Saskia Zimmerer
Art in lessons
Saskia Zimmerer

Art in lessons

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Foto: Saskia Zimmerer

Die drei am Kulturagentenprogramm teilnehmenden Schulen in Bielefeld haben "Künstlerisches Arbeiten im Fachunterricht" als einen wichtigen Baustein in ihre Kulturfahrpläne aufgenommen.

Im Deutschunterricht der Kuhlo Realschule Bielefeld schaffen Künstlerinnen und Künstler kreative Zugänge zu Inhalten des Lehrplans. Diese Unterrichtssequenzen werden einmal jährlich in vier Doppelstunden gestaltet – für die 5. Klassen zum Thema Märchen: "Es war einmal … Auf Märchen trifft man überall" mit dem Trotz-Alledem-Theater1, für die 6. Klassen zum Thema Fabeln: "Tiere wie Menschen – Fabeln verstehen und verändern" mit der Musik- und Kunstschule Bielefeld, und für die 7. Klassen mit dem Theaterlabor zum Thema Balladen "Feuersbrunst und Galgenbäume". Die Einbeziehung von Fachleuten schafft einen neuen Lernzugang, der es der Schülerschaft ermöglicht, mit partizipativen Arbeitsweisen zu Gestalterinnen und Gestaltern eigener Lernprozesse zu werden. Durch diese Herangehensweise wird Unterricht lebendig, und es werden soziale und künstlerisch-ästhetische Kompetenzen hinzugewonnen. Der Unterrichtsinhalt erhält so eine sinnliche Komponente, die die Fantasie anregt, Ressourcen und verborgene Talente sichtbar macht.

Der Ansatz, künstlerische Methoden und Herangehensweisen für den Fachunterricht zu nutzen, ist ein sinnvolles Vorhaben bei der Entwicklung eines künstlerisch-kulturellen Schulprofils. Projekte, die einen Bezug zum Lehrplan aufweisen, haben eine große Chance auf Nachhaltigkeit, da es sich nicht um zusätzliche Angebote handelt, sondern vorhandene Unterrichtsinhalte ergänzt werden.

Wie beginnen?

Der Prozess sollte klar strukturiert und für alle Beteiligten transparent sein. Er sollte viel Freiraum für Partizipation zulassen, und der Nutzen sollte allen Beteiligten klar sein. Es empfiehlt sich zu Beginn, die wichtigen Begrifflichkeiten wie Kunst, Kreativität, Partizipation und Bildung mit allen zu diskutieren, um zu verstehen, was jeweils damit verbunden wird; denn diese Begriffe werden oft unterschiedlich gedeutet, und es lohnt sich, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen oder zumindest die unterschiedlichen Standpunkte und Haltungen zu verdeutlichen. Hierzu eignet sich die Erstellung einer Mindmap, die – und das gilt auch für andere Methoden – idealerweise in der Kulturgruppe der Schule mit beteiligten Fachlehrkräften, Kunstschaffenden oder Vertreterinnen und Vertretern einer Kulturinstitution, der Schulleitung, der Schülerschaft und den Eltern gestaltet wird.

Alle mitnehmen!

Um für das Vorhaben im Kollegium Interesse zu wecken, können in der Lehrerkonferenz kurze Filme mit Beispielen aus erfolgreichen Projekten anderer Schulen gezeigt werden. Auch ein Lehrerworkshop kann hilfreich sein, in dem Kunstschaffende (beispielsweise Schauspielerinnen/Schauspieler, Tänzerinnen/Tänzer, bildende Künstlerinnen/Künstler) mit dem Kollegium der Schule einen Tag lang arbeiten.

Beispiele für einen Lehrerworkshop zum Thema "Art in lessons"

1. Fach Deutsch

Poetry Slam
Auszug aus dem Lehrplan:

  • Texte verfassen: kreativ mit Texten umgehen, beispielsweise aus verschiedenen Perspektiven erzählen, Texte in andere Textsorten umformen, verfremden oder fortführen

Workshopleitung: Poetryslammer
Die beiden Poetryslammer nehmen Texte, die im Deutschunterricht behandelt werden, und lassen sie von den Lehrerinnen und Lehrern in verschiedenen Genres interpretieren und vortragen. Im Anschluss werden eigene kurze Texte verfasst.

