsam künstlerische Projekte durchführen, ist keine Erfindung des Kulturagentenprogramms. Viele andere Programme und Initiativen haben diesen Weg bereits als gewinnbringend für Kinder und Jugendliche und auch die beteiligten Institutionen beschrieben. Zu Beginn des Kulturagentenprogramms wurden deshalb in den regionalen und überregionalen Qualifizierungen bereits durchgeführte Projekte und Programme der kulturellen Bildung in Schule, wie "Kultur macht Schule", "Tusch" oder "Kulturforscher", vorgestellt und daraufhin analysiert, welche der beschriebenen Erfahrungen sich für die Arbeit im Kulturagentenprogramm nutzen lassen. Darauf aufbauend wurden Strategien für die Initiierung und Planung von Kooperationsprojekten entwickelt. Gleichzeitig wurden mit diesem Vorgehen die Kenntnisse der Kulturagentinnen und Kulturagenten über Programme der kulturellen Bildung erweitert, das Wissen über Gelingensbedingungen von Kooperationen auf- und ausgebaut und Kriterien in Bezug auf künstlerisch kulturelle Bildungsziele vermittelt.

Für die Reflexion von Kooperationen im Kulturagentenprogramm war der Austausch unter den Kulturagentinnen und Kulturagenten zu geplanten und bereits durchgeführten Projekten im Rahmen des Kulturagentenprogramms besonders hilfreich. Dieser hatte ebenfalls einen festen Platz in den regionalen Qualifizierungen. Zum einen wurden dadurch Ideen und Kontakte zu interessanten Kulturpartnern in das Team getragen, zum anderen bestand für die Kulturagentinnen und Kulturagenten die Möglichkeit, sich über Themen wie "Qualität von Projekten und Prozessen", "Erfahrungen mit/im Kontext von Best/Worst Practice" auszutauschen.

Formale Seite von Kooperationen

Um die formale Seite von Kooperationen zwischen Schulen und Kulturpartnern zu beschreiben, wurden bereits bestehende Handreichungen genutzt (beispielsweise der Leitfaden "Bewegung Kunst" und die Arbeitshilfen der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ)). Im Einzelfall standen die Länderbüros bei der Anpassung an die spezifischen Bedingungen vor Ort beratend zur Seite. Auch Qualitätstableaus, wie das der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) oder der BKJ lieferten eine Reihe von Ansatzpunkten, die bei der formalen Gestaltung von Kooperationsbeziehungen zwischen Schulen und Kulturschaffenden hilfreich waren. Auch diese wurden von den Länderbüros in den Qualifizierungen eingesetzt.

Einen weiteren Anlass zur Auseinandersetzung mit der formalen Seite von Kooperationen boten auch die Rahmenbedingungen des Modellprogramms selbst: Hier standen besonders die Förderkriterien für die programmeigenen Fördermittel (das sogenannte Kunstgeld) im Fokus, die unter anderem die aktive künstlerische Betätigung der Schülerinnen und Schüler als zwingend erforderlich beschreiben. Zudem hat das Kulturagentenprogramm eine Reihe von Arbeitshilfen zum Thema Kooperationen aufgelegt, die in der Onlinepublikation "Mission Kulturagenten" hier abzurufen sind. Zudem findet man dort eine Literaturliste mit hilfreichen Hinweisen auf weiter führende Literatur.

Rolle der Kultur- und Schulverwaltungen

Da in Baden-Württemberg beispielsweise die Kultur- und Schulverwaltungen in den Schulnetzwerkskommunen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der kultur- und schulpolitischen Rahmenbedingungen spielen, wurden diese von Anfang an immer wieder einbezogen. Das Landesbüro organisierte hierzu in jedem Schulnetzwerk in den ersten Programmwochen ein Treffen, um das Kulturagentenprogramm vorzustellen und auf die potenziellen Möglichkeiten zur Kooperation zu verweisen/aufmerksam zu machen. An diesen Treffen nahmen jeweils die Kulturagentin/der Kulturagent, Schulvertreterinnen und Schulvertreter sowie Personen aus der jeweiligen Schul- und Kulturverwaltung teil. Diese Treffen wurden in den weiteren Programmjahren modifiziert und weitergeführt. Einmal im Jahr lud das Landesbüro Baden-Württemberg die Vertreter der Kommunalverwaltungen, der Verbände und der Kulturpartner zu einer erweiterten regionalen Qualifizierung ein. Hier wurden u. a. besondere Kooperationsformate vorgestellt, wie die Zusammenarbeit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen mit der Gesamtschule Bremen-Ost oder die Arbeit des Theaters Freiburg mit Schulen und Kindergärten sowie Kindern und Jugendlichen in den Jugendclubs.

Individuelle Fachberatung

Das Thema "Kooperation mit Kulturpartnern" wurde nicht nur in regionalen Qualifizierungen und Veranstaltungen thematisiert, sondern war ein Kernstück der individuellen Fachberatung der einzelnen Kulturagentinnen und Kulturagenten durch die Länderbüros. Hier wurden die Prozesse und Aktivitäten in den Schulen, den Schulnetzwerken und im Bereich der Kooperation im Einzelgespräch beleuchtet und besprochen. Diese war wegen der Verschiedenartigkeit der kulturellen Infrastruktur im Umfeld der Schulnetzwerke und der unterschiedlichen Bedarfe der teilnehmenden Schulen unerlässlich. Diese Beratung erfolgte sowohl kontinuierlich in regelmäßigen Terminen als auch anlassbezogen.

