Stefan Roszak, Silke Ballath
Ach Meiz, get i chmex, tua hfna del
Stefan Roszak, Silke Ballath

Ach Meiz, get i chmex, tua hfna del

Lautpoetische Stimmexperimente und ein Co-Mentoring zwischen Künstler, Kulturagentin und Lehrerinnen

Kurzbeschreibung

Der Musiker und Instrumentenbauer Stefan Roszak arbeitete ein Schuljahr lang mit einer 5. Klasse zum Thema Lautpoesie. Ausgehend von Werken dadaistischer Lautpoeten entwarfen die Schülerinnen und Schüler eigen Plakat- und Buchstabengedichte, experimentierten mit Comiclauten und Atemgeräuschen. Den Abschluss bildete eine kollektive Klassenkomposition, die mehrfach in der Schule aufgeführt wurde.

Bundesland

Berlin

Ort

Berlin

Beteiligte Klassenstufen

5

Thema

Lautpoesie

Sparten

Musik

Format

im Unterricht

Beteiligte Schülerinnen und Schüler

26

Projektdauer

Schuljahr 2013/14

Durchführungsorte

In der Schule
im Museum und in der Stadt

Kulturagent

Silke Ballath

-

Verstärkung von Atemgeräuschen
Foto: Max Menning

Im Sommer 2013 entwickelten die Kulturagentin Silke Ballath und der Berliner Künstler, Musikpädagoge und Instrumentenbauer Stefan Roszak mit vier Lehrerinnen2 der Fichtelgebirge-Grundschule in Berlin Kreuzberg einen Co-Mentoring-Ansatz für die künstlerische Projektarbeit im Unterricht der Schule. Ausgangsgrundlage war die einjährige Workshopreihe für Pädagoginnen "Ich mach" mir die Welt …", die im Schuljahr zuvor in Kooperation mit dem Internationalen JugendKunst- und Kulturhaus Schlesische27 stattgefunden hatte.3

Nach der einjährigen Workshopreihe wollten wir die Ansätze und Ideen im Schulalltag praktisch umsetzen, gemeinsam erproben und weiterentwickeln. Vier Lehrerinnen, die regelmäßig an den Workshops der Fortbildungsreihe teilgenommen hatten, äußerten Lust und Interesse, mit Stefan Roszak weiterzuarbeiten, weil ihnen sein künstlerischer Ansatz gefiel. Zudem stand fest, dass die Schule einen Schwerpunkt ihres Kulturprofils auf experimentelle Musik legen wollte.4 Aus diesen Vorbedingungen, die für die Entwicklung dieses spezifischen Ansatzes wichtig waren, entstand das folgende Konzept.

Stefan Roszak sollte als Experte für experimentelle Musik die Lehrerinnen darin unterstützen, individuelle Projektansätze für ihren eigenen Unterricht zu entwickeln, und sie gemeinsam mit ihnen künstlerisch-edukativ umsetzen. Darüber hinaus entschieden wir uns mit allen Beteiligten dafür, alle zwei Monate ein gemeinsames Methodentreffen durchzuführen, um uns über die laufenden Projekte auszutauschen, beispielhaft Einblicke in die jeweiligen Arbeitsprozesse zu geben und weitere experimentelle Ansätze methodisch zu erproben.

Silke Ballath begleitete den Prozess von der Konzeption bis zu Umsetzung und Reflexion. Als Prozessbegleiterin war sie bei Planungs- und Methodentreffen anwesend, unterstützte Lehrerinnen und Künstler in der Entwicklung der Projekte, gab Impulse für die Zusammenarbeit, beobachtete die konkrete Umsetzung, war bei den Vor- und Nachbereitungstreffen für die Unterrichtseinheiten anwesend, teilte ihre Beobachtungen den Akteurinnen mit und half bei der Klärung organisatorischer Fragen.