Improtheater
Auszug aus dem Lehrplan:

  • Lese- und Vortragstechniken verbessern
  • Lesetechniken verfeinern
  • literarische Texte gestaltend vortragen
  • Textarbeit Theater

Workshopleitung: freies Theater
Die Schauspielerinnen und Schauspieler arbeiten mit dem Kollegium an einer Szene eines Theaterstücks. Es werden sprachliche und theatralische Mittel wie Gestik, Mimik und Körpersprache erarbeitet.

2. Fach Biologie

Mögliche thematische Bearbeitungen sind:

  • Entwicklungsschritte in der Evolution
  • verschiedene Stoffwechselprozesse (beispielsweise die Atmungskette)
  • Theater, Kunst, Musik

Workshopleitung: Tanztheater
Die Tänzerinnen und Tänzer improvisieren und gestalten szenisch und tänzerisch die Atmungskette.

3. Fach Mathematik

Auszug aus dem Lehrplan:

Schülerinnen und Schüler

  • setzen Begriffe an Beispielen miteinander in Beziehung (beispielsweise Produkt und Fläche, Quadrat und Rechteck).
  • nutzen intuitiv verschiedene Arten des Begründens (Beschreiben von Beobachtungen, Plausibilitätsüberlegungen, Angeben von Beispielen und Gegenbeispielen).
  • benennen und charakterisieren Grundfiguren und Grundkörper (Rechteck, Quadrat, Parallelogramm, Dreieck, Kreis, Quader, Würfel) und identifizieren sie in ihrer Umwelt.

4. Fach Kunst

Auszug aus dem Lehrplan:

  • Auseinandersetzung mit Bildern und Objekten

Die Schülerinnen und Schüler vertiefen durch die Begegnung mit Bildern und Objekten ihre eigenen ästhetischen Erfahrungen, Eindrücke und Erkenntnisse. In der Begegnung mit der Vielfalt künstlerischer Objekte bieten sich Chancen zur Selbstbestimmung, zum Üben von Toleranz und zur Weltorientierung.

Workshopleitung: Kunsthalle
Die Kunstpädagoginnen gestalten mit dem Kollegium frei nach Ursus Wehrli Bilder von August Macke und Paul Klee. Diese Bilder werden zeichnerisch "aufgeräumt".

5. Fach Englisch

Auszug aus dem Lehrplan:

  • kurze Texte oder Textelemente auswendig lernen und vortragen
  • einfache rhetorische Mittel (Wiederholungen, Parallelismen, Kontraste, Klangstrukturen, Vergleiche, Bilder und anderes) in Erzähltexten, Gedichten, Liedern, Werbetexten auffinden
  • Musik

Workshopleitung: Musikerinnen und Musiker einer Kulturinstitution
Die Musikerinnen und Musiker untersuchen mit dem Kollegium englischsprachige Songs auf Kontraste, Klangstrukturen, Parallelismen und vieles mehr.

Und wie weiter?

Im nächsten Schritt können in den Fachkonferenzen geeignete Themen aus dem Lehrplan ausgesucht und erste Ideen zur künstlerischen Umsetzung gesammelt werden. Die Kulturgruppe oder die Kulturagentin der Schule nimmt Kontakt zu den Künstlerinnen und Künstlern und Institutionen auf, um gemeinsame Gespräche über mögliche Verknüpfungen der jeweiligen künstlerischen Herangehensweise und des Lehrplaninhalts zu führen.

Hier ist eine Checkliste hilfreich, in der alle besprochenen Details festgehalten werden:

  • Wer sind die Ansprechpartner des Projekts?
  • Wie sehen die Pausenzeiten, Stundenpläne … aus?
  • Gibt es inhaltliche Prioritäten der Schule? (Rahmenpläne, Fachpläne, inhaltliche Konzeption, Jubiläen)
  • Wie sehen die gesetzlichen Grundlagen (beispielsweise "Belehrungen zur Sicherheit") aus?
  • Gibt es in der Gruppe altersspezifische/gesundheitliche Besonderheiten (Belastbarkeit, Vorlieben …)?
  • Gibt es in der Gruppe psychische/physische Probleme?
  • Wie sehen die Arbeitsräume aus?
  • Wie werden die Projektergebnisse aufbewahrt, dokumentiert und präsentiert?
  • Wie sehen die zeitlichen, personellen und räumlichen Kapazitäten aus?
  • Wer sind unsere Ansprechpartner?
  • Wie sehen die Projektziele/Inhalte aus?
  • Welche Methoden werden angewendet?
  • Welche Medien/Werkzeuge/Materialien werden benötigt?
  • Wer ist für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, und wie soll sie aussehen?
  • Wie wird das Projekt evaluiert?
  • Wie wird das Projekt finanziert?

Wer ist hier der Chef?

Um für alle Beteiligten eine zufriedenstellende Situation zu erreichen, sollte auch eine Rollenklärung erfolgen. Die Künstlerin/der Künstler sollte die Klasse oder Schülergruppe nicht alleine betreuen, aber trotzdem das Projekt leiten. Durch eine gute Absprache und Sensibilisierung für dieses Thema können Konflikte vermieden werden. Es ist beispielsweise möglich, dass die hohe Lautstärke beim Arbeiten in der Klasse oder der Schülergruppe die Lehrkraft stört, während die Künstlerin/der Künstler diese kreative Atmosphäre als angenehm empfindet. Das Lehrer-Künstler-Team sollte hier im Dialog über Prioritäten, Erwartungen, Haltungen und Methoden bleiben. Eine Kooperation, die auf Augenhöhe gemeinsam geplant wird, ist meistens für alle Beteiligten vorteilhafter.

Künstlerischer Freiraum?

Der künstlerische Impuls in der Schule ist einem konkreten Zweck untergeordnet: Der Lehrplan gibt ein Thema vor, das die Künstlerin/der Künstler bereichern sollte. Sie sollen neue Zugänge ermöglichen, von denen Lehrkräfte, Schülerschaft und die Kunstschaffenden selbst profitieren. Freie künstlerische Prozesse beginnen häufig mit einer Frage oder einer Themensetzung, zu der die Künstlerin/der Künstler forschend, tanzend, malend, schreibend, alleine oder mit mehreren, arbeitet. Der Unterschied zum künstlerischen Arbeiten in der Schule ist also gar nicht so groß. Beide Partner suchen nach Wegen, sich selbst und ihrer Umwelt zu nähern. Lehrkräfte und Kunstschaffende, die etwas vermitteln möchten, haben jeweils ein Publikum. Der Unterschied liegt aber darin, dass die Schülerinnen und Schüler nicht frei in ihrer Interpretation/Bewertung sind, sondern sich an einem gesetzten Ergebnis orientieren sollen, das sie zu erkennen oder zu erzielen haben.

Genau hier liegt die große Chance der künstlerischen Herangehensweise: Sie kann genutzt werden, um neue Denkanstöße zu erhalten, den Horizont zu erweitern und kreatives Potenzial freizusetzen. Das eigene künstlerische Tun wird durch die künstlerische Herangehensweise nicht nur kognitiv, sondern auch emotional erfahren, und somit können Schülerinnen und Schüler ganzheitlicher lernen.

Nach dem Projekt ist vor dem Projekt

Nach Durchführung des Projekts sollte eine Evaluation erfolgen, um gewonnene Erfahrungen zu sichern und gegebenenfalls an den weiteren Verlauf anzupassen. Stellen sich beispielsweise drei Projektdurchläufe als erfolgreich heraus, kann das Format im Lehrplan fest verankert werden. Es können auch Kooperationsverträge mit der entsprechenden Institution geschlossen werden.

Theater spielen!

Neben der theoretischen Vorbereitung der Projekte geht es am Ende um die konkrete Umsetzung im Unterricht. Die Schülerinnen und Schüler des 5. Jahrgangs arbeiteten beispielsweise mit dem Trotz-Alledem-Theater Bielefeld zum Thema Märchen. Hier werden langfristig Märchen des Spielplans mit den im Deutschunterricht zu bearbeitenden Märchen aufeinander abgestimmt. Die Schule und das Theater einigten sich daher auf das Stück "Aladin und die Wunderlampe". Aladin ist ein junger Mann, der von einem Zauberer beauftragt wird, eine Öllampe in einer magischen Höhle zu finden. Nachdem der Zauberer ihn zu betrügen versucht, behält Aladin die Lampe für sich. Er entdeckt, dass in der Lampe ein Dschinn steckt, der die Wünsche des Lampenbesitzers erfüllen muss. Mit Unterstützung des hilfreichen Geistes wird Aladin reich und mächtig und heiratet die schöne Tochter des Sultans.