Netzwerke und Netzwerken

Viele der Kulturagentinnen und Kulturagenten konnten aufgrund ihrer kulturellen Vitae auf vielfältige Kultur- und Künstlernetzwerke zurückgreifen. Gerade in der Anfangsphase des Kulturagentenprogramms war dies ein großer Gewinn. Da diese Netzwerke sich analog zu den durchgeführten Projekten weiterentwickelten, hatte das Thema "Netzwerken" mit Kulturpartnern, aber auch im Stadtteil/Bezirk, der Stadt/Kommune oder im Landkreis bei den regionalen Qualifizierungen einen großen Stellenwert. Es wurden dabei folgende Fragestellungen behandelt:

  • Wie werden Netzwerkbeziehungen gestaltet und gepflegt?
  • Welche Beziehungen werden außerhalb von laufenden Projekten aufrechterhalten?
  • Wie können Netzwerke im Sozialraum sichtbar gemacht und damit stärker genutzt werden?

 

Auch zu diesen Themenschwerpunkt nahmen neben den Kulturagentinnen und Kulturagenten die Kulturbeauftragten der teilnehmenden Schulen an den Qualifizierungen teil.

Blick in die Qualifizierung der anderen Länderbüros

Alle Bundesländer haben das Thema "Kooperation mit Kulturpartnern" mit eigenen Referentinnen und Referenten und den Kulturinstitutionen ihrer Region bearbeitet. Auf diese Weise wurden die Strukturen und Angebote vor Ort beleuchtet sowie die jeweiligen kulturpolitischen Rahmenbedingungen behandelt. Denn um für die kulturelle Bildung nachhaltige und langfristige Kooperationen eingehen zu können, ist es für die Schulen insbesondere wichtig, Kooperationspartner vor Ort zu finden und zu binden. So war das Berliner Landesbüro mit den Kulturagentinnen, Kulturagenten und Kulturbeauftragten zu Gast in der Neuköllner Oper, im Hamburger Bahnhof und in den Uferstudios. Das Landesbüro NRW führte seine Jours fixes häufig in Kulturinstitutionen, wie beispielsweise dem LVR Industriemuseum in Oberhausen, durch, die sich bei dieser Gelegenheit vorstellen konnten. Die Kulturagentinnen und Kulturagenten in Hamburg besuchten gemeinsam mit dem Landesbüro Institutionen wie die Deichtorhallen, in Thüringen die Klassikstiftung Weimar und die Künstlerwerkstätten Erfurt.

Bei diesen Besuchen wurden viele gemeinsame Interessen und Ziele hinsichtlich der Kooperation von Kulturinstitutionen mit Schulen identifiziert. Gleichzeitig konnte der Unterschied in den Vorgehensweisen einer institutionellen Kunstvermittlung und der der Kulturagentinnen und Kulturagenten herausgearbeitet werden. Ein wichtiger Gewinn dieses Austauschs bestand außerdem darin, dass über die grundlegenden strukturellen Bedingungen des Kulturpartners und der Schule gesprochen wurde. Dies ist die Grundlage dafür, dass gegenseitiges Verständnis, Wertschätzung und Respekt sowie die Einsicht entstehen können, dass sich beide Seiten öffnen und verändern wollen.

Häufig gehen Kulturinstitutionen mit einer vorgeformten künstlerischen Idee oder einem fertigen künstlerischen Produkt auf Schulen zu. Sie arbeiten dann gemeinsam mit den Schulakteuren daran weiter und lassen Schülerinnen und Schüler partizipieren. Die Kulturagentinnen und Kulturagenten hingegen griffen vielfach die an Schulen bereits vorhandenen Ideen auf und entwickelten diese weiter. Erst dann wurden Kulturpartner gesucht, die in der Lage und bereit waren, ein künstlerisches Projekt gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern zu realisieren.

Reflexion der Vermittlerrolle

Qualifizierungen zu diesem Themenkomplex wurden nicht nur für Kulturagentinnen und Kulturagenten, sondern gemeinsam mit den Kulturbeauftragten der teilnehmenden Schulen durchgeführt. Als Referentinnen brachten unter anderem die Mitarbeiterinnen der Arbeitsstelle Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW ihre langjährigen Erfahrungen ein.

Bei den Qualifizierungen zum Themenkomplex "Kooperationen" wurde deutlich, dass es zwingend notwendig ist, Erwartungen und Zuständigkeiten zwischen den Kooperationspartnern zu klären und ausreichend Zeit für diese Prozesse einzuplanen. Die Kulturagentinnen und Kulturagenten wurden als Übersetzer zwischen der "Sprache der Schule" und der "Sprache des Kulturbereichs" dringend benötigt. Für diese Aufgabe ist es wichtig, dass Kulturagentinnen und Kulturagenten in der Lage sind, immer wieder Perspektiv- und Rollenwechsel vorzunehmen und gegebenenfalls auch eine neutrale Position einzunehmen, um sensibel zwischen den Erwartungen der beteiligten Akteure zu vermitteln.