Das letzte gemeinsame Methodentreffen sollte allen am Prozess Beteiligten die Möglichkeit geben, ihre Erfahrungen zu reflektieren und Ideen, Wünsche und Vorstellungen für ihre eigenen Projektpläne im folgenden Schuljahr zu formulieren.5 Ziel war es, die zuvor erprobten künstlerischen Verfahren methodisch in den Unterricht einzubinden und damit das experimentell-musische Kulturprofil der Schule weiterzuentwickeln und zu etablieren.

Der Co-Mentoring-Ansatz bestand darin, die Kooperationsprozesse zwischen Lehrerinnen und Künstler zwei Jahre lang durch eine dritte Person – hier die Kulturagentin, die nicht direkt in der Schule arbeitet, aber die Akteurinnen und ihre Arbeit gut kennt – zu begleiten. Der Ansatz sollte dazu beitragen, die künstlerische Projektarbeit nicht nur kurzfristig in den Schulkontext zu integrieren, sondern eine Basis für eine längerfristige Zusammenarbeit zwischen Künstler und Schule zu schaffen.

Das Co-Mentoring-Modell bietet dem Duo aus Künstlerin und Lehrerin die Möglichkeit, seine Kooperation gemeinsam mit einer dritten Person individuell zu reflektieren, neue Impulse aufzunehmen, Vertrauen in die eigene Praxis zu entwickeln und mutiger im Experimentieren zu werden.

In diesem Austausch erleben sich die Lehrerinnen als Expertinnen für praktisch erprobte experimentelle Ansätze. Im Idealfall entsteht dadurch ein Unterstützungssystem von Expertinnen, die ihre Erfahrungen untereinander austauschen, sich gegenseitig beraten, ihre Expertise weiter vertiefen und das Kulturprofil der Schule kontinuierlich schärfen, ohne dabei auf die spezifische Expertise einer Künstlerin zu verzichten.

Im Vordergrund der jeweiligen Projektentwicklung stand zunächst die individuelle Motivation der einzelnen Lehrerinnen. Was waren ihre Anliegen, ihre Interessen, Bedenken und Erwartungen? Wie könnte der künstlerische Ansatz im Unterricht ihrer eigenen Klasse realisiert werden, und wie könnte die Zusammenarbeit mit dem Künstler konkret aussehen?

Die gemeinsamen Erfahrungen in der einjährigen künstlerischen Workshopreihe waren wesentlich für die weitere Zusammenarbeit, weil Lehrerinnen und Künstler sich bereits persönlich gut kannten, die Lehrerinnen die künstlerische Arbeit und methodischen Konzepte des Künstlers praktisch kennengelernt hatten und ihre Entscheidung für die Fortsetzung der Kooperation mit ihm daher gut begründet war.

Der einjährige Workshop hatte Möglichkeitsspielräume außerhalb gewohnter Grenzen des schulischen Alltags eröffnet. Darin konnten sich Ideen entwickeln, die Risiken beinhalteten und nicht gleich aufgrund von Bedenken im Hinblick auf ihre schulische Realisierbarkeit im Keim erstickten. Auf dieser Grundlage wurden Fragen konkretisiert, Wünsche und Bedenken formuliert und Visionen entworfen.

Da die vier Lehrerinnen unterschiedliche Vorstellungen und Motivationen für die Zusammenarbeit mit dem Künstler hatten, bot dieser Ansatz Raum für individualisierte Projektwünsche. Diese gingen mit dem jeweiligen Verständnis von experimenteller Musik, den Erfahrungen, die sie damit bereits gemacht hatten, sowie ihrer eigenen Bereitschaft einher, sich mit experimentellen Prozessen zu konfrontieren als eher kalkulierbare Rahmenbedingungen zu schaffen.

Auf diese Weise konnte jede Lehrerin ihre eigenen Kapazitäten zusammen mit dem Künstler einschätzen und eine für sie passende Projektstruktur finden. Stefan Roszak wiederum konnte aus der bisherigen Zusammenarbeit einschätzen, wie er Ideen aufgreifen und experimentell umsetzen würde.

Einige Projekte blieben nah an schon gemachten Erfahrungen und waren langfristig planbarer, wie beispielsweise das Bauen experimenteller Musikinstrumente. Andere Projekte waren ergebnisoffener angelegt und gingen eher von einer Vision aus, wie etwa das im Folgenden beschriebene Projekt. Dabei ging es darum, fächerübergreifende Experimente im Deutsch-, Musik- und Kunstunterricht zu realisieren, ohne vorher genau zu wissen, auf welches Ergebnis die Arbeit im fortschreitenden Prozess zusteuern würde.

Lautpoetisches Plakatgedicht von Luis
Foto: Stefan Roszak

Projektbeispiel "Lautpoetische Stimmexperimente"

Das Projekt "Lautpoetische Stimmexperimente" wurde im Schuljahr 2013/14 mit Schülerinnen einer 5. Klasse der Berliner Fichtelgebirge-Grundschule durchgeführt und war als fächerübergreifendes Projekt angelegt.

Lautpoesie ist eine im 20. Jahrhundert im Umfeld des Dadaismus entwickelte Gattung der Lyrik, die auf sprachlichen Sinn radikal verzichtet, wodurch der Klang gesprochener Laute der menschlichen Sprechstimme in den Vordergrund rückt und musikalische Qualität gewinnt.

Bereits inhaltlich war es daher naheliegend, die Fächer Deutsch und Musik miteinander zu verbinden. Viele der ersten Buchstabengedichte dadaistischer Lautpoeten wie Kurt Schwitters, Raoul Hausmann, John Heartfield und anderen waren aus Buchstaben collagiert, die aus Zeitungen herausgeschnitten und zu sogenannten Plakatgedichten zusammengesetzt worden waren. Es bot sich also an, auch bildkünstlerische Aspekte in das Projekt zu integrieren. Und da am Ende des auf 15 Doppelstunden angelegten Projekts eine öffentliche Präsentation vorgesehen war, kamen von Anfang an auch szenisch-theatralische Momente mit ins Spiel.

So wurde aus dem Thema "Lautpoetische Stimmexperimente" ein kunstspartenübergreifendes und die Schulfächer Deutsch, Musik, Bildende Kunst und Theater verbindendes Unterrichtsprojekt, in dessen Mittelpunkt der experimentell-künstlerische Umgang mit nicht-semantischen Lautäußerungen sowie erweiterte Ausdrucksmöglichkeiten der menschlichen Sprechstimme6 standen.7

Der bereits angesprochene Co-Mentoring-Prozess soll am Beispiel der engen Zusammenarbeit des Künstlers mit der Klassenlehrerin Ulrike Lenz exemplarisch verdeutlicht werden. Er bestand aus begleitenden Workshopterminen mit weiteren Lehrerinnen derselben Schule, in deren Klassen wir parallel andere künstlerische Projekte durchführten. Darüber hinaus haben Künstler und Lehrerin gemeinsam alle Unterrichtsstunden ausführlich vor- und nachbereitet. Alle verwendeten Materialien (Ton- und Bildbeispiele sowie Stundenplanungen) wurden zudem der Lehrerin für ihre zukünftige Arbeit in digitaler und analoger Form zur Verfügung gestellt.

Wesentliche Projektaufgabe war es, nicht nur im Unterricht mit Schülerinnen an einem außergewöhnlichen Thema zu arbeiten, sondern den Ansatz fächerübergreifender, experimentell-künstlerischer Arbeit anhand des Themas zugleich der Lehrerin exemplarisch zu vermitteln und damit für ihre alltägliche Arbeit nachhaltig fruchtbar sowie auf andere Themenkomplexe übertragbar zu machen.

Die Ziele des Projekts im Hinblick auf die Erfahrungen der Schülerinnen lassen sich anhand folgender Stichworte zusammenfassen:

  • Ästhetische Bildung: Den Lernenden wird durch eigene praktische Erfahrungen die grundsätzliche Einsicht vermittelt, dass es in der Kunst generell nicht um begrifflich eindeutige Bedeutungszuweisungen geht, sondern um multiple Bedeutungsmöglichkeiten (Bedeutungsoffenheit).
  • Erweiterung der auditiven Wahrnehmungsfähigkeit: Musikalische Arbeit steht und fällt mit der Fähigkeit des differenzierten und gegenseitigen Zuhörens, wobei Hören als "aktiver Prozess" erlebt und begriffen 8
  • Erweiterung der imaginativen Wahrnehmungsfähigkeit: Lautpoetische Texte werden aufgrund ihrer abstrakten, nicht-semantischen, scheinbar inhaltsleeren Form schnell mit dem Vorwurf der Sinnlosigkeit konfrontiert. Dass "nonverbaler Unsinn" (Nonsens) gleichwohl die Fantasie anregen und damit Sinn generieren kann, gehört zu den wesentlichen Erfahrungspotenzialen dieses Themas.
  • Erweiterung der stimmlichen Ausdrucksmöglichkeiten: Das kreative Spiel mit der eigenen Stimme (Stimmbildung) ist die Grundlage der lautlichen Gestaltung sowie der Rezitation eigener lautpoetischer Texte.
  • Förderung gestalterischer Fähigkeiten: Improvisatorische Spielregeln und Gestaltungsaufgaben regen im Schutz der Gruppe die Lust am Komponieren (wörtlich: Zusammenstellen) und Vortragen eigener lautpoetischer Texte an.
  • Theoretische Reflexion des eigenen Tuns: Im kollektiven Gespräch über die Gestaltungsmöglichkeiten eigener Textschöpfungen wird das Vokabular für klanglich-musikalische Phänomene progressiv ausdifferenziert.
  • Förderung der ästhetischen Urteilsfähigkeit: Werturteile darüber, ob etwas schön, gelungen, interessant gefunden oder persönlich abgelehnt wird, werden diskursiv verhandelt und sollten stets argumentativ begründet werden.
  • Förderung sozialer Kompetenzen: Für die kollektive Entwicklung und Aufführung einer lautpoetischen Klassenkomposition ist die produktive Zusammenarbeit aller Beteiligten nicht nur wünschenswert, sondern unabdingbare Voraussetzung.

Schülerin übt die Rezitation ihres Buchstabengedichts
Foto: Stefan Roszak

Die genannten pädagogischen Ziele und daraus resultierenden künstlerischen Verfahren haben das Projekt inhaltlich fundiert und strukturiert. Im Folgenden werden stichwortartig drei thematische Phasen beschrieben, die auf dieser Grundlage – jeweils ausgehend von einem historischen Referenzwerk der Lautpoesie des 20. Jahrhunderts – entwickelt wurden. Aus den Ergebnissen dieser Phasen entstand abschließend eine kollektive Klassenkomposition, mit deren Präsentation das Projekt vorläufig endete.

Plakat- und Buchstabengedichte

Kinder collagieren eigene Plakatgedichte aus ausgeschnittenen Zeitungsbuchstaben und üben deren Rezitation/Interpretation ein. Als Referenz/Vorbild dienen Plakatgedichte/Buchstabengedichte des Dadaismus von Kurt Schwitters, Raoul Hausmann, John Heartfield und George Grosz.

Teil eines lautpoetischen Plakatgedichts
Foto: Stefan Roszak

Comiclaute

Kinder gestalten eigene kurze Stücke aus Comiclauten. Referenz ist das Stück "Stripsody" von Cathy Berberian. Die Schülerinnen und Schüler erhalten nach dem Vorbild gestaltete Blankopartituren, in die sie aus Comics ausgeschnittene Lautwörter (beispielsweise Arrghh, Krawumm, Boing …) einkleben und deren Rezitation sie anschließend einüben.

Partitur mit Comiclauten
Foto: Stefan Roszak

Atemgeräusche

Kinder schreiben kurze Stücke für eigene Atemgeräusche. Als Referenz dient ihnen das Stück "Atemzüge" aus "Maulwerke" von Dieter Schnebel. Die Schülerinnen erhalten nach dem Vorbild gestaltete Blankopartituren, in die sie den melodisch rhythmisierten Verlauf ihrer Atemgeräusche kurvenförmig einzeichnen und deren Vortrag sie einstudieren. Mithilfe selbstgebauter Flüstertüten wird der Atem akustisch verstärkt und fürs Publikum hörbar.

Notation einer Melodie aus Atemgeräuschen
Foto: Stefan Roszak

Präsentation

Mit einer lautpoetischen Klassenkomposition aus experimentellen Stimm- und Atemlauten, in die alle genannten Elemente hör- und sichtbar eingeflossen sind und die im Rahmen einer schulöffentlichen Inszenierung vor anderen Klassen und Eltern mehrfach präsentiert wurde, fand das Projekt schließlich seinen vorläufigen Abschluss.9

Flüstertüten im Einsatz
Foto: Max Menning

Nachhaltigkeit und Verstetigung künstlerischer Projektarbeit

Es hat sich gezeigt, dass künstlerische Projektarbeit in der Schule keineswegs als Alternative zum fachlichen Unterricht gesehen werden kann, sondern vor allem als dessen sinnvolle Ergänzung und Erweiterung. Im Rahmen des regulären, von einer Lehrperson geleiteten Schulunterrichts ist künstlerische Projektarbeit allein aufgrund des hohen Vorbereitungsaufwands kaum zu leisten – unabhängig von der Frage, ob die Lehrperson selbst sich als Künstlerin einschätzt bzw. künstlerisch tätig ist oder nicht. Ebenso kann es nicht Sinn und Aufgabe von in Schulen tätigen Künstlerinnen sein, punktuell die Arbeit der Lehrenden zu ersetzen. Im Gegenteil: Nachhaltig produktiv und für alle Beteiligten bereichernd wird künstlerische Projektarbeit unseres Erachtens erst dann, wenn Lehrende und Kunstschaffende kooperativ eng zusammenarbeiten.

Wie am obigen Beispiel deutlich wurde, heißt das, dass sich die pädagogische Perspektive der Künstlerin nicht nur auf Schülerinnen konzentrieren, sondern stets auch die kooperierende Lehrperson im Blick haben sollte. Künstlerische Projektarbeit dient somit zugleich der Weiterbildung des beteiligten Lehrpersonals. Ebenso beschränkt sich die Aufgabe der Lehrerin nicht nur darauf, im Hintergrund lediglich für den reibungslosen Ablauf des Projekts verantwortlich zu sein, damit die Künstlerin allein und möglichst ungestört arbeiten kann – wie es in pädagogischen Projekten, die von außen an die Schule kommen, leider nur allzu oft der Fall ist. Wenn Lehrende und Kunstschaffende dagegen bereit sind auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, kann künstlerische Projektarbeit zur wechselseitigen Fortbildung werden, in der beide Seiten kooperativ mit- und voneinander lernen. Entscheidend dafür ist, dass die Beteiligten bereit und offen dafür sind sich regelmäßig und nicht nur zwischen Tür und Angel über den jeweiligen Projektverlauf auszutauschen. Der dafür notwendige Mehraufwand lohnt sich. Er kann als strukturbildender Praxisbeitrag zur nachhaltig wirksamen Schulentwicklung vor Ort verstanden werden.

Diesen spezifischen Ansatz in der Schule zu etablieren und zu verstetigen, würde indes Umstrukturierungsprozesse bedingen, deren Voraussetzungen institutionell bislang nicht gegeben sind, die uns aber keineswegs unrealistisch oder utopisch erscheinen.

Denkbar wäre es beispielsweise, Künstlerinnen, die bereits vielfach und erfolgreich Projektarbeit im Rahmen des Kulturagentenprogramms an einer Schule geleistet haben, temporär oder sogar dauerhaft an eine Schule zu binden.

Räumliche Inszenierung der Klassenkomposition
Foto: Silke Ballath

Professionelle Künstlerinnen verfügen als hochspezialisierte Expertinnen für bestimmte Themen und Aspekte ästhetischer Erfahrung über ein künstlerisches Profil und praktisches Know-how, das erheblich dazu beitragen kann, das kulturelle Profil einer Schule nachhaltig zu erweitern und zu schärfen.

In unserm Fall könnte die Expertise des Künstlers Stefan Roszak, in dessen Projektarbeit das Thema "auditive Wahrnehmung" stets ein zentraler Aspekt ist, beispielsweise grundlegend dazu beitragen, das individuelle Schulprogramm um den ästhetischen Schwerpunkt "Schule des Hörens" zu ergänzen und weiter zu profilieren.

Der Künstlerin könnte in einem solchen Modell die Aufgabe zukommen, im Rahmen eines zeitlich flexiblen Stundendeputats und in enger Kooperation mit den Lehrenden künstlerische Projekte zu übergeordneten Themenkomplexen zu realisieren, womit das kulturelle Profil der Schule nach innen wie außen nachhaltig gestärkt werden würde.

Voraussetzung einer solchen Profilbildung, mit der die Institution Schule sich kooperativ öffnen und strukturell ändern würde, wäre zunächst die Klärung der Frage, wie diese Art der Zusammenarbeit als kulturelle Bildungsoffensive finanziell realisiert werden kann.

Flüsterhüte
Foto: Stefan Roszak

1 Lautpoetisches Plakatgedicht von Diyar (10 Jahre).

2 Eine Anmerkung zur Schreibweise in diesem Artikel: Es bestehen viele Möglichkeiten der Indikation von Geschlechtervielfalt in der Schriftsprache. Die Autor_innen des vorliegenden Textes bevorzugen die Verwendung des Unterstrichs, der gerade durch die Unterbrechung von Substantiven performative Hinweise auf real existierende Geschlechtervarianz jenseits von Männlichkeiten und Weiblichkeiten produziert. Die "Erschwerung" der Lektüre durch diese Unterbrechung ist insofern intendiert. Die weibliche oder männliche Unterscheidung wird dann gemacht, wenn es sich um klar eingrenzbare Personen (-gruppen) handelt.

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3 Siehe dazu Ballath, Silke; Hummel, Claudia; Steinkrauss, Nils: "Wechselspiele – Verantwortungs- statt Methodenübernahme. Eine Reflexion zum künstlerischen Pädagog_innenworkshop ,Ich mach" mir die Welt, widdewidde, wie sie mir gefällt …"", in: Kooperationsprozessor – Gemeinsam etwas bewegen. Onlinepublikation der Halbzeittagung des Modellprogramms "Kulturagenten für kreative Schulen 2011–2015", Berlin 2014.

4 Die Fichtelgebirge-Schule hatte bereits in den Jahren zuvor mit mehreren Schulklassen an den Projekten "QuerKlang – Experimentelles Komponieren in der Schule" beziehungsweise "QuerKlang-Nachhall" teilgenommen, in dessen Leitungsteam Stefan Roszak ebenfalls tätig ist. Siehe www.querklang.eu [22.11.2014].

5 Dieser Termin war Ausgangspunkt für weitere Einzelbesprechungen, um die folgenden Projektideen im Team Lehrerin-Künstler-Kulturagentin zu besprechen. Die Reflexion fand in der Gruppe statt, um die gemachten Erfahrungen miteinander zu teilen und Einblick in die Zusammenarbeit zwischen Künstler und Lehrerin der anderen Projekte zu erhalten. Darüber hinaus wurden neu interessierte Lehrerinnen ebenfalls zu diesem Termin eingeladen und im Team aufgenommen.

6 Den Begriff Sprechstimme verwenden wir in Abgrenzung zur Singstimme.

7 Das Projekt wurde in der Kategorie Best Practice für den Junge Ohren Preis 2014 nominiert, der vom Netzwerk Junge Ohren alljährlich für herausragende pädagogische Projekte im Bereich Musikvermittlung verliehen wird. Siehe www.jungeohren.com [22.11.2014].

8 Vgl. Baumann, Felix: "Hören als aktiver Prozess. Was die Neurowissenschaft und Komponisten Neuer Musik über das Hören sagen", in: Trajekte. Zeitschrift des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung Berlin, Nr. 29 (2014) 15. Jg., S. 33–42.

9 Im folgenden Schuljahr 2014/15 wurde die Projektarbeit mit derselben Lerngruppe unter dem Themenschwerpunkt "Instrumentales Theater" aufgegriffen und weiter geführt.