Das Märchen wurde von der Theaterpädagogin Lena Maßmann und dem Theaterpädagogen Daniel Scholz sowie der Leiterin des Theaters, Catharina Schütte, gemeinsam mit der Kulturbeauftragten der Schule und Kulturagentin geplant und vorbereitet. Nach einer Aufwärmphase, in der die Schülerinnen und Schüler frei durch den großen Raum laufen und einige Aufgaben ausführen, bekommen sie freigestellt, ob sie das Stück selbst anhand der Vorgabe spielen oder ob sie der Geschichte einen biografischen Bezug geben wollen. Sie entscheiden sich für die Arbeit am Original. Die Szenen werden in Gruppen erarbeitet und Zwischenergebnisse auf der Bühne der Aula der Schule vorgeführt. Die Schülerschaft wird aufgefordert, positives Feedback zu geben. Durch diese Methode bekamen die Schülerinnen und Schüler einen guten Blick für die Wirkung ihrer Präsentationen. Die Theaterpädagogen ergänzen die Inszenierungen der Schülerinnen und Schüler durch ästhetische und theatrale Mittel. Bemerkenswert war die gegenseitige Wertschätzung der Schülerinnen und Schüler, die in den Zwischenpräsentationen durch die Kritikphasen der Kinder von den Theaterpädagogen und den Lehrkräften als sehr gewinnbringend beschrieben wurde, da die Fortschritte für alle sichtbar wurden. Der anschließende Besuch des Trotz-Alledem-Theaters vervollständigte diese Einheit zum Thema. Die Schülerinnen und Schüler hatten nun die Gelegenheit, das Stück, das sie in der Schule selbst gespielt hatten, auf der Bühne des Trotz-Alledem-Theaters von professionellen Schauspielern aufgeführt zu sehen.

Alle am Kulturagentenprogramm teilnehmenden Schulen in Bielefeld planen weitere künstlerische Projekte, die curriculare Bezüge haben. Im Politikunterricht arbeitet eine bildende Künstlerin zum Thema Recycling. Im Biologieunterricht wird eine Kräuter-Mosaikbank gebaut, im Französisch- und im Englischunterricht werden Filme mit einer Regisseurin gedreht. Zirkuskünstler gestalten den Sportunterricht, und passend zur Ausstellung in der Kunsthalle Bielefeld "Heute ist morgen, Sophie Taeuber-Arp" gestalten Schülerinnen und Schüler des 7. Jahrgangs vier Tage lang in der Kunsthalle mit Theaterpädagogen und Kulturvermittlerinnen eine Performance, zu der die Bielefelder Öffentlichkeit eingeladen wird.2

1 Das Trotz-Alledem-Theater wurde 1980 gegründet und ist seitdem ein professionelles freies Theater. Kabarettist und Schauspieler Jürgen Rittershaus alias Heinz Flottmann und Volker Rott engagieren sich seit dem Gründungsjahr 1980 in dem freien Theater, das sich zu den ältesten freien Kinder- und Jugendtheatern Deutschlands zählen kann. "Unsere Theaterstücke wollen Kinder aller Altersgruppen ermutigen, ihre Gefühle ernst zu nehmen und neugierig das Leben zu erkunden", so lautet eine Maxime der freien Bühne. Seit 1990 hat das Ensemble im Theaterhaus an der Feilenstraße in Bielefeld eine feste Spielstätte. Es ist Mitglied in der ASSITEJ (Internationale Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche) und der Kooperative Freie Theater in NRW. Es wird von der Stadt Bielefeld und vom Land NRW gefördert.

2 Weiterführende Informationen unter: www.kulturellebildung-nrw.de/cms/upload/pdf/WERKBUCH_06.pdf [08.03.2